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       # taz.de -- Clankriminalität in Berlin: Geisel will Härte zeigen
       
       > Linke und FDP kritisieren Innensenator Andreas Geisel für dessen Konzept
       > zur Bekämpfung der Clankriminialität: Fokus falsch und stigmatsierend.
       
   IMG Bild: Razzia gegen mutmaßliche Clanmitglieder in Tempelhof
       
       Die Linkspartei hat im Abgeordnetenhaus indirekt Kritik an Innensenator
       Andreas Geisel vom Koalitionspartner SPD geübt. „Ich sehe den Begriff
       Clankriminalität kritisch“, sagte am Donnerstag der innenpolitische
       Sprecher der Linksfraktion, Niklas Schrader. „Kriminell sind Taten, nicht
       Familien.“ Von kriminellen Großfamilien zu sprechen – wie es der Senator
       tut – „ist Stigmatisierung und das hilft auch sicherheitspolitisch nicht
       weiter“, sagte Schrader unter Applaus seiner Fraktion, aber ohne ein
       einziges Klatschen bei der SPD zu diesem Satz.
       
       Die Sozialdemokraten hatte das Thema „Bekämpfung der Organisierten
       Kriminalität“ für die zentrale Debatte der Plenarsitzung durchgesetzt – und
       lösten damit im Parlament Auseinandersetzungen gleich an zwei Fronten aus:
       Neben der Kritik der Linkspartei an SPD-Mann Geisel geißelte der
       CDU-Fraktionschef wiederum Justizsenator Dirk Behrendt von den Grünen für
       das von ihm präsentierte [1][Anti-Diskriminierungsgesetz].
       
       Der Linkspartei-Abgeordnete Schrader mochte auch dem Ansatz Geisels wenig
       abzugewinnen, mit dauerhafter Präsenz und vielen Einsätzen auch bei kleinen
       Vergehen Stärke gegenüber kriminellen Clans zu zeigen. Er kritisierte ein
       „ruppiges Auftreten“ der Polizei und fragte nach dem Sinn, eine Shisha-Bar
       erst zu schließen und dann wieder öffnen zu lassen.
       
       Der Fokus auf Clankriminalität erschloss sich Schrader ebenfalls nicht: in
       der Ermittlungsstatistik betreffen nur 5 von 59 Verfahren gegen
       Organisierte Kriminalität Clans. Als Alternative forderte Schrader zwar
       keine Freigabe von Drogen, aber einen anderen gesetzlichen Umgang damit:
       „Neue Drogenpolitik auf Bundesebene wäre ein richtiger Schlag gegen
       Organisierte Kriminalität.“
       
       In seltener Übereinstimmung mit der Linkspartei kritisierte auch
       FDP-Innenpolitikexperte Marcel Luthe zu große Konzentration auf die
       Clan-Kriminalität, die nach seiner Definition gar nicht unbedingt
       organisierte Kriminalität ist: Nach seinen Zahlen betreffen allerdings
       nicht fünf wie bei Schrader, sondern elf der 59 laufenden Verfahren
       Clankriminalität. Sechs weitere Verfahren etwa betreffen nach Senatsangaben
       Rocker-Kriminalität.
       
       ## Beweislastumkehr wie in Italien?
       
       Rückendeckung erhielt Senator Geisel vom SPD-Abgeordneten Frank Zimmermann.
       Die zahlreichen Razzien und die Beschlagnahmung von Immobilien seien die
       richtigen Schritte und von zentraler Bedeutung. Der SPD-Abgeordnete schloss
       auch nicht aus, dass es in Deutschland zukünftig eine Beweislastumkehr wie
       in Italien geben könnte. Dort muss nicht die Polizei beweisen, dass Geld
       aus Verbrechen stammt, vielmehr müssen die Verdächtigen erklären, wo ihr
       Geld her kommt.
       
       CDU-Fraktionschef Dregger hielt der rot-rot-grünen Koalition vor, den Kampf
       gegen die Organisierte Kriminalität zu erschweren: „Sie wollen den Kampf
       gegen die Clanstrukturen mit einem Bürokratiemonster namens
       Anti-Diskriminierungsgesetz lahm legen.“ Dessen Folge wäre aus Dreggers
       Sicht: „Die Polizei muss dem Clanchef nachweisen, dass er nicht
       diskriminiert worden.“ Damit räume der Senat „die letzte rechtstaatliche
       Bastion im Kampf gegen die Organisierte Kriminalität“, Leistungswille und
       Loyalität der Beamten würden leiden.
       
       Der Grünen-Abgeordnete Benedikt Lux sah das ganz anders und Rot-Rot-Grün
       auf dem richtigen Weg: Bei einer großen Konferenz zu diesem Thema
       vergangene Woche habe eine führender Ermittler gesagt: „zum ersten Mal
       spürt man den gebündelten Rückhalt der Politik.“ Auch Lux warnte aber
       davor, sich auf Clankriminalität und vor allem Neukölln zu konzentrieren:
       „Der Kampf gegen [2][Organisierte Kriminalität darf nicht nur auf der
       Sonnenallee] geführt werden.“ Senator Geisel erwiderte, Clankriminalität
       sei „nicht automatisch Organisierte Kriminalität, aber es gibt
       Schnittmengen.“ Er skizzierte einen zweispurigen Ansatz: Man gehe
       öffentlichkeitswirksam in Shisha-Bars vor „und ermitteln im Stellen gegen
       Organisierte Krininalität.“
       
       31 Oct 2019
       
       ## LINKS
       
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       ## AUTOREN
       
   DIR Stefan Alberti
       
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