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       # taz.de -- Berlin nach dem Mietendeckel: Häuserkrampf geht weiter
       
       > Den abgesagten Vorkauf eines Hauses durch den Bezirk will die Opposition
       > nutzen, um das Mittel an sich zu diskreditieren. Doch der Fall ist
       > komplexer.
       
   IMG Bild: Nicht im Angebot: Protest gegen den Verkauf eines Wohnhauses in Berlin
       
       Berlin taz | Die Stimmung auf dem Berliner Immobilienmarkt heizt sich
       wenige Wochen nach Beschluss des [1][Mietendeckels] auf; die politischen
       Debatten nehmen an Schärfe deutlich zu. Jüngster Anlass: der gescheiterte
       Kauf des Wohnhauses Rigaer Straße 101 durch eine Genossenschaft.
       
       Der Bezirk Friedrichshain-Kreuzberg wollte sich das Haus mittels
       Vorkaufsrecht sichern, die zu Vorkaufszwecken gegründete Genossenschaft
       „[2][Diese EG]“ stand bereits als Käuferin bereit. Nun kam im Laufe dieser
       Woche der Rückzieher: „Wir haben eine Kalkulation aufgestellt, die wegen
       des wesentlich höheren Sanierungsbedarfs eine Mietenentwicklung vorgesehen
       hätte, die weder wir noch die Mieter noch der Bezirk wollen“, sagte
       Diese-Sprecherin Elena Poeschl am Freitag der taz. Weil zugleich
       Zuschussgeber Geld verweigert hätten, „müssen wir vom Kauf zurücktreten“.
       
       ## Schock für die Mieter
       
       Für die Mietparteien ist das ein Schock. Die konservative Opposition im
       Abgeordnetenhaus sieht darin eine Möglichkeit, das Vorkaufsrecht generell
       in Frage zu stellen – und damit zugleich die Politik von [3][Florian
       Schmidt], grüner Baustadtrat des Bezirks. Denn der bisherige Eigentümer der
       Rigaer 101 sieht sich durch den nicht vollzogenen Verkauf geschädigt.
       Gegenüber der Morgenpost sprach er von einer Schadenssumme von mehreren
       hunderttausend Euro.
       
       Die FDP-Fraktion im Abgeordnetenhaus forderte daraufhin am Freitag
       Konsequenzen: Sollte der Bezirk tatsächlich für „gescheiterte Vorkäufe
       haften müssen, dann ist Schmidt als Bezirksstadtrat nicht mehr tragbar“.
       Die Grünen sollten ihn schon jetzt „in die Schranken“ weisen.
       
       Für Schmidt hingegen ist der Vorfall bei weitem nicht so außergewöhnlich,
       wie er von der Opposition dargestellt wird. „Ein Vorkaufsbescheid ist ein
       belastender Bescheid, er kann gemäß Verwaltungsverfahrensgesetz aufgehoben
       werden, wenn sich die Sachlage ändert“, sagte er der taz und nannte zwei
       weitere Fälle, in denen erst im Oktober der Bescheid aufgehoben wurde: die
       Urbanstraße 131 und 67. Die Käufer hätten in beiden Fällen die Aufhebung
       akzeptiert, „obwohl die Konditionen des Mietendeckels bereits bekannt
       waren“; es sei zu Vereinbarungen mit den Mietern für die nächsten
       Jahrzehnte gekommen.
       
       Auch einer Schadenersatzforderung sieht der Stadtrat gelassen entgegen:
       Bisher sei diese dem Bezirk zum einen „nicht bekannt“. Zum anderen sei das
       Risiko bei Aufhebung von Vorkaufsbescheiden „überschaubar, denn die
       Verkäufer haben weiterhin ihr Eigentum und erhalten weiterhin
       Mieteinnahmen“.
       
       Auch die Diese EG bewertet den Fall Rigaer 101 nüchtern. Man habe nur vier
       Tage Zeit gehabt für die Entscheidung und die Prüfung des Zustands des
       Hauses. „Wir hätten aufgrund der Fristen nicht viel anders machen können“,
       sagt Poeschl. Gerüchte, die Genossenschaft sei wegen der Rigaer 101
       zahlungsunfähig, nannte sie „Quatsch“. Drei Häuser habe man bereits gekauft
       und bezahlt.
       
       Die Gutachten, die der Genossenschaft vor der Zusage für die Rigaer 101
       vorlagen, seien laut Poeschl von einem wesentlich geringeren
       Sanierungsbedarf ausgegangen. Allerdings hatte die landeseigene
       Wohnungsbaugesellschaft Mitte (WBM) das Haus ebenfalls angeschaut – sie war
       ursprünglich als Käuferin statt der Diese EG vorgesehen gewesen – und hatte
       wegen zu hohem Sanierungsbedarf abgelehnt, wie WBM-Sprecher Christoph Lang
       der taz bestätigte. Dies habe man im Sommer dem Bezirksamt mitgeteilt. Was
       es dann mit der Information mache, sei seine Sache.
       
       Die Genossenschaft hingegen bekam die WBM-Untersuchung nicht zu Gesicht,
       wie Poeschl kritisiert. Sie fordert, dass „Gutachten landeseigener
       Wohnungsbaugesellschaften für Dritterwerber zugänglich“ sein müssten.
       
       Bleibt die Frage, welche Rolle der ab 2020 geplante Mietendeckel bei all
       diesen Diskussionen und Spekulationen spielt. Sind möglicherweise zu
       senkende Mieten der Grund dafür, dass der Verkäufer der Rigaer Straße 101
       das Haus vielleicht gar nicht zurück haben will? Macht der Deckel die
       Opposition so wuschig, dass sie gar nicht mehr mit Rücktrittsforderungen an
       sich halten kann?
       
       Immerhin: Der WBM-Sprecher geht nicht davon aus, dass wegen des
       Mietendeckels und möglicherweise geringerer Einnahmen die Möglichkeit zum
       Vorkaufsrecht grundsätzlich eingeschränkt wird. „Wir prüfen jeden
       Einzelfall. Da gibt es kein Pauschalurteil“, sagt er. Es gebe sogar
       Objekte, für die die WBM keine Zuschüsse vom Senat beantragen müsse.
       
       15 Nov 2019
       
       ## LINKS
       
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       ## AUTOREN
       
   DIR Bert Schulz
       
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