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       # taz.de -- Proteste in Katalonien: Eine Demo jagt die andere
       
       > Sowohl Befürworter als auch Gegner der Unabhängigkeit gehen in Barcelona
       > auf die Straße. Es kommt erneut zu gewalttätigen Zusammenstößen.
       
   IMG Bild: Kundgebung am 27. Oktober in Barcelona: Unterstützer der Einheit Spaniens im Ornat
       
       Madrid taz | Spanische Fahnen in Barcelona – so weit das Auge reichte. Am
       Sonntagmittag hatte die Katalanische Zivilgesellschaft (SCC) unter dem
       Motto „Für die Eintracht, für Katalonien. Schluss jetzt!“ zu einer
       Kundgebung aufgerufen. Die Mobilisierung wurde von der in Madrid
       regierenden sozialistischen PSOE über die konservative Partido Popular
       (PP), die rechtsliberale Ciudadanos (Cs) bis hin zu ultrarechten Vox
       unterstützt.
       
       Unter den Teilnehmern befanden sich Josep Borrell, der in der neuen
       EU-Kommission das Außenresort innehat, der PP-Chef Pablo Casado und sein
       Kollege bei Cs, Albert Rivera, sowie regionale Vertreter von Vox. Die
       Veranstalter hatten in ganz Spanien Busse nach Barcelona gechartert. Laut
       Stadtpolizei kamen gerade einmal 80.000 Menschen zusammen. Vor zwei Jahren
       konnte die SCC noch weit über eine halbe Million aktivieren.
       
       „Wir werden Zeugen von Gewalt, wie wir sie seit der Industriekrise in den
       1980ern nicht mehr gesehen haben“, erklärte der Sozialist Borrell, selbst
       Katalane, warum er gekommen war.
       
       Casado (PP) und Rivera (Cs) nutzten die Zwischenfälle der beiden
       vergangenen Wochen, um die Regierung in Madrid aufzufordern, Katalonien
       einmal mehr unter Zwangsverwaltung zu stellen und in einem ersten Schritt
       der Regierung Torra mit Hilfe des nationalen Sicherheitsgesetzes die Hoheit
       über die katalanische Polizei zu entziehen.
       
       ## Rufe nach Freiheit
       
       Bereits am Samstag abend waren Hunderttausende dem Ruf von rund 160
       Organisationen, Parteien und Gewerkschaften gefolgt und in Barcelona auf
       die Straße gegangen. Unter dem Motto „Freiheit“ protestierten Befürworter
       der Unabhängigkeit gegen die Verurteilung von neun katalanischen Politikern
       und Aktivisten zu 9 bis 13 Jahren Haft in Zusammenhang mit dem 2017
       abgehaltenen Unabhängigkeitsreferendum.
       
       In der ersten Reihe liefen die Angehörigen der Verurteilten. Etwas weiter
       hinten reihten sich katalanische Politiker ein, darunter der katalanische
       Regierungschef Quim Torra. Die Stadtpolizei sprach von 350.000 Teilnehmern.
       Die Veranstalter zweifelten dies an, denn die Polizei habe auf der gleichen
       Strecke vor einem Jahr noch das Doppelte gezählt.
       
       „Dieser politische Konflikt wird sich weder mit Richtern noch mit
       Repression oder Polizeigewalt lösen lassen“, erklärte Marcel Mauri,
       Vize-Vorsitzender der Kulturvereinigung Òmnium. Òmnium und die
       Bürgerbewegung Katalanische Nationalversammlung (ANC) sind die beiden
       wichtigsten Organisationen der katalanischen Unabhängigkeitsbewegung. Ihre
       beiden Vorsitzenden befinden sich unter den neun Inhaftierten.
       
       „Wir werden es wieder tun“, beteuerte der katalanische Regierungschef
       Torra, dem Urteil zum Trotz. Torra forderte Madrid erneut einen Dialog.
       Sein Ziel ist eine Abstimmung über die Unabhängigkeit, wie in Schottland.
       „Es gibt kein Selbstbestimmungsrecht“, keine Demokratie erkenne dies an,
       konterte die stellvertretende Regierungschefin aus Madrid, Carmen Calvo
       Torra.
       
       ## Gummibälle statt Gummigeschosse
       
       Nach der Großkundgebung zogen über zehntausend Menschen vor das
       Kommissariat der spanischen Nationalpolizei in Barcelona und warfen, als
       Symbol für die in den letzten Tagen immer wieder eingesetzten
       Gummigeschosse, Gummibälle über die Polizeiabsperrung.
       
       Es kam zu schweren Straßenschlachten. Am Ende waren, so die katalanische
       Innenbehörde, 44 Verletzte zu beklagen, 25 davon Polizeibeamte. Seit der
       Urteilsverkündung vor knapp zwei Wochen forderten die gewalttätigen
       Auseinandersetzungen 600 Verletzte.
       
       Ebenfalls am Samstag fand fast unbemerkt von Presse und Öffentlichkeit eine
       weitere Kundgebung vor dem Sitz der katalanischen Regierung statt. „Parlem“
       – „Sprechen wir!“ – lautete das Motto der in Weiß gekleideten Teilnehmer.
       Kamen vor zwei Jahren unter dem gleichen Motto noch mehrere Tausend
       zusammen, waren es jetzt gerade noch rund 100.
       
       27 Oct 2019
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Reiner Wandler
       
       ## TAGS
       
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