URI: 
       # taz.de -- Abschiebung aus der Psychiatrie: Cuxhavener Hardliner
       
       > Der 19-Jährige Monir H. wurde nach Panikattacken in eine geschlossenen
       > psychiatrische Abteilung eingewiesen. Trotzdem soll er abgeschoben
       > werden.
       
   IMG Bild: Treppe abwärts bei düsteren Aussichten: Ein anonymer Mann in Hannover, der nicht Monir H. ist
       
       Hamburg taz | Monir H. soll nach Bangladesch abgeschoben werden, obwohl er
       derzeit in stationärer psychiatrischer Behandlung ist.
       
       Der Rechtsmediziner Klaus Püschel von der Universitätsklinik
       Hamburg-Eppendorf attestierte dem 19-Jährigen im Juni 2018 eine
       posttraumatische Belastungsstörung sowie eine depressive Verstimmung. Seit
       seiner Flucht lebte H. bei seiner Tante in Cuxhaven. Laut seines Anwaltes
       Sven Sommerfeldt hatte er in Bangladesch „keine Perspektive mehr“: Sein
       Vater sei tot, seine Mütter könne sich nicht um ihn kümmern.
       
       Im Mai 2018 floh Monir H. über Libyen und Italien nach Deutschland. Er galt
       wegen fehlender Papiere zunächst als unbegleiteter minderjähriger
       Flüchtling. Bei einer medizinischen Untersuchung zur Feststellung seines
       Alters kam heraus, dass er zum Zeitpunkt der Ankunft in Deutschland aber
       bereits volljährig war.
       
       Am 27. September erhielt er nun ein Schreiben der Ausländerbehörde
       Cuxhaven: Sie forderte ihn dazu auf, binnen 14 Tagen das Land zu verlassen,
       da er keine Aufenthaltsgenehmigung besitze. Dieses Schreiben versetzte den
       jungen Mann „in einen Schock“, sagt Sommerfeldt. Er sei zusammengebrochen,
       gestürzt, habe sich dabei verletzt und musste kurzzeitig ins Krankenhaus.
       
       Der Bremer Rechtsanwalt beantragte daraufhin bei der Ausländerbehörde der
       Stadt Cuxhaven eine Aufenthaltsgenehmigung oder Duldung des jungen
       Geflüchteten. Seine posttraumatische Belastungsstörung „stellt ein
       Abschiebungshindernis dar“, so Sommerfeldt. Er fügte dem Schreiben das
       Attest des Rechtsmediziners Püschel bei.
       
       Die Antwort der Ausländerbehörde fiel ernüchternd aus. Das vorgelegte
       Attest entspreche „in keiner Weise“ dem gefordertem „fachärztlichen und
       aussagekräftigen Attest“, heißt es in der Antwort an den Anwalt. Die
       Ausreisefrist sei am 12. Oktober verstrichen. Darum werde nun die
       Abschiebung eingeleitet, teilte die Behörde mit.
       
       Kurz danach kommt Monir H. erneut ins Krankenhaus. Dort werden ihm bei
       einer ambulanten Notfallbehandlung schwere depressive Episoden sowie
       Suizidgedanken und Panikattacken attestiert. Der zuständige Neurologe
       verlegt ihn daraufhin sofort in die geschlossene psychiatrische Abteilung
       einer Klinik in Debstedt, in der H. bis heute behandelt wird.
       
       Der Ausländerbehörde in Cuxhaven ist das egal: In einem Schreiben an den
       Rechtsanwalt fordert sie erneut ein „aussagekräftiges fachärztliches
       Attest“ ein und drohte, ansonsten „nach Aktenlage“ zu entscheiden – also
       Monir H. abzuschieben. Der Kurzbrief einer ambulanten Notfallbehandlung
       erfülle die Kriterien eines Attests nicht – ein solches muss nun bis zum
       Freitag dieser Woche eingereicht werden, verlangt die Behörde. Mit den
       vorliegenden Unterlagen lasse sich „eine Reiseunfähigkeit nicht erkennen“.
       Eine Suizidgefahr stehe einer Abschiebung „dem Grunde nach nicht entgegen“.
       Für eine Stellungnahme und Nachfragen war die Ausländerbehörde der Stadt
       Cuxhaven am Dienstag nicht zu erreichen.
       
       Das Attest sei in Arbeit, entgegnet Sommerfeldt. „Das dauert aber seine
       Zeit“, sagt er. Da Monir H. in einer geschlossenen psychiatrischen
       Einrichtung behandelt werde, solle die Entscheidung über seine Abschiebung
       zumindest vertagt werden, fordert der Anwalt.
       
       Nun hat Sommerfeldt einen Eilantrag beim Verwaltungsgericht in Stade
       gestellt, in dem er um eine Aufschiebung der Entscheidung über die
       Abschiebung bittet, solange Monir H. sich in psychiatrischer Behandlung
       befindet. Das Gericht sieht „bislang keine Anhaltspunkte dafür, dass eine
       Abschiebung erfolgen“ könne, solange sich der junge Mann in „stationärer
       Behandlung“ befinde. „Wäre es die Bremer Ausländerbehörde, um die es hier
       geht, dann wäre ich jetzt ganz beruhigt“, sagt Sommerfeldt. „Aber es ist
       eben die Behörde in Cuxhaven. Da weiß man nie.“
       
       6 Nov 2019
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Mahé Crüsemann
       
       ## TAGS
       
   DIR Abschiebung
   DIR Cuxhaven
   DIR Ausländerbehörde
   DIR Psychiatrie
   DIR Asylpolitik
   DIR Schwerpunkt Flucht
   DIR Lesestück Recherche und Reportage
   DIR Abschiebung
   DIR Abschiebung
       
       ## ARTIKEL ZUM THEMA
       
   DIR Abschiebung nach Albanien: Zurück unter Wellblech
       
       Als Kind verlor Fllanxa Murra ihre Beine, als Erwachsene floh sie nach
       Deutschland – und wurde abgeschoben. Ist Albanien für eine lesbische Romni
       sicher?
       
   DIR Abschiebung um jeden Preis: Vom Staat getrennt
       
       In Niedersachsen wurde durch eine Abschiebung eine Familie zerrissen. Die
       Frau ist nun in der Psychiatrie. Sie soll auch abgeschoben werden.
       
   DIR Rigorose Abschiebungspraxis: Es gibt keinen Schutzraum
       
       Polizisten schieben zwei Flüchtlinge direkt aus der Psychiatrie ab.
       Flüchtlingsrat und Linkspartei geißeln das Vorgehen als „inhuman“ und
       „Tabubruch“.