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       # taz.de -- Bleirecycling in Kenia: „Das Blei ist überall!“
       
       > Die kenianische Aktivistin Phyllis Omido kämpft für strengere
       > Umweltauflagen beim Recyceln von Blei. Auch Deutschland stehe in der
       > Verantwortung.
       
   IMG Bild: Ohne Schutzkleidung führt der Umgang mit dem Schwermetall zu Gesundheitsschäden
       
       taz: Frau Omido, seit Jahren kämpfen Sie für strengere Auflagen in
       Bleischmelzen in [1][Kenia] und haben sogar die Regierung verklagt. Anfang
       nächsten Jahres soll das Urteil kommen. Was ist da los? 
       
       Phyllis Omido: Die Situation in Owino Uhuru in der Nähe von Mombasa, wo die
       Batterie-Recycling-Fabrik EPZ steht, ist immer noch schlecht. Die Fabrik
       ist zwar mittlerweile geschlossen. Aber die Menschen sind immer noch krank,
       die Umwelt ist vergiftet, der Boden nicht mehr fruchtbar. Wer hier früher
       gefischt oder Gemüse angepflanzt und die Produkte verkauft hat, kann das
       nun nicht mehr.
       
       Was hatten Sie sich erhofft, als Sie anfingen, in der Fabrik zu arbeiten? 
       
       Ich dachte damals, dass mein Leben besser werden würde. Ich bekam ein gutes
       Gehalt und ein Auto. Ich war alleinerziehend mit meinem Sohn, brauchte
       diese Dinge also. Ich wollte meinem Sohn ein gutes Leben ermöglichen.
       
       Was haben Sie in der Fabrik gemacht? 
       
       Ich habe im Büro gearbeitet. In der Fabrik wurden Bleibatterien für den
       Weltmarkt recycelt. Aber die Technologie, die dort benutzt wurde, war sehr
       alt. Die Bleidämpfe waren überall. Wir haben gesehen, wie die indischen
       Manager Masken getragen haben. Wir wussten damals noch nicht, dass sie ihr
       Leben schützen, während wir alle dem giftigen Blei ausgesetzt waren.
       
       Jedes Jahr werden etwa 800.000 Tonnen Blei in Afrika recycelt. Auch aus
       Deutschland werden Altbatterien illegal ins Ausland exportiert. Welche
       Verantwortung hat Deutschland für gesundheitliche Folgen und
       Umweltverschmutzungen durch das [2][Recycling] in Ländern wie Kenia? 
       
       Deutschland gehört zu den führenden Mächten dieser Welt. Wenn Deutschland
       kein Blei mehr aus unsicheren Quellen kauft, wo Menschenrechte verletzt
       werden, dann werden auch Länder wie Indien oder China ihr Verhalten ändern.
       Wenn Deutschland jedoch so weitermacht wie bisher, wird sich nichts
       verändern.
       
       Ihr Sohn erkrankte. Später kam heraus, dass der Bleianteil in seinem Blut
       um das 37-Fache erhöht war. Wussten die Ärzt*innen, was ihm fehlte? 
       
       Nein. Sie testeten ihn auf Malaria oder Dengue-Fieber. Die Symptome sind
       sehr ähnlich wie bei einer [3][Bleivergiftung]: Fieber, Unruhe, wässrige
       Augen. Kein einziges Krankenhaus in Mombasa konnte auf Bleivergiftung
       testen. Letztlich schickten wir eine Blutprobe meines Sohns nach Südafrika.
       Die Ergebnisse waren positiv. Doch es gab keine richtige Behandlung. Die
       Ärzte konnten ihm nur Schmerzmittel geben. Das war schrecklich für mich.
       Später konnte mir meine Tante Medikamente aus den USA schicken, mit denen
       ich meinen Sohn behandeln konnte. Ich hatte also noch Glück.
       
       Wie ging es weiter? 
       
       Ich habe die Blutproben von drei weiteren Kindern aus der Community
       genommen. Alle drei hatten eine Bleivergiftung. Ich nahm die Ergebnisse mit
       zur nationalen Umweltbehörde. Sie schrieben mir daraufhin einen Brief, dass
       ich unrecht hätte und sie vor Gericht gehen würden, wenn ich weitermachen
       würde.
       
       Laut der Deutschen Umwelthilfe werden mehr als die Hälfte aller
       Elektrogeräte aus Deutschland auf widerrechtliche Weise recycelt, in
       illegalen Verwertungsanlagen verschrottet oder [4][ins Ausland exportiert].
       Was läuft hier falsch? 
       
       Wir müssen verstehen, dass die Entscheidungen, die wir treffen, um Profit
       zu machen, später immer andere Aspekte unserer Gesellschaft beeinflussen
       werden. Menschen zu töten, damit andere reich sein können, ist nicht
       ethisch. Kein Mensch verdient es, für andere zu sterben.
       
       Nachdem Sie den ersten Schritt getan und die Vergiftungen der Kinder
       öffentlich gemacht hatten, konnten Sie viele weitere Menschen in ihrer
       Community mobilisieren, die Regierung zum Handeln zu drängen. Hat sich
       dadurch etwas verändert? 
       
       Die Regierung hat die Fabrik manchmal für ein paar Tage geschlossen, um sie
       danach wieder zu öffnen. Das war alles wie ein Spiel. So ging es jahrelang.
       Als wir 2012 eine Demonstration organisierten, wurde ich wegen Anstiftung
       zu Gewalt und illegaler Versammlung angeklagt und festgenommen. 2013 wurde
       ich wieder freigesprochen und wir haben direkt die nächste große
       Demonstration gemacht.
       
       Todesdrohungen, Verhaftungen und Bedrohungen – all diese Dinge haben Sie
       nicht aufgehalten, weiterzukämpfen. 
       
       Mitglieder meiner Community wurden teilweise bedroht oder sogar geschlagen.
       In solchen Zeiten wollte ich manchmal aufgeben. Doch Menschen, die mit mir
       auf der Straße waren, sind in meinen Armen gestorben. Ich fühle mich, als
       würde ich es ihnen schulden, weiterzumachen.
       
       Mittlerweile ist die Fabrik geschlossen. Was fordern Sie als Nächstes? 
       
       Wenn wir den Prozess gewinnen, muss die Regierung den Menschen in Owino
       Uhuru eine Entschädigung zahlen. Wir fordern das Gericht außerdem dazu auf,
       anzuerkennen, dass die [5][Menschenrechte] der Owino-Uhuru-Community
       verletzt wurden. Die Regierung soll den gesamten Ort entgiften und das Blei
       entfernen, denn das ist immer noch überall: auf den Dächern, in der Erde,
       an den Wänden und Fenstern. Danach sollen die Menschen, die in der Fabrik
       gearbeitet haben oder in der Nähe wohnen, entgiftet werden.
       
       Sie erwarten also ein positives Urteil? 
       
       Wir haben gut recherchiert und viele Zeugen vor Ort. Wir haben unseren
       Anteil also getan. Das Problem ist: Wir wissen nicht, ob das Urteil des
       Gerichts dann von der Regierung eingehalten und umgesetzt wird.
       
       13 Nov 2019
       
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       ## AUTOREN
       
   DIR Leonie Asendorpf
       
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