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       # taz.de -- Bundeswehr auf Traditionssuche: Nazi-Deko geht nicht
       
       > Was entspricht dem Traditionsverständnis der Bundeswehr? Die
       > Ansprechstelle für militärhistorischen Rat (AMR) soll helfen, Fehlgriffe
       > zu vermeiden.
       
   IMG Bild: Beratungsbedarf bei der Bundeswehr – über viele Symbole herrscht Unklarheit
       
       Berlin taz | Bundeswehr und Tradition, das ist ein kompliziertes
       Verhältnis. Da kann in der Truppe schnell mal etwas schieflaufen. Wenn zum
       Beispiel ein Soldat auf die Idee kommt, sein Dienstzimmer mit einem
       Eisernen Kreuz und der dazugehörenden Urkunde „Im Namen des Führers“
       ausschmücken zu wollen. Wie sollen dessen Vorgesetzte mit solch einem
       Begehren bloß umgehen?
       
       Was für ein Glück, dass es für solche Fragen seit rund zwei Jahren die
       Ansprechstelle für militärhistorischen Rat (AMR) gibt. Laut
       Selbstdarstellung soll die von einem Oberst geleitete Stelle „dazu
       beitragen, durch fachliche Beratung ein handlungssicheres und angemessenes
       Vorgehen in den zuständigen Truppenteilen und Dienststellen zu
       ermöglichen“.
       
       Der Beratungsbedarf scheint nicht gerade gering zu sein. Am Zentrum für
       Militärgeschichte und Sozialwissenschaften (ZMSBw) in Potsdam angesiedelt,
       hat die Ansprechstelle von August 2017 bis Oktober 2019 in etwa 430 Fällen
       Hilfestellung beim „Umgang mit historischen Objekten“ geleistet. Das geht
       aus der Antwort der Bundesregierung auf eine Kleine Anfrage der
       Linksfraktion hervor, die der taz vorliegt. „Die Nachfrage dokumentiert
       einen militärgeschichtlichen Beratungsbedarf, der eine Spanne von der
       Frühen Neuzeit bis in die jüngste Zeitgeschichte abdeckt“, schreibt die
       Bundesregierung.
       
       Der größte Teil der Fragen bezieht sich auf Exponate oder Personen aus der
       Wehrmachtzeit. Aber auch über die Armee des Kaiserreichs besteht einiger
       Aufklärungsbedarf. Offenkundig gibt es in der Bundeswehr eine Menge
       Symbolisches und Tradiertes, über dessen Bedeutung sich die Truppe selbst
       nicht im Klaren scheint. Das Spektrum, mit dem sich die AMR zu befassen
       hatte, reicht von der Einschätzung merkwürdiger Losungen über die Bewertung
       eigentümlicher Gemälde und fragwürdiger Gedenksteine bis hin zur
       Überprüfung von Kasernennamen. Bedarf gibt es ebenso nach der Einordnung
       diverser Devotionalien.
       
       Die Antworten der AMR bewegen sich auf der Linie des von der damaligen
       Bundesverteidigungsministerin Ursula von der Leyen, CDU, 2018 modifizierten
       Traditionserlasses der Bundeswehr. So hielt es die Stelle auch bei dem
       anfangs geschilderten Fall: Sie riet davon ab, dem betreffenden Soldaten
       die Genehmigung zu erteilen, ein Eisernes Kreuz samt „Führer-Urkunde“ in
       seinem Dienstzimmer aufhängen zu dürfen. Das Ausschmücken von Diensträumen
       mit Exponaten aus der Wehrmacht sei laut Traditionserlass außerhalb von
       Militärgeschichtlichen Sammlungen grundsätzlich nicht gestattet.
       
       ## Beliebige Traditionspolitik
       
       Das gilt im Übrigen auch für Souvenirs aus der Nationalen Volksarmee der
       DDR. Weswegen die AMR das Begehren, ein Dienstzimmer mit einer
       „NVA-Schirmmütze“ auszuschmücken, ebenfalls nicht befürworten wollte.
       
       Unklarheiten bestehen hingegen noch beim soldatischen Liedgut aus „alter
       Zeit“. Ob es sich um „Hundert Mann und ein Befehl“, „Rot scheint die
       Sonne“, „Grün ist unser Fallschirm“, „Erika“, „Rosemarie“, das
       „Westerwald“-oder das „Panzerlied“ handelt – stets gab die AMR die gleiche
       wenig aussagekräftige Auskunft: „Diese Lieder werden derzeit in
       Zusammenarbeit mit dem Bundesverteidigungsministerium auf Konformität mit
       den Traditionsrichtlinien geprüft.“
       
       Die innenpolitische Sprecherin der Linksfraktion, Ulla Jelpke, begrüßt die
       Arbeit der Ansprechstelle für militärhistorischen Rat. Die zahlreichen
       Anfragen zeigten, „wie beliebig es bislang in der Traditionspolitik
       zugeht“. Da würden Sprüche, Namen und Symbolen verwendet, ohne auch nur
       eine Ahnung davon zu haben, für welche politischen Werte sie eigentlich
       stehen. „Deshalb ist es gut, dass jetzt endlich genauer hingesehen wird“,
       sagte Jelpke der taz.
       
       Das würde jedoch keineswegs bedeuten, dass es nicht auch immer noch
       Kommandeure gebe, „die weiterhin an fragwürdigen oder schlicht
       unhinterfragten Traditionen festhalten“, warnte sie. Gleichwohl hätten die
       Bundeswehrskandale der letzten Jahre die Truppe „offenbar so weit
       durchgerüttelt, dass jetzt ein gewisses Bedürfnis besteht, sich in Zukunft
       unauffällig und angepasst zu verhalten“, sagte Jelpke. Das sei schon ein
       Fortschritt.
       
       Aus linker und antimilitaristischer Sicht würde sie allerdings empfehlen,
       die Bundeswehr einfach drastisch zu verringern. „Durch bloße
       Standortaufgaben wäre schon ein Großteil der Traditionsprobleme erledigt“,
       sagte Jelpke.
       
       5 Nov 2019
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Pascal Beucker
       
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