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       # taz.de -- Nazi-Vergangenheit von AfD-Politiker: Lügen im Landtag
       
       > In Rheinland-Pfalz könnte AfD-Fraktionsvize Joachim Paul über seine
       > Vergangenheit gelogen haben. Interne E-Mails legen eine NPD-Autorenschaft
       > nahe.
       
   IMG Bild: Joachim Paul während der Debatte über rechtsextreme Verbindungen im Landtag am 20. September
       
       Im rheinland-pfälzischen Landtag gehört der Vize-Fraktionsvorsitzende der
       [1][AfD], Joachim Paul, zu ersten Riege seiner Partei. Jetzt möchte er den
       Vorsitz des Landesverbandes übernehmen – und das, obwohl es deutliche
       Hinweise darauf gibt, dass Paul einst für ein NPD-nahes Magazin schrieb.
       
       Im Mai dieses Jahres bestritt Paul vor dem Medienausschuss des Landtags in
       Mainz, unter einem Pseudonym in dem NPD-nahen Magazin Hier & Jetzt (H&J)
       geschrieben zu haben. Neue Recherchen von NDR, SWR und taz liefern aber
       jetzt noch weitere Hinweise darauf, dass Pauls Behauptung nicht zutrifft
       und er sehr wohl für das rechte Magazin schrieb.
       
       Bereits am 24. Mai 2019 hatte [2][die taz berichtet, dass Paul als „Karl
       Ludwig Sand“ offenbar für die H&J geschrieben hat.] Interne E-Mails, die
       von der Adresse blackshirt@hushmail.com versand wurden und der taz
       vorliegen, legten diese Autorenschaft nahe. Damals erhielt die taz auf
       Nachfragen von Paul keine direkte Antwort. Stattdessen drohte sein
       Rechtsbeistand gegen eine Berichterstattung vorzugehen und behauptete,
       seinem Mandanten sei „weder das Pseudonym noch die benannte E-Mail-Adresse
       bekannt“.
       
       Nach neuen Recherchen von NDR, SWR und taz hat der spätere AfD-Politiker
       die E-Mail-Adresse blackshirt@hushmail.com, über die damals mit der H&J
       kommuniziert wurde, aber mehrfach und auch in anderen Zusammenhängen
       verwendet. Paul, der Mitglied der extrem rechten Alten Breslauer
       Burschenschaft der Raczeks in Bonn ist, fragte von dieser Mailadresse aus
       unter anderem Burschenschaftler, ob er während einer Studienreise ins
       Staatsarchiv in Detmold in deren Verbindungshaus übernachten könnte.
       
       ## Ein NPD-Mann als Chefredakteur
       
       Den Alias „Blackshirt“ hat der früherer Lehrer Paul ebenso öfter
       verwendete. So nutze er die Adresse j.blackshirt@googlemail.mail und
       blackshirt@gmx.net. Seine früherer „Doktorvater“ Ludolf Pelizaeus weiß
       noch, dass „es ganz normal“ war, dass er „an Blackshirt geschrieben habe“.
       
       Es gibt also eine Indizienkette, die auf Verbindungen zwischen Joachim Paul
       und der Mailadresse hindeutet, mit der sich über den Artikel in Hier &
       Jetzt ausgetauscht wurde.
       
       Das mittlerweile eingestellte Magazin wurde bis 2013 vom NPD-nahen
       „bildungswerk für heimat und nationale identität e.V.“ getragen. Als
       letzter Chefredakteur koordinierte der ehemalige sächsische
       NPD-Landtagsabgeordnete Arne Schimmer das Heft.
       
