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       # taz.de -- ZDF-Doku über Rechtsrock: Eine Geldquelle für Neonazis
       
       > Die Neonazi-Musikszene ist professionell organisiert und international
       > vernetzt. Das zeigt eine neue Doku mit verstörenden Konzertaufnahmen.
       
   IMG Bild: Auf dem Festival „Tage der nationalen Bewegung“ in Tremor versammeln sich Anhänger des Rechtsrock
       
       Mainz taz | Eine Horde hüpfender und torkelnder Männer, darunter viele mit
       Tattoos, die rechte Hand hochgereckt, in der Linken ein Bier, grölen sie zu
       hartem Rock antisemitische Texte. Es folgt der Aufruf, Synagogen anzuzünden
       und Handgranaten ins Parlament zu werfen. Eine andere Szene: Hunderte
       Glatzen zeigen in einem Zelt den Hitlergruß, es herrscht gespenstische
       Stille, es ist eine Gedenkminute für einen Nazi-Kameraden, schließlich
       skandiert die Menge „Sieg Heil!“ und brüllt weitere Nazi-Parolen. Es sind
       diese Szenen aus der Doku „Rechtsrock in Deutschland – Das Netzwerk der
       Neonazis“, die sich im Kopf festsetzen.
       
       Aufzeichnet wurden die verstörenden Szenen der Doku vom
       Investigativjournalisten Thomas Kuban bei Neonazi-Rockkonzerten hinter
       verschlossenen Türen– maskiert und mit verdeckter Kamera. Der Film zeigt
       vermeintlich „private“ Rockevents ebenso wie die großen Veranstaltungen.
       Tausende kamen zu „Die Tage der nationalen Bewegung“ in Themar oder das
       [1][„Schild und Schwert Festival“ in Östritz]. Im Jahr 2018 zählte der
       Staatsschutz 320 Konzerte bundesweit. ExpertInnen gehen von insgesamt
       35.000 BesucherInnen aus.
       
       Obwohl das ZDF-Team nirgendwo frei drehen durfte, gelang ihm tiefe
       Einblicke, welche Menschen diese Rechtsrock-Konzerte besuchen. Menschen von
       „Division 28“ zeigen sich offen, eine Tarnung der längst verbotenen
       Formation „Blood and Honour“. Die Ziffer 2 steht dabei für den zweiten
       Buchstaben und die 8 für den achten im Alphabet. 28 bedeutet „BH“, so
       gelingt die Camouflage. [2][Die gewaltbereite Neonaziformation „Combat
       18“], zu der auch der mutmaßliche Lübcke-Mörder Stephan Ernst Kontakt
       gehabt haben soll, nutzt die Lücke: Die Ziffer 1 steht für A, den ersten
       Buchstaben im Alphabet, die 8 für den achten. „Combat 18“ ist die
       selbsternannte Kampftruppe „A“dolf „H“itler.
       
       Auch die Gäste des Konzertes verstehen sich auf das zynische Spiel mit
       NS-Ideologie und Symbolen. Auf T-Shirts steht „HH“ oder „HKNKRZ“ und auch
       diese Botschaft ist klar: „Wer A sagt, muss auch DOLPH sagen. Andere gehen
       weiter. „Ein Baum ein Strick, ein Antifa-Genick“; drohen sie auf T-Shirts.
       „Eines Tages werden sie sich wünschen, wir würden nur Musik machen!“ steht
       da oder das Shirt zeigt eine Faust mit einem Messer, das zusticht: „Blut
       rein, Blut raus!“ ist das ebenso banale wie erschreckende Bekenntnis zur
       Gewalt.
       
       Der Dokumentation gelingt der Nachweis, dass sich die Szene lange in nahezu
       rechtsfreien Räumen entwickeln konnte. Sie zeigt Akteure und Profiteure des
       Geschäfts und ihre internationale Vernetzung. Eine Million Euro habe die
       Szene im vergangenen Jahr allein in Thüringen eingenommen, sagt
       Landesverfassungsschutzchef Stephan Kramer. Sie „missbrauchten“ das
       Versammlungsrecht, um Steuern zu sparen, berichtet er. Im Jahr 2018
       brachten 32 Labels 89 neue Tonträger mit „völkischer“ Rockmusik auf den
       Markt – ein Millionengeschäft.
       
       [3][„Rechtsrock ist die Begleitmusik zu Mord und Totschlag“,] sagt der
       Fotograf Andre Adam, der die Szene seit Jahren verfolgt. Er fordert die
       Behörden auf, in die Finanzströme einzugreifen. Die mangelnde Intervention
       beklagt auch der Journalist, der die verstörenden Videos gedreht hat. „Sie
       singen blutrünstige Lieder, die zu Gewalt an politischen Gegnern aufrufen,
       bis zum Mordaufruf“, sagt Kuban. Auch Verfassungsschutzchef Kramer räumt
       ein, dass die Behörden lange zugesehen haben. Da sei argumentiert worden,
       „lasst sie mal ein oder zwei Konzerte machen, dann ist der Spuk vorbei.“
       
       Es geht auch anders. Im Juli 2019 fanden die „Tage der nationalen Bewegung“
       unter harten Auflagen und strengen Kontrollen von Staatsschutz und Polizei
       statt. Es war das erste Rechtsrockkonzert nach dem Mord an Walter Lübcke.
       Zwei Auftritte von Bands wurden abgebrochen, weil sie indizierte Lieder
       sangen. [4][Die Polizei protokollierte 45 Straftaten und 13
       Ordnungswidrigkeiten]. „Das NS-Trio hätte nie funktioniert, wenn es das
       Netz der Rechtsrock-Szene nicht hätte nutzen können“, sagt der
       Musikwissenschaftler Thorsten Hindrichs, der das AutorInnenteam beraten
       hat. Er findet, es sei an der Zeit, genauer hinzuschauen. Dafür können
       Dokus wie diese ein Anfang sein.
       
       1 Nov 2019
       
       ## LINKS
       
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       ## AUTOREN
       
   DIR Christoph Schmidt-Lunau
       
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