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       # taz.de -- Wahlkampf in Großbritannien: Brexit Party verpufft
       
       > Um Boris Johnson zu helfen, zieht Nigel Farage seine Partei aus allen
       > Wahlkreisen der Konservativen zurück. Er will nur noch Labour schlagen.
       
   IMG Bild: Von rechts und links will Nigel Farage nichts mehr wissen: Wahlkampfauftritt, 11. November
       
       London taz | Auf die britische Tageszeitung Daily Mail kann man sich immer
       verlassen. Das Blatt mit einer Auflage von über 1,1 Millionen steht loyal
       zu den Konservativen und zum Brexit.
       
       Und genau deswegen forderte die Zeitung am Wochenende ihre Leser*innen auf,
       sie sollten Nigel Farage mitteilen, er möge seine Brexit Party von den
       Wahlen im Dezember zurückziehen, um die Brexit-Wählerschaft nicht zu
       spalten und Boris Johnsons Tories und Boris Johnsons Brexit nicht zu
       gefährden. „Stand down, Nigel!“, las sich die Schlagzeile.
       
       Bis dahin hatte Farage stur darauf beharrt, seine Partei – die im Mai
       [1][die Europawahlen in Großbritannien gewonnen] hatte – werde in allen
       Wahlbezirken kandidieren, denn Johnsons Brexit sei gar kein echter Brexit.
       Ein Abkommen mit Farage, sich nicht gegenseitig zu schaden, hatte Johnson
       zuvor abgelehnt.
       
       Farage hatte Rückenwind erhalten, als US-Präsidenten Donald Trump
       überraschend in seiner wöchentlichen Radioshow anrief und genau diesen Pakt
       empfahl. Die Konservativen wollen aber, dass die Farage-Partei überhaupt
       nicht antritt.
       
       „Peterborough-Faktor“ heißt das dahinterstehende Kalkül: In einer
       [2][Nachwahl in der Stadt Peterborough] hatte Labour Anfang Juni gewonnen,
       weil Konservative und Brexit Party getrennt antraten. Wenn sich das
       landesweit wiederholt, könnte es die Konservativen den Sieg kosten. Die
       Brexit Party wäre dann die Partei, die den Brexit verhindert, so der
       Vorwurf.
       
       ## Öffentliche Kehrtwende
       
       Nigel Farage blieb am Ende wenig anderes übrig, als nachzugeben. Seine
       Partei dümpelt in den Umfragen bei rund 10 Prozent, die Konservativen
       kommen auf 38 – eine Umkehrung der Verhältnisse der Europawahl. Reihenweise
       sollen Parlamentskandidaten der Brexit Party schon zurückgetreten sein.
       
       Am Montag machte Farage seine Kehrtwende öffentlich: Er sei kein großer Fan
       der Tories, aber im Interesse des Brexits würde die Brexit Party nun in den
       317 Wahlkreisen, die 2017 an die Konservativen gingen, nicht antreten.
       Seine Partei wolle sich auf Labour-Sitze mit Pro-Brexit-Mehrheiten
       konzentrieren, weil Labour „fünf Millionen ihrer Wähler betrogen hat“, so
       Farage. „Wenn wir die gewinnen können, können wir helfen, den Brexit zu
       liefern.“ Denn nur mit einer starken Brexit-Fraktion im Parlament auf
       Kosten Labours könne man Boris Johnson auf Kurs halten.
       
       Selbstverständlich bedankte sich die Daily Mail am Dienstag mit der
       Schlagzeile: „Schön gemacht, Nigel, aber es ist noch nicht genug …!“ Viele
       konservative Beobachter finden nämlich, dass die Brexit Party sich jetzt
       auch aus Labour-Wahlkreisen zurückziehen soll.
       
       Denn um eine absolute Mehrheit zu holen, müssen die Konservativen nicht nur
       die 317 Wahlkreise von 2017 halten, sondern Neuland erobern, und zwar
       insbesondere in Brexit-wählenden Städten, in denen Labour nur noch eine
       knappe Mehrheit hat, wie eben Peterborough.
       
       ## Was bedeutet Farages Rückzieher?
       
       Die Brexit Party könnte den Konservativen in solchen Städten wichtige
       Stimmen nehmen. Eine Studie behauptet, dass in Labour-Regionen die Brexit
       Party 64 Prozent ihrer Wähler aus ehemaligen Konservativen nimmt und nur 24
       Prozent aus ehemaligen Labour-Wähler*Innen.
       
       Was also bedeutet Farages halber Rückzieher? Nähere Angaben zur Strategie
       machte die Brexit Party nicht. Eine für Dienstag geplante Veranstaltung
       wurde ausgesetzt.
       
       Die Frage ist, ob die Brexit Party ihren Zweck nicht erfüllt hat, indem sie
       durch ihren Sieg bei den Europawahlen Theresa Mays Sturz, [3][Boris
       Johnsons Aufstieg] und damit den neuen Brexit-Deal möglich machte.
       Vielleicht war sie immer nur als Lobbygruppe geplant. Bis Donnerstag, wenn
       die Frist zur Kandidatenaufstellung endet, hat sie noch Zeit, sich
       endgültig zu entscheiden.
       
       12 Nov 2019
       
       ## LINKS
       
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       ## AUTOREN
       
   DIR Daniel Zylbersztajn
       
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