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       # taz.de -- Gemüseanbau in Berlin: Pak Choi aus Spandau
       
       > Ein Start-up nimmt den Anbau asiatischer Gemüse- und Kräutersorten selbst
       > in die Hand. Die Massenware aus Asien gab den Anstoß.
       
   IMG Bild: Schön im Grünen: die Gründer*innen von Fresh Tasia
       
       Schon beim ersten Schritt in das Gewächshaus schlägt einem warme, schwüle
       Luft entgegen. Bei 23 Grad Cesius und einer Luftfeuchtigkeit von 80 Prozent
       hangeln sich hier Schlangenbohnen gen Decke, man sieht kleine
       Pak-Choi-Pflänzchen, vietnamesischen Koriander und Wasserspinat, der mit
       den Wurzeln in einem Wasserbecken hängt. Das Wasser wird von einer
       Vegetationsheizung gewärmt. „So wie wir Menschen gern warme Füße haben, mag
       es der Wasserspinat auch lieber warm“, erklärt Ralf Szydlewski mit einem
       Grinsen. Seit April dieses Jahres betreibt er zusammen mit seiner Frau
       Rongrong Szydlewki ein Gewächshaus in Berlin Spandau.
       
       Mit ihrem Start-up Fresh Tasia wollen Ralf, ehemals Elektrotechniker, und
       Rongrong, die eigentlich Japanisch studierte, den Mengen an importiertem
       Gemüse aus dem Ausland Frisches aus der Region entgegensetzen.
       
       Seit Juni pflanzen die beiden hier asiatisches Gemüse und Kräuter an. Die
       Pflanzensamen kommen per Post aus China und Japan. Etwa 8.000 Pflanzen und
       zwölf Arten wachsen heute auf dem 1.600 Quadratmeter großen Gelände.
       Rongrong kommt aus China und lebt seit sieben Jahren in Deutschland. Sie
       habe frisches asiatisches Gemüse in Deutschland vermisst. „Der
       Wasserspinat, den man hier im Laden kaufen kann, hat keinen Geschmack“,
       meint sie. „Dann machen wir es lieber selbst.“
       
       ## Blattläuse machen Freude
       
       Neben dem Geschmack sei laut Ralf auch die Qualität des importierten
       Gemüses fragwürdig. So kam die Idee mit dem Gewächshaus. Die
       Verkaufsschlager sind Schlangenbohnen und Wasserspinat. Einziges Problem:
       Der Wasserspinat hat gerade Blattläuse, was jedoch die Kundschaft kaum
       stört. Rongrong sieht die Sache mit Humor: „Die Endkunden freuen sich über
       die Blattläuse, weil sie dann sehen, dass wir keinen chemischen
       Pflanzenschutz benutzen.“ Doch auch nachdem die Mitarbeiter*innen des
       Unternehmens die Pflanzen gewaschen und die Triebe, an denen Blattläuse
       saßen, abgeschnitten haben, konnte die Plage nicht eingedämmt werden. Nun
       soll biologischer Pflanzenschutz eingesetzt werden. „Da müssen wir
       reagieren. Das hat ja auch einen wirtschaftlichen Aspekt“, meint Ralf.
       
       Ein Bio-Zertifikat bekommt das Gemüse aus Spandau nicht. Es werden zwar
       keine chemischen Pestizide benutzt, auf mineralischen Dünger, der in
       größeren Mengen schädlich für die Umwelt ist und deshalb für zertifizierte
       Bioprodukte nicht zugelassen ist, wollen Ralf und Rongrong jedoch nicht
       verzichten. Wichtiger sei den beiden, dass die Produkte regional seien.
       „Die Kunden wollen das Regionale. Da bringen mir Biosiegel und
       Qualitätszertifikate gar nichts“, erklärt Ralf.
       
       Verkauft werden die Produkte aus dem Gewächshaus nur an Privatkunden und
       Restaurants. Gegen den Verkauf an Großhändler haben sich die beiden bewusst
       entschieden: „Wir wollen weder von Subventionen leben, wie es der
       klassische Landwirt tun muss, noch Bittsteller vom Großhandel sein“,
       erklärt Ralf. „Wir wollen uns so entwickeln, wie es der Markt braucht, und
       nicht, wie es mir ein Großhändler vorschreibt.“ Da viele in Deutschland die
       Produkte nicht kennen, müsse man die Kunden auch ein bisschen „an die Hand
       nehmen und Rezeptideen geben“. Das könnten Großhändler nicht machen.
       
       Ein Bund Schlangenbohnen, also etwa 270 Gramm, kostet hier 4,90 Euro.
       Damit Kund*innen jedoch nicht bis nach Spandau fahren müssen, um das Gemüse
       zu kaufen, gibt es neben dem Verkauf vor Ort insgesamt vier Abholstellen in
       Berlin und Falkensee.
       
       Eine davon ist der Berliner Fruitshop in Wilmersdorf. Hier können
       Liebhaber*innen asiatischer Küche das Spandauer Gemüse auf Bestellung
       kaufen. „Die Bittermelone habe ich auch mal probiert. Das muss man schon
       mögen. Das ist ja nicht so für den europäischen Geschmack“, erzählt Markus
       Butschke, Chef des Ladens. Pro Monat kaufe er etwa 2 bis 3 Kilogramm Gemüse
       aus dem etwa 20 Kilometer entfernten Gewächshaus. Abnehmer seien
       Privatpersonen, die mit dem Gemüse zu Hause kochen.
       
       ## Rezeptideen on top
       
       Vor der Zusammenarbeit mit Fresh Tasia wurde das asiatische Gemüse im Laden
       vom Großmarkt gekauft. Hier kamen die Produkte vor allem aus anderen
       europäischen Ländern wie Frankreich. Einige wenige Produkte seien auch aus
       Asien importiert gewesen. „Durch den langen Transport war die Qualität dann
       oft schlecht“, meint Butschke. Deshalb sei er vom Konzept aus Spandau
       schnell überzeugt gewesen. Finanziell würde sich im Vergleich zum Kauf beim
       Großmarkt nicht viel für den Laden verändern, so Butschke.
       
       Neben dem bepflanzten Gewächshaus in Spandau steht noch ein weiteres
       Glashaus, indem zwischen Betonplatten ein paar vereinzelte Pflanzen in der
       Erde liegen. Ende März findet hier ein Street Food Festival statt, zu dem
       asiatische Restaurants zum Kochen eingeladen werden. Langfristig soll hier
       ein Fine-Dining-Restaurant entstehen. „Wir planen, Bittermelonen als
       Raumtrenner zu pflanzen, dann bleibt auch die Gewächshausatmosphäre“,
       erzählt Ralf und lässt den Blick über die bislang noch eher nach Baustelle
       aussehende Halle schweifen.
       
       Am Rand des Gewächshauses hängt eine einsame Schwammgurke. „Das ist ein
       Experiment meiner Frau“, sagt Ralf und lacht. Die beiden planen, insgesamt
       15 Kulturen anzubauen. Auf dem Weg dorthin probieren sie noch viel aus.
       
       Verlässt man dann wieder das warme Gewächshaus, weht einem kalte
       Novemberluft entgegen. Kein Wunder also, dass sich die asiatischen Pflanzen
       im Gewächshaus so wohl fühlen.
       
       13 Nov 2019
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Leonie Asendorpf
       
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