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       # taz.de -- Nach Boots-Unglück im Mittelmeer: Täter und Opfer zugleich
       
       > Der Bundesgerichtshof hat die Bewährungsstrafe für einen Flüchtling
       > bestätigt, der Frauen auf ein Boot half: Er habe so Schleusern geholfen.
       
   IMG Bild: Gefährliche Überfahrt: Der angeklagte Afghane entging selbst nur knapp dem Tod
       
       Karlsruhe taz | Ein Geflüchteter, der bei einer Schleusung als
       „Ansprechpartner“ für andere Geflüchtete fungiert, macht sich wegen
       Beihilfe zur unerlaubten Einreise strafbar. Das hat jetzt der
       Bundesgerichtshof (BGH) entschieden.
       
       Der 29-jährige Afghane Ismael G. war auf einem [1][Flüchtlingsschiff], das
       Anfang 2016 in der griechischen Ägäis kenterte. Mindestens 35 Menschen
       starben, Ismael G. und 23 andere überlebten. Am Landgericht Osnabrück war
       der Afghane zunächst als Schleuser angeklagt worden. In der Verhandlung
       stellte sich aber heraus, dass er zu den Geschleusten gehörte.
       
       Das Landgericht verurteilte ihn 2018 daher „nur“ zu einer Bewährungsstrafe
       von eineinhalb Jahren wegen Beihilfe zur Schleusung mit Todesfolge. Der
       Vorwurf: Er hatte sich bereit erklärt, für zwei alleinreisende Frauen und
       ihre vier Kinder als Ansprechpartner zu fungieren.
       
       [2][In der Revision] bestätigte der Bundesgerichtshof am Donnerstag das
       Osnabrücker Urteil. „Der Angeklagte hat mehr getan, als zu seiner eigenen
       Schleusung erforderlich war“, sagte der Vorsitzende Richter Jürgen Schäfer.
       Er habe die Schleuser objektiv entlastet, indem er die Rolle des
       Ansprechpartners für die mitreisenden Afghaninnen übernahm. „Die Schleuser
       mussten nun keinen anderen Mann mehr suchen.“
       
       ## Kein Skandal?
       
       Der Richter räumte ein, dass sich die Beihilfe hier „im unteren Bereich des
       Möglichen“ bewegt habe. „Der Mann war Täter und Opfer zugleich“, er wäre ja
       fast selbst ertrunken. „Dies rückt den ohnehin tragischen Fall weiter in
       ein besonderes Licht.“
       
       Das Landgericht hatte auch darauf abgestellt, dass der Afghane den Frauen
       beim Einkaufen half und ihre Koffer trug. Der BGH ließ nun offen, ob dies
       als „sozialadäquate“ (und damit straflose) Hilfe unter Flüchtlingen
       eingestuft werden konnte.
       
       Till Günther, der Anwalt des Geflüchteten, sagte nach der Verkündung: „Das
       Urteil ist kein Skandal, aber es setzt eine bedenkliche Rechtsprechung
       fort, bei der viel zu schnell Beihilfe zur Schleusung angenommen wird.“
       
       14 Nov 2019
       
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       ## AUTOREN
       
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