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       # taz.de -- Minister über Thüringen-Wahl: „Keine schwierigen Verhältnisse“
       
       > Das Parteiensystem habe sich grundlegend geändert, sagt der Linke
       > Benjamin Hoff. Neue Wege der Zusammenarbeit könnten Thüringen guttun.
       
   IMG Bild: Ich, er, sie, es, wir, ihr, sie haben in Thüringen gewählt. Und nun?
       
       taz: Herr Hoff, die Linke hat gewonnen, Rot-Rot-Grün verloren. Hat sich die
       Linke zu Tode gesiegt? 
       
       Benjamin Hoff: Bei einer um 13 Prozentpunkte gestiegenen Wahlbeteiligung
       haben die drei Parteien in absoluten Stimmen zugelegt. Das ist ein tolles
       Ergebnis. Dass es jetzt prozentual [1][für Rot-Rot-Grün nicht reicht], ist
       Ausdruck einer Demokratie, in der [2][nicht die Linke sich zu Tode siegt],
       sondern sich das Parteiensystem grundsätzlich ändert.
       
       Sie werben seit Sonntagabend für eine Minderheitsregierung. Wie soll die
       funktionieren? 
       
       Ich werbe nicht dafür. Ich hätte wahnsinnig gern eine Mehrheitsregierung.
       Aber ich glaube, dass dieses Wahlergebnis gezeichnet ist von Ambivalenz:
       Zwei Drittel der Thüringerinnen und Thüringer finden eine
       Minderheitsregierung eher schlecht. Aber gleichzeitig steht die
       rot-rot-grüne Koalition mit 40 Prozent Zustimmung weit vor allen anderen
       Koalitionsvarianten. Und insofern haben die Wählerinnen und Wähler den
       Parteien eine Denksportaufgabe gegeben: Macht das Beste draus.
       
       Das Beste ist eine rot-rot-grüne Minderheitsregierung? 
       
       Die eingeübte stabile Zusammenarbeit von Linken, SPD und Grünen ist die
       Plattform, auf der man jetzt aufbauen und schauen muss, wie man mit den
       anderen Parteien über die Gestaltung von Politik redet.
       
       Sie werden also mit CDU und FDP reden. Mit der CDU, die die Linke in einen
       Topf mit der AfD wirft und eine Koalition ausschließt. 
       
       Niemand redet derzeit über eine [3][Koalition mit der CDU]. Im Kern geht es
       doch darum, dass Beschlüsse umgesetzt werden und ein Konsens unter
       demokratischen Parteien hergestellt wird zum Wohle des Landes. Ich kann mir
       nicht vorstellen, dass das so schwierig sein soll. In anderen Ländern ist
       das normal. Ich glaube, dass das auch Thüringen sehr guttun kann.
       
       Die FDP ist aber angetreten, Bodo Ramelow abzuwählen. 
       
       Man muss manchmal konstatieren, dass man seine Ziele nicht erreichen kann.
       
       Sie glauben also, CDU und FDP sind konsenswillig? 
       
       Ich glaube daran, dass bei CDU und FDP ein Verständnis dafür herrscht, dass
       es kein Ausdruck von Schwäche oder Instabilität ist, sondern Ausdruck einer
       neuen politischen Entwicklung, in der demokratische Parteien zum Wohle des
       Landes zusammenarbeiten. Das könnte bei der Bildungspolitik oder bei
       anderen Themen gut gelingen.
       
       In Dänemark gibt es eine solche Minderheitsregierung. Aber dort wird die
       Sozialdemokratin Mette Frederiksen von einem roten Block toleriert. In
       Thüringen wäre Rot-Rot-Grün auf einen konservativen Block angewiesen, die
       AfD nicht mitgezählt. 
       
       Ich zähle auch die Freien Demokraten nicht eins zu eins in einen
       konservativen Block. Wenn es um das Augenmaß zwischen innerer Sicherheit
       einerseits und Freiheitsrechten andererseits geht, kann ich mir nicht
       vorstellen, dass Grüne, Linke, Sozialdemokraten und die FDP nicht auf einen
       gemeinsamen Nenner kommen. Und das ist nur ein Beispiel.
       
       Für eine klassisch stabile Mehrheit gäbe es auch andere Bündnisse mit
       Pioniercharakter. Linke und CDU – das schließt die CDU aber aus – und ein
       Viererbündnis von Rot-Rot-Grün und FDP, wie immer das geografisch heißt. 
       
       Die Rojava-Koalition.
       
       Nach der kurdischen Flagge. 
       
       Genau. Und bei Rot-Schwarz handelt es sich um die ostdeutsche Groko.
       
       Halten Sie eine von beiden Varianten für denkbar? 
       
       Die Christdemokraten haben eine noch größere Denksportaufgabe zu bewältigen
       als wir. Wenn 68 Prozent der Thüringer CDU-Wähler den Ausschluss einer
       Zusammenarbeit mit den Linken für falsch halten, hat Mike Mohring offenbar
       etwas falsch gemacht. Aber es gibt gute Gründe, warum Parteien
       unterscheidbar sein sollten. Und zwischen CDU und Linken gibt es manifeste
       Unterschiede.
       
       Und wie steht es um die sogenannte Rojava-Koalition? 
       
       Reden kann man über alles. Aber ich halte auch das für einen typisch
       deutschen Stabilitätsfetisch. Auch für die Freien Demokraten dürfte es
       zunächst überzeugender sein, mit der rot-rot-grünen Koalition so weit
       zusammenzuarbeiten, dass sie uns bei ihr sinnvoll erscheinenden Vorhaben
       stützt. Ob man je von einer partiellen Duldung zu einer Tolerierung kommen
       könnte, kann man heute noch nicht einschätzen.
       
       Sind angesichts solcher schwierigen Verhältnisse nicht Neuwahlen
       wahrscheinlicher? 
       
       Ich sehe nicht, dass wir schwierige Verhältnisse haben. Wir reden darüber,
       wie demokratische Parteien miteinander Politik machen und wie wir ein neues
       Kapitel der politischen Landesgeschichte aufschlagen.
       
       Und wann wird es in Thüringen eine neue Regierung geben? 
       
       Wir treffen uns am Mittwoch mit SPD und Grünen und gucken uns als
       Koalitionspartner in die Augen. Und danach kann man auch mehr zu Zeitplänen
       sagen.
       
       28 Oct 2019
       
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