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       # taz.de -- Studie zur Aufforstung in der Kritik: Nur Wald ist auch keine Lösung
       
       > Eine neue Studie widerspricht der Ansicht, Aufforstung sei das beste
       > Mittel gegen die Klimakrise. Eine Untersuchung mit diesem Ergebnis rechne
       > falsch.
       
   IMG Bild: Vier hoffnungsvolle Zentimeter: Kleine Tanne im Thüringer Wald, wird mal jede Menge CO2 speichern
       
       Berlin taz | Auch beim Klimaschutz wachsen die Bäume nicht so einfach in
       den Himmel. Eine wissenschaftliche Studie, [1][die im Juli für Aufsehen
       sorgte], weil sie in der Aufforstung von Wäldern ein probates Mittel zur
       globalen CO2-Reduktion versprach, wird nun von anderen Wissenschaftlern
       heftig kritisiert.
       
       Die Untersuchung der ETH Zürich, die von ihren Autoren unter dem Titel „Wie
       Bäume das Klima retten könnten“ beworben wurde, überschätze das
       CO2-Reduktionspotenzial um das Fünffache, vernachlässige die Speicherung
       von Kohlenstoff in den Böden und verkenne die Tatsache, dass nicht alle
       Bäume das Klima kühlten, so die Kritik, die in einem [2][aktuellen Aufsatz
       in der Zeitschrift Science] von einer internationalen Forschergruppe
       geäußert wurde. Die Autoren der ursprünglichen Studie verteidigen dagegen
       ihre Arbeit.
       
       „Unsere Studie zeigt deutlich, dass Flächen zu bewalden derzeit die beste
       verfügbare Lösung gegen den Klimawandel ist“, hatte der Co-Autor der Studie
       und ETH-Professor Tom Crowther gesagt. Auf knapp einer Milliarde Hektar,
       der Größe der USA, sei derzeit weltweit genug Platz, um Bäume zu pflanzen.
       Diese könnten durch ihr Wachstum etwa 205 Milliarden Tonnen Kohlenstoff der
       Luft entziehen, zwei Drittel der Menge, die seit der industriellen
       Revolution in die Luft geblasen wurden.
       
       Crowthers Arbeitsgruppe an der ETH Zürich wird unter anderem vom
       Bundesministerium für Entwicklung (BMZ) mitfinanziert. Die Studie wurde als
       Argument genutzt, Klimawandel, ländliche Entwicklung und Bewahrung der
       Artenvielfalt zusammen voranzubringen.
       
       ## Der Wald ist nur ein Ökosystem von vielen
       
       Schon damals gab es vereinzelt Kritik an den Annahmen der Studie. Nun kommt
       von einer Forschungsgruppe rund um Joseph Veldman von der Texas A&M
       Universität eine echte Breitseite: „Die Annahmen zum Kohlenstoffspeicher
       sind etwa fünfmal zu groß“, schreiben sie. Denn die Autoren hätten
       unterschätzt, wie viel Kohlenstoff auch in Grasland und Mooren gespeichert
       werde, wenn dort keine Bäume stehen.
       
       Manchmal sei das sogar mehr als in Wäldern. Savannen und Grasland seien
       keine minderwertigen Ökosysteme, die man durch Aufforstungen
       „wiederherstellen“ müsse, sondern uralte und wichtige Bestandteile der
       natürlichen Vegetation.
       
       Außerdem, so die Kritik, vernachlässigten die Forscher, dass Bäume nicht
       überall zur Abkühlung des Planeten beitragen: In den nördlichen Gebieten
       oder in Bergregionen trügen Bäume sogar zur Erwärmung bei: Nadelbäume sind
       das ganze Jahr über dunkler als der schneebedeckte Boden im Winter, daher
       bleibe mehr Wärmeenergie an der Oberfläche und werde nicht abgestrahlt.
       
       Die Gruppe unterstützt grundsätzlich die Idee, mit Aufforstung zum
       Klimaschutz beizutragen: Neue Bäume könnten immerhin 42 Milliarden Tonnen
       Kohlenstoff speichern, etwa soviel wie vier Jahre der globalen Emissionen
       auf heutigem Niveau. Es müsse aber auch klar sein, „dass sie kein Ersatz
       dafür sind, die meisten Emissionen aus fossilen Brennstoffen zu beenden.“
       
       Die Autoren der ursprünglichen Studie haben eingeräumt, der Hunger nach
       Weideland könne in der Zukunft weniger Regionen zur Aufforstung lassen.
       Dennoch beharren sie auf ihren Grundaussagen und darauf, den verfügbaren
       Platz konservativ berechnet zu haben. Ihre Kritiker bleiben trotzdem dabei:
       die Grundaussage sei gewesen, dass Aufforstung „weltweit die beste Lösung
       für die Eindämmung des Klimawandels“ wäre. „Wir wissen jetzt, dass diese
       Annahme falsch war.“
       
       25 Oct 2019
       
       ## LINKS
       
   DIR [1] /Waldexpertin-ueber-neue-Klimastudie/!5609689
   DIR [2] https://science.sciencemag.org/content/365/6448/76
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Bernhard Pötter
       
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