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       # taz.de -- Nach dem Tod von Abu Bakr Al-Baghdadi: Rätselraten um den neuen IS-Chef
       
       > Abu Ibrahim Al-Hashimi Al-Kuraischi soll der neue Kalif des sogenannten
       > Islamischen Staates sein. Wer ist das? Mutmaßungen über ein Phantom.
       
   IMG Bild: US-Einheiten beim Angriff auf den Wohnsitz des vorherigen IS-Chefs Abu Bakr al-Baghdadi
       
       Kairo taz | Die Bestätigung des [1][Todes des alten] und die Ernennung des
       neuen Chefs des IS, des sogenannten Islamischen Staates, kam wie erwartet
       über das Internet und wurde über den IS-Medien-Arm Al-Furqan verbreitet,
       drei Tage nachdem US-Präsident Donald Trump den Tod des IS-Kalifen Abu Bakr
       Al-Baghdadi [2][verkündet] hatte.
       
       In der Audio-Erklärung, vermeintlich vom neuen Sprecher des IS, Abu Hamza
       Al-Qurashy gesprochen, heißt es, man trauere um Abu Bakr Al-Baghdadi, den
       Kommandeur der Gläubigen. Der Ältestenrat der heiligen Krieger hätte sich
       zusammengesetzt, um einen Nachfolger zu bestimmen, der unter dem Namen Abu
       Ibrahim Al-Hashimi Al Kuraischi vorgestellt wird.
       
       In der siebenminütigen Ankündigung werden keine weiteren Details über den
       Hintergrund des neuen IS-Chefs offengelegt. Seitdem wird spekuliert, wer
       hinter dem Kampfnamen stecken könnte. Warum der Neue den Namen Al-Kuraischi
       trägt, könnte damit zu tun haben, dass der IS versucht, ihn religiös zu
       legitimieren, da dieser Name beweisen soll, dass es sich um einen
       Nachkommen des Propheten Muhammad handelt.
       
       ## Mit großer Wahrscheinlichkeit Iraker
       
       Der IS bezieht sich dabei auf die Sammlung von Überlieferungen des
       Propheten, die der islamische Rechtsgelehrte Al-Buchari im 9. Jahrhundert
       gesammelt hat. In seiner Sammlung interpretiert er eine der Überlieferungen
       so, dass der religiöse Führer aus der Kuraisch-Linie stammen sollte. Der IS
       hat diese Interpretation bei der Wahl eines Kalifen scheinbar übernommen.
       
       Es wird auch viel darüber gemutmaßt, welche Nationalität der neue IS-Chef
       hat. Laut dem irakischen Experten für militanten Islam, Hassan Abu Haneya,
       ist die Wahrscheinlichkeit groß, dass er Iraker ist. Denn vor allem im
       engen Zirkel um den getöteten Baghdadi und in den obersten Rängen des IS
       für militärische und Sicherheitsbelange, befinden sich überdurchschnittlich
       viele Iraker, die sich aus der Zeit im Kampf gegen die US-Besatzung im Irak
       kennen und die zum Teil dort gemeinsam in US-Gefangenlagern saßen.
       
       Viele von ihnen waren ehemalige Offiziere der irakischen Armee unter Saddam
       Hussein, die der US-Besatzungsverwalter Paul Bremer nach dem Irakkrieg
       auflösen ließ. Es gibt aber auch andere Spekulationen: Dass es sich um
       einen Tunesier, Ägypter oder Jordaniern, oder wegen des Namens Kuraischi,
       um einen Saudi handeln könnte, ohne das weiter zu untermauern.
       
       Wer aber steckt hinter dem Kampfnamen? Ein Name, der öfters fällt, ist
       Abdullah Qardash, der schon eine Weile als Baghdadis möglicher Vize
       gehandelt worden war. Er ist auch bekannt als Abu Omar Al-Turkamni, was
       darauf hinweist, dass er der turkmenischen Minderheit im Irak angehört.
       
       ## Ehemaliger Offizier der irakischen Armee?
       
       Laut dem irakischen Fernsehsender Al-Sumaria soll es sich bei ihm um einen
       ehemaligen Offizier der irakischen Armee handeln, der nach dem Sturz Saddam
       Husseins mit Al-Qaida im Irak zusammengearbeitet hatte und Baghdadi
       wahrscheinlich aus der gemeinsamen Haftzeit im US-Gefangenlager „Camp
       Bucca“ im Irak kennt.
       
       Qardash soll Baghdadi in der irakischen Stadt Mossul empfangen haben,
       nachdem diese vom IS erobert worden war. Von dort hatte Baghdadi auch im
       Sommer 2014 das [3][Kalifat] und sich selbst als Kalifen des IS ausgerufen.
       
       Laut dem irakischen Terrorexperten Abu Haniya habe Qardash danach die
       Abteilung für Öffentliche Sicherheit in Syrien und dem Irak geleitet, und
       hatte damit innerhalb des IS eine wichtige Rolle inne. Später soll er als
       eine Art Verteidigungsminister des IS fungiert haben und war auch unter dem
       Namen Al-Hashimi, „der Zerstörer“ bekannt. Abu Haneya erwartet, dass der
       neue IS-Chef noch gewaltsamer als sein Vorgänger vorgehen wird und eine
       noch striktere Interpretation des Islam vertritt.
       
       Bestätigt sind all diese Informationen bisher nicht. Oft versucht der IS
       mit einer ganze Reihe von Kampfnamen, die sich im Laufe der Zeit immer
       wieder verändern, die wahre Identität der Führungsebene zu verschleiern.
       Dabei steckt der IS aber in einem Dilemma: Einerseits will er aus
       Sicherheitsgründen und um den neuen Chef zu schützen, nur so wenig
       Informationen wie möglich über den neuen IS-Kalifen veröffentlichen.
       
       Gleichzeitig aber möchte die militante Islamistenorganisation auch ihre
       Anhänger hinter dem neuen IS-Chef zum Durchhalten mobilisieren und sich
       derer Treue versichern – doch einem Phantom huldigt es sich nur schlecht.
       
       1 Nov 2019
       
       ## LINKS
       
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       ## AUTOREN
       
   DIR Karim El-Gawhary
       
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