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       # taz.de -- Plan für Abo-Modell bei BBC: Eine Milchmädchenrechnung
       
       > Neben den Brexit-Festspielen versucht Großbritannien auch ein bisschen zu
       > regieren. Doch der Wunsch nach einem Umbau der BBC birgt Gefahren.
       
   IMG Bild: Die BBC als britisches Netflix? Oh weh
       
       Das war ja zu erwarten: Um zu demonstrieren, dass Boris Johnson und sein
       Kabinett neben den Brexit-Festspielen überhaupt noch so etwas wie Regieren
       hinbekommen, haben sie sich unter anderem die Medienpolitik ausgesucht. Und
       wenn die Konservativen an der Regierung sind, bedeutet das eigentlich immer
       die BBC.
       
       Die BBC wurde seit 1927 als solidarisch von der Gesellschaft für die
       Gesellschaft finanzierter Sender entwickelt. Seitdem ist sie bestimmten
       Grundsätzen verpflichtet – „impartiality“, Ausgewogenheit, ist so einer.
       
       Wenn eine Gesellschaft aber so zerstritten ist wie die britische in Sachen
       Brexit, ist das mit der Ausgewogenheit so eine Sache: Für eiserne
       Pro-Brexit-Fans ist die BBC seit Langem die „Bruxelles Broadcasting
       Corporation“, die das hohe Lied auf die europäische Union singt und die
       Interessen von Middle England schnöde ignoriert. Für viele Remainer, die in
       der EU bleiben wollen, steht BBC dagegen für „Brexit Broadcasting
       Corporation“. Also ein Sender, der Boris Johnsons Fantastereien über die
       blühende Zukunft nach dem Brexit viel zu unreflektiert darstellt.
       
       ## Im Brexit untergegangen
       
       Seine Regierung hat sich jetzt auf ihre Weise der BBC angenommen:
       Medienministerin Nicky Morgan erklärte, sie sei für einen Umbau der BBC
       [1][nach dem Vorbild von Netflix] und anderen Abo-Diensten offen. Bislang
       bekommt die BBC ihr Geld aus der Rundfunkgebühr. Deren Höhe wird nicht wie
       in Deutschland von einer staatsfernen Expertenkommission bestimmt, sondern
       von Regierung und Parlament. Aktuell liegt sie bei 154,50 Pfund
       (umgerechnet rund 178 Euro) jährlich. Zum Vergleich: [2][Für ARD, ZDF & Co.
       sind hierzulande 210 Euro fällig], ab 2021 dürfte der Rundfunkbeitrag auf
       so was wie 220 Euro pro Jahr steigen. Morgan sagt nun treuherzig, sie habe
       bislang keine Belege dafür gesehen, dass sich die BBC nicht auch über ein
       Abo-Modell auskömmlich finanzieren könnte.
       
       Diese Milchmädchenrechnung geht aber nur auf, wenn fast alle, die heute
       zahlen, [3][auch bei einer Abo-Nummer mit an Bord blieben] – was höchst
       unwahrscheinlich ist. Oder wenn die BBC in verschiedene Programmpakete mit
       unterschiedlichen Preisen zerlegt würde. Dann müssten zum Beispiel teure
       Angebote wie Auslandsberichterstattung, aufwändige Eigenproduktionen und
       Filme mehr kosten. Doch so ein Ansatz wäre das Gegenteil der Idee vom
       öffentlich-rechtlichen Rundfunk für alle, bei dem es zuallererst um einen
       Dienst an der Gemeinschaft („public value“) geht.
       
       Bislang ist Morgans Vorstoß zwar im täglichen Brexit-Geklingel
       untergegangen. Darauf sollte man aber nichts geben: Wenn der britische
       Premier nach den Neuwahlen im Dezember wieder Boris Johnson heißt, kommt
       auch die Idee von der Netflix-BBC ganz schnell wieder auf den Tisch.
       
       30 Oct 2019
       
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   DIR Steffen Grimberg
       
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