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       # taz.de -- Berliner Sozialgipfel: Der Gipfel der Gerechtigkeit
       
       > Was kann Berlin tun, damit Benachteiligte Chancen auf dem Wohnungsmarkt
       > haben? Diese Frage stellt der 10. Berliner Sozialgipfel am Montag.
       
   IMG Bild: In Berlin fehlten Tausende barrierefreie Wohnungen, kritisiert der Sozialgipfel
       
       Mietendeckel – und alles prima? Mitnichten, sagt nicht nur der
       Geschäftsführer des Berliner Mietervereins, Reiner Wild. Wie viele andere
       VertreterInnen benachteiligter Menschen auf dem Mietmarkt ist auch Wild der
       Überzeugung: Der im Oktober beschlossene Mietendeckel, der die
       Hauptstadtmieten für fünf Jahre einfrieren und teils nach unten korrigieren
       soll, ist ein wichtiger Schritt, reicht aber nicht aus. Für ältere und arme
       Menschen, Menschen mit Behinderung und Geflüchtete bleibe die Situation
       weiter existenzbedrohend.
       
       Der 10. Berliner Sozialgipfel widmet sich an diesem Montagnachmittag daher
       der Wohnungsfrage. Dafür kommen Vertreter:innen von Mieter- und
       Sozialverbänden sowie Gewerkschaften mit Vertreter:innen der Politik
       zusammen.
       
       Einige konkrete Forderungen haben die teilnehmenden Organisationen bereits
       im Vorfeld formuliert. So erfüllen zwar die landeseigenen
       Wohnungsunternehmen die ihnen vorgegebene 11-Prozent-Quote für Vermietungen
       an Menschen mit besonderen Bedarfen – etwa Wohnungslose – sogar über.
       Dennoch stehen damit gerade mal 2.500 Wohnungen für die zur Verfügung, die
       sonst keine Chance auf dem Wohnungsmarkt haben.
       
       Der Bedarf sei zehnmal höher, schätzt Wild und fordert die Anhebung der
       Quote auf 25 Prozent. „Aber auch das wird nicht reichen, solange es keine
       Vereinbarungen mit privaten Vermietern gibt.“ Angesichts des aktuellen
       Wohnungsmarkts und der durch den Mietendeckel vergrätzten Vermieter sei die
       Ausgangslage für Vereinbarungen aber „denkbar schlecht“. Daher wird man
       auch beim Sozialgipfel auf den Neubau von Sozialwohnungen pochen.
       
       ## Barrierefreie Wohnungen fehlen
       
       Besonders schwer haben es Menschen mit Behinderung auf dem Wohnungsmarkt,
       so Ursula Engelen-Kefer, Vorsitzende des Sozialverbands Deutschland SoVD
       Berlin-Brandenburg. Rund 613.000 Menschen mit Behinderung gibt es in
       Berlin, rund 18 Prozent der Bevölkerung. Für sie fehlen Tausende
       barrierefreie und rollstuhlgerechte Wohnungen. „Wir wissen nicht einmal,
       wie hoch der Fehlbestand genau in den Bezirken ist, das muss dringend
       erhoben werden“, so Engelen-Kefer.
       
       Die novellierte Berliner Bauordnung sieht zwar vor, dass ab 2020 die Hälfte
       aller neu gebauten Wohnungen barrierefrei sein muss. Aber das werde nicht
       genügen, zumal Sozialverbände bereits dreierlei bemängeln: Die in der
       Bauordnung festgelegten Anforderungen reichten für Rollstuhlfahrer nicht
       aus. Sachverständige für Barrierefreiheit im Bau bildet die Berliner
       Architektenkammer zwar aus – aber anders als etwa bei Sachverständigen für
       Brandschutz ist ihr Einsatz keine Pflicht. Und drittens: Schon jetzt
       versuchten Bauherren, ihre Pflichten in Sachen Barrierefreiheit durch
       Ausnahmegenehmigungen zu umgehen. Hier müsse Berlin gegensteuern, so die
       Vertreterinnen der Sozialverbände.
       
       Uwe Klett, Vorsitzender der Berliner Volkssolidarität, kritisierte im
       Vorfeld des Gipfels, dass geflüchtete Menschen noch immer zu Tausenden in
       Gemeinschaftsunterkünften hausen müssten. Er forderte anonyme
       Bewerbungsverfahren bei den landeseigenen Wohnungsunternehmen, um
       Diskriminierung zu verhindern. Geflüchtete sollten auch leichteren Zugang
       zu Wohnberechtigungsscheinen haben. Bislang ist dies an eine
       Aufenthaltserlaubnis geknüpft, die noch mindestens 11 Monate lang gültig
       sein muss.
       
       Ihren Forderungen wollen Sozialverbände, Gewerkschaften und Mieterverein am
       Montagnachmittag im Haus der IG Metall an der Alten Jakobstraße unter
       anderem im Gespräch mit Bausenatorin Katrin Lompscher (Linke) Nachdruck
       verleihen. Selbsterklärtes Ziel des 2010 begründeten Sozialgipfels ist eine
       soziale und gerechte Politik für die Stadt.
       
       17 Nov 2019
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Manuela Heim
       
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