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       # taz.de -- Touristiker im Harz denken um: Totholz statt Hochglanz
       
       > Harz-Touristiker wollen die Klimaschäden im Harz fortan offensiv
       > kommunizieren. Dadurch sollen Reisende auf das, was sie erwartet,
       > vorbereitet werden.
       
   IMG Bild: Blauer Himmel, tote Bäume: Wanderer im Nationalpark Harz bei Wernigerode
       
       Göttingen taz | Wer vom Brocken, vom Wurmberg oder einer anderen Erhebung
       im Harz seinen Blick über die Fichtenwälder des Mittelgebirges schweifen
       lässt, kann das Ausmaß der Klimakrise erahnen. Statt Grün dominiert Braun,
       viele Bäume tragen gar keine Nadeln mehr, die Kronen sind abgestorben.
       Große Freiflächen und Löcher im Gelände markieren die Gebiete, in denen
       Stürme, Trockenheit und in der Folge mehrere Generationen von Borkenkäfern
       die Stämme ganz umgeworfen haben.
       
       Wie viele Politiker haben auch Touristiker im Harz die Klimakrise lange
       Zeit ignoriert oder ihr Ausmaß kleinzureden versucht. Diese Strategie ist
       gescheitert, das wurde beim Harzer Tourismustag 2019 in Goslar deutlich.
       Für eine ausschließliche Prävention sei es bereits zu spät, hieß es. In den
       vergangenen beiden Jahren habe man die schmerzliche Erfahrung machen
       müssen, dass den Auswirkungen des Klimawandels nur bedingt etwas
       entgegengesetzt werden könne.
       
       Weil das Problem nun aber erkannt ist, soll es künftig auch offensiv
       benannt werden, betont die Geschäftsführerin des Harzer Tourismusverbandes,
       Carola Schmidt. Sie stellte den rund 100 Teilnehmern der Veranstaltung die
       neue Kommunikationskampagne des Verbandes und mehrerer Partner mit dem
       Titel „Der Wald ruft!“ vor.
       
       Statt den Urlaubern den Zustand der Wälder zu verschweigen, sollen
       Harz-Reisende bereits vor dem Start im Internet, mit Flyern und in
       Broschüren darauf vorbereitet werden, welcher Anblick sie womöglich
       erwartet. Gerade an den touristisch beliebtesten Flecken im
       Nationalparkgebiet, entlang der das Gebirge von Norden nach Süden
       durchschneidenden Bundesstraße 4 oder an der Strecke der Brockenbahn, seien
       die Schäden besonders sichtbar.
       
       Außer über diese Schäden soll auch über die unterschiedlichen
       Handlungsstrategien im Wirtschaftswald und im Nationalpark informiert und
       um Verständnis für unterschiedliche Prioritätensetzungen geworben werden.
       Ein Beispiel: Im Nationalpark, der mit rund 250 Quadratkilometern etwa zehn
       Prozent der Gesamtfläche des Harzes ausmacht, werden umgestürzte und
       abgestorbene Bäume oft nicht mehr entfernt. Was für manche Besucher ein
       ungewohnter Anblick sein möge, mache aus ökologischer Sicht Sinn, sagt
       Nationalpark-Sprecher Friedhart Knolle.
       
       Das Totholz bleibe so weit wie möglich im Wald und biete so zahlreichen
       Tieren Nahrung und Unterschlupf. Je nach Holzart und Stand des
       Verfallsprozesses seien etwa 600 Pilzarten und 1.350 Käferarten an der
       vollständigen Mineralisierung eines Stammes beteiligt. Ihnen fehle die
       Lebensgrundlage, wenn das Holz entfernt werde. Wer genau hinschaue, könne
       selbst im scheinbar toten Wald überall Leben entdecken. „Nutzen Sie die
       seltene Gelegenheit, einer neuen Wildnis beim Wachsen zuzuschauen“,
       appelliert die Nationalparkverwaltung an die Gäste.
       
       Nicht immer, betont Touristikerin Schmidt, könnten die Interessen der
       Wanderer nach geräumten und gut hergerichteten Waldwegen Priorität
       genießen: „Das sollten Gäste wissen, Verständnis zeigen und bestenfalls
       durch Aktivitäten unterstützen.“ Dabei gelte es, den Drang zum aktiven
       Handeln insbesondere bei jüngeren Zielgruppen in sinnvolle Projekte und
       Initiativen zu lenken.
       
       Das Echo auf die ersten Aufrufe zur Mitarbeit stimmen die Verantwortlichen
       zuversichtlich. Für ein öffentliches Bäumepflanzen haben sich nach Angaben
       des Nationalparks so viele Interessierte gemeldet, dass die Aktion am
       heutigen Mittwoch wiederholt werden soll. In den tieferen Lagen des
       Schutzgebietes werden allein in diesem Jahr rund 400.000 Laubbäume in die
       Erde gebracht. Diese Bereiche des Nationalparks waren früher fast
       ausschließlich mit standortfremden Fichten bepflanzt worden. Sie gelten als
       besonders anfällig gegen den Klimawandel.
       
       20 Nov 2019
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Reimar Paul
       
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