URI: 
       # taz.de -- Weisweiler-Prozess: Klima-Aktivismus als Notwehr
       
       > Fünf Angeklagte sollen ein Kohlekraftwerk blockiert haben. Am zweiten
       > Prozesstag wurde abermals das Argument Notwehr diskutiert.
       
   IMG Bild: Besetzung des Kohlekraftwerks Weisweiler im Jahr 2017: Notwehr oder Straftat?
       
       Eschweiler taz | „Es ist allgemein bekannt, dass die globale Erwärmung
       Menschen tötet und dass es den Klimawandel gibt“, sagt die Staatsanwältin.
       Die Gesetzeslage sei aber nicht dementsprechend weiterentwickelt. „Die
       Risikoabschätzung zum Kraftwerk Weisweiler ist gesetzlich geregelt: Für
       einen Gesetzesbruch seitens RWE gibt es keine Anhaltspunkte.“ Rechtsanwalt
       Christian Mertens widerspricht. „Wenn wir uns einig sind, dass das
       Kraftwerk tötet, dann muss Notwehr erlaubt sein. Wenn der Staat Tote nicht
       verhindert, dann bleibt nur Notwehr.“
       
       Im Amtsgericht Eschweiler findet am Mittwoch der zweite von [1][drei
       angesetzten Verhandlungstagen im Strafprozess gegen fünf
       Klimaaktivist*innen] statt. Ein Schöff*innengericht soll voraussichtlich am
       4. Dezember entscheiden, ob sich die Angeklagten vor zwei Jahren [2][des
       Hausfriedensbruchs und der Störung öffentlicher Betriebe strafbar gemacht]
       haben, als sie das Braunkohlekraftwerk Weisweiler von RWE über Stunden
       blockierten und dadurch die Stromproduktion störten.
       
       Die sogenannte WeShutDown-Aktion fand parallel zur Weltklimakonferenz in
       Bonn statt. Am Morgen des 15. November 2017 sollen die 22 bis 37 Jahre
       alten Aktivist*innen unerlaubt auf das Kraftwerksgelände gelangt sein und
       die Förderbänder blockiert haben, mit denen Braunkohle aus dem Tagebau zum
       Kraftwerk transportiert wird. Zeitweise schaltete RWE aus
       Sicherheitsgründen Teile der Förderstruktur sowie Kraftwerksblöcke ab.
       
       Der Verhandlungsraum ist klein, mit etwa 20 Plätzen. Durch die gekippten
       Fenster strömt Lagerfeuer-Rauch: Unten vor dem Gericht harren
       Unterstützer*innen der Angeklagten mit einer Mahnwache aus. Die ersten
       Zeug*innen des Tages sind zwei Mitarbeiter von RWE. Es geht um Zäune, um
       Umfriedungen, um Zaunkontrollen.
       
       ## Vorwurf: Hausfriedensbruch
       
       Über einen Beamer werden Fotos und Satellitenaufnahmen gezeigt, mit
       Laserpointer abgefahren. War hier ein Zaun? Oder hier? Hätten die
       Aktivist*innen irgendwie auf das Betriebsgelände gelangen können, ohne eine
       Abgrenzung zu überklettern oder zu beschädigen – ohne Hausfriedensbruch zu
       begehen? Was ist mit dieser Treppe da, mit diesem Feldweg dort?
       
       Von ursprünglich 14 Aktivist*innen, die sich an der Blockade beteiligt
       haben sollen, sind 5 angeklagt, deren Identität festgestellt werden konnte.
       Zwei weitere Zeugen an diesem Tag sind Polizeibeamte, einer war vormals in
       der Ermittlungskommission Hambach tätig. Er schildert, sich die Daten einer
       der beschuldigten Personen aus dem behandelnden Krankenhaus besorgt zu
       haben: „Da hat sich das Krankenhaus gewehrt, sag ich mal.“
       
       Vorsitzender Richter und Verteidiger weisen den Zeugen auf sein Recht hin,
       die Aussage zu verweigern, um sich selbst nicht zu belasten. Gefragt nach
       der Rechtsgrundlage für die beschriebene Abfrage geschützter
       Patient*innendaten, gibt der Polizist an, sich nicht mehr zu erinnern.
       
       Wo es nicht um Zäune geht, um Straßen und Treppen und Lock-ons – ob und wie
       sich Aktivist*innen festgekettet hatten –, geht es um den Kontext. Um
       den Anteil des seit 1995 laufenden Braunkohle-Kraftwerks Weisweiler an den
       aktuellen wie auch historischen globalen Emissionen. Inwiefern nachweisbar
       ist, dass eben diese Emissionen Menschen schaden, sogar töten. „Das Gericht
       sieht als offenkundig an, dass das Kraftwerk Weisweiler mehrere Menschen
       pro Jahr tötet“, sagt Verteidiger Mertens. Das Gericht widerspricht nicht.
       
       13 Nov 2019
       
       ## LINKS
       
   DIR [1] /Prozess-wegen-Kraftwerksblockade/!5634940/
   DIR [2] /RWE-klagt-auf-Schadensersatz/!5571106/
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Anett Selle
       
       ## TAGS
       
   DIR Braunkohle
   DIR Schwerpunkt Klimawandel
   DIR RWE
   DIR Schwerpunkt Klimaproteste
   DIR Rechtsstreit
   DIR Schwerpunkt Klimawandel
   DIR Schwerpunkt Klimawandel
   DIR Schwerpunkt Klimawandel
   DIR Schwerpunkt Fridays For Future
   DIR Schwerpunkt Ende Gelände!
   DIR Schwerpunkt Hambacher Forst
       
       ## ARTIKEL ZUM THEMA
       
   DIR CO2-Budget für Deutschland: Eine Milliarde Tonnen zu viel
       
       Die Regierung weigert sich, ein CO2-Budget für Deutschland zu berechnen.
       Aus gutem Grund: Ihre Pläne sprengen alle Modelle.
       
   DIR Studie zu Folgen von Klimawandel: Klimakrise, bis der Arzt kommt
       
       100 Medizinexperten warnen: Klimawandel ist schlecht für die Gesundheit.
       Vor allem Kinder sind betroffen.
       
   DIR Wissenschaftler warnen: Klimawandel schädigt Kinder
       
       Vor der UN-Klimakonferenz in Madrid: Die Erderwärmung greift die Gesundheit
       vor allem von Heranwachsenden an – das haben 100 Forscher herausgefunden.
       
   DIR Größte Klimasünder der Welt: Die dreckigen drei
       
       Wer ist der größte Klimasünder? China? Die USA? Die EU? Es kommt drauf an,
       wie man rechnet. Das Ergebnis kann durchaus überraschen.
       
   DIR Kohleproteste von „Ende Gelände“: Gleisblockade ohne Konsequenzen
       
       Die meisten AktivistInnen von „Ende Gelände“ bleiben straffrei. Die
       Stromproduktion war laut RWE nicht beeinträchtigt.
       
   DIR Baumhäuser im Hambacher Forst: Gericht stoppt Rodung, Besetzer feiern
       
       Der Wald muss weg, sagt RWE. Der Wald bleibt, verlangen die Besetzer. Über
       den militanten Widerstand gegen den Braunkohleabbau.