# taz.de -- Experte über Windkraftindustrie-Krise: „Das war ein Crash mit Ansage“
> Enercon ist einer der größten deutschen Hersteller von Windrädern.
> Norbert Allnoch vom IWR spricht über die Stellenstreichungen bei der
> Firma.
IMG Bild: Windrad mit abgebrochenem Flügel in NRW
taz: Herr Allnoch, die Windkraftfirma Enercon [1][baut in Deutschland in
großem Stil Arbeitsplätze ab], nachdem hierzulande kaum noch Anlagen
errichtet werden. War es ein Fehler der Firma, sich so sehr auf den
Heimatmarkt zu konzentrieren?
Norbert Allnoch: Fehler würde ich nicht sagen. Enercon hat darauf vertraut,
dass angesichts des Atomausstiegs und der Klimadebatte die deutsche Politik
es mit der Energiewende ernst meint und die Onshore-Windkraft nicht
fallenlassen wird. Dieses Vertrauen wurde nun enttäuscht. Aus
unternehmerischer Sicht finde ich die langjährige Strategie von Enercon
also durchaus plausibel. Auch die Entscheidung der Firma, sich auf Anlagen
an Land zu konzentrieren, war nicht verkehrt, denn das globale
Offshore-Geschäft ist ein völlig anderes. Hier werden künftig noch ganz
neue Akteure auftreten, etwa die milliardenschwere Öl- und Gasindustrie,
die ja auch vor einer Transformation steht.
Lässt sich der Absatzeinbruch in Deutschland für einen großen Hersteller
nicht auf internationalen Märkten kompensieren?
In anderen europäischen Ländern wird Enercon den [2][Einbruch der Windkraft
in Deutschland] derzeit nicht einfach auffangen können. Außereuropäisch
schon eher, aber da ist dann lokale Produktion gefragt. Enercon wird daher
einen Teil dessen, was die Firma in Deutschland an Fertigung abbaut,
andernorts wieder aufbauen. Aus Sicht der deutschen Industriepolitik
erinnert der aktuelle Niedergang der Windbranche an den Einbruch am
Photovoltaikmarkt 2012 bis 2014. Aber es gibt einen Unterschied: Deutsche
Windkraftfirmen können heute in anderen Ländern Kapazitäten aufbauen, was
die deutsche Solarwirtschaft damals so nicht konnte, weil die
internationalen Solarmärkte noch nicht ausreichend entwickelt waren.
Die deutsche Politik habe die Windbranche in die jetzige Krise getrieben,
heißt es immer. Aber was bedeutet das konkret? Die Vergütungen sind ja so
schlecht nicht …
In der Tat bewarben sich bei den Ausschreibungen der Bundesnetzagentur seit
2018 nicht mehr genug Projekte, um das Volumen auszuschöpfen. An den
Vergütungssätzen liegt es also nicht primär, sondern an fehlenden
Genehmigungen. Es war allerdings ein Crash mit Ansage, denn aufgrund von
Änderungen der gesetzlichen Rahmenbedingungen hatte es 2017 durch
Vorzieheffekte einen Boom gegeben.
Solche starken Marktschwankungen aufgrund politischer Entscheidungen sind
immer Gift für Unternehmen, und das muss sich die Bundesregierung ankreiden
lassen. Fatal daran: Schrumpft die Windkraftindustrie in Deutschland,
dürfte das auch die heimische Forschung treffen.
Aber nicht allein die Bundesregierung ist schuld?
Seitdem die Standortgenehmigungen der Engpass sind, spielen auch die
Bundesländer eine Schlüsselrolle. Sie müssen die Verfahren beschleunigen.
Die Genehmigungshürden, sei es durch Belange des [3][Artenschutzes] oder
durch Einwände von Anliegern, waren ja schon immer da, nur ziehen sich die
Verfahren heute plötzlich viel länger hin als früher. Und dann gibt es
natürlich solche Bundesländer, wo der Zubau durch die 10-H-Regelung, also
den Mindestabstand zur Wohnbebauung in zehnfacher Anlagenhöhe, praktisch
komplett gestoppt wurde.
Es könnte für die Energiewende noch extremer kommen: 2021 fallen die ersten
Altanlagen aus der gesetzlichen Vergütung heraus und müssen sich dann am
Markt behaupten. Schaffen sie das nicht, werden sie abgebaut. Ist es
denkbar, dass dann sogar mehr Windkraft stillgelegt als neu aufgebaut wird?
Das Szenario ist real. Entscheidend sind die Strompreise an der Börse.
Diese steigen durch weniger Ökostromanlagen, also weniger Preisdruck, oder
den Wegfall von fossiler Produktion. Was wir aber eigentlich brauchen, das
ist endlich ein separates Börsensegment für realen Ökostrom, an dem höhere
Preise erzielt werden dürften als am heutigen Markt des sogenannten
Graustroms. Die Anlagen brauchen Preise von 4 bis 5 Cent je
Kilowattstunde, dann werden viele von ihnen noch einige Jahre am Netz
bleiben können.
12 Nov 2019
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## AUTOREN
DIR Bernward Janzing
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