       Mit diesem Arne Schimmer tauschte sich der Mann hinter der Mailadresse
       blackshirt@hushmail.com – höchstwahrscheinlich Joachim Paul – in den Mails,
       die der taz vorliegen, aus. Es ging um einen Beitrag über den Rassisten und
       wegen Mordes verurteilten Black-Metal-Musiker Varg Vikernes aus Norwegen
       und dessen Band Burzum. Dieser Artikel war bereits im Sommer 2011 mit dem
       Titel „Burzums Rückkehr“ in Heft Nr. 17 erschienen. Als Autor wird ein Karl
       Ludwig Sand angegeben.
       
       ## Das Pseudonym ist kein Zufall
       
       In dem Beitrag führt dieser Sand aus, „die Höhe der Strafe resultierte
       nämlich nicht aus der Gewalttat, sondern aus der politischen Haltung des
       Angeklagten“, und zitiert den Nazi-Musiker damit, dass er „keinen
       Widerspruch“ darin sehe „Faschist und Individualist zu sein“.
       
       Die Wahl des Pseudonyms „Karl Ludwig Sand“ dürfte eine Botschaft sein. Sand
       war ein radikaler deutscher Burschenschaftler, der 1819 den liberalen
       Dichter August von Kotzebue ermordete.
       
       Bereits aus dem Namen „Blackshirt“, der sich in den Mailadressen immer
       wieder findet, lassen sich darüber hinaus Nazi-Bezüge herauslesen. Für die
       Gießener Burschenschafts- und Rechtsextremismusexpertin Alexandra Kurth ist
       klar: „Schwarzhemden sind die SS, genauso wie Braunhemden die SA sind.“ Wer
       die Eigenbezeichnung „Schwarzhemd“ nutze, sei entweder historisch sehr
       ungebildet „oder aber er will damit seine Sympathien für solche
       Organisationen“ ausdrücken.
       
       ## Auch Pauls Doktorarbeit liefert Hinweise
       
       Die neuen Recherchen legen außerdem politische Ambivalenz bereits in der
       Doktorarbeit von Paul nahe. Der Titel der nicht abgeschlossenen Arbeit war:
       „Die Bedeutung der Untersuchung der frühneuzeitlichen Hexenprozesse im
       Ahnenerbe und dessen personelle Verflechtungen“.
       
       Das „Ahnenerbe“ hatte 1935 der Reichsführer SS, Heinrich Himmler, als
       „Forschungsgemeinschaft Deutsches Ahnenerbe e.V.“ gegründet, um der
       nationalsozialistischen Weltanschauung eine vermeintlich wissenschaftliche
       Begründung zu geben.
       
       2013 beendete Pauls Doktorvater Ludolf Pelizaeus die Zusammenarbeit mit
       Paul. In der Auseinandersetzung mit dem Quellenmaterial habe Pelizaeus die
       Entwicklung gefehlt. „Die Inhalte zu referieren ist völlig irrelevant, weil
       Sie mit diesen Inhalten nur irgendwelche kruden NS-Theorien wiedergeben
       können. Das ist für eine wissenschaftliche Arbeit nicht zielführend“, so
       Pelizaeus gegenüber dem SWR.
       
       Zunächst habe Paul auf ihn „orientierungslos“ gewirkt. Später sei ihm klar
       geworden, dass Paul „doch so in der rechten Ecke verortet werden musste,
       dass eine neutrale Bearbeitung des Themas nicht mehr möglich war“. Er habe
       dann von einer weiteren Zusammenarbeit Abstand genommen. Das sei ihm in der
       Betreuung von Doktoranden noch nie passiert.
       
       Über seinen Anwalt teilte Paul dem SWR jetzt mit, dass ihm die Vorwürfe von
       Pelizaeus bisher nicht bekannt gewesen seien. Die Betreuung sei „stets
       harmonisch und wissenschaftlich-professionell“ abgelaufen. Die
       Zusammenarbeit zwischen Paul und Pelizaeus sei „in beiderseitigem
       Einverständnis“ beendet worden, weil sich der Forschungsschwerpunkt von
       Paul vom Fachgebiet seines Professors entfernt habe.
       
       6 Nov 2019
       
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