# taz.de -- Halbzeitbilanz der Groko: Die Mitte ist müde
> Es kann sein, dass die Regierung diese Krise überlebt. Trotzdem wird sie
> nur noch von Routine und der Angst vor Neuwahlen zusammengehalten.
IMG Bild: Nach der Unterzeichnung des Koalitionsvertrags im Paul-Löbe-Haus, Berlin am 12. März 2018
„Wir haben viel erreicht und umgesetzt – aber es bleibt auch noch viel zu
tun.“ So steht es in [1][der Halbzeitbilanz der Regierung], die etwas
unfreiwillig Komisches hat. Die MinisterInnen bescheinigen sich selbst,
prima Arbeit geleistet zu haben. Das ist so, als würden sich ein Konzern
oder eine Universität selbst evaluieren und danach kräftig auf die Schulter
klopfen.
Die Halbzeitbilanz hatte die SPD in den Koalitionsvertrag geschrieben. Es
ist ein Placebo, das ein ungutes Gefühl im Magen vertreiben soll: Die SPD
bleibt automatisch bis zum Ende in der Regierung. Und danach ist alles
schlimmer denn je.
Die Große Koalition funktioniert, zum Teil, so wie immer. Die
SPD-MinisterInnen setzen fleißig einiges durch – von besserer
Kita-Betreuung bis zur Möglichkeit, von Teilzeit- in Fulltimejobs zu
wechseln. Mehr jedenfalls als die UnionsministerInnen. Das Publikum ist –
auch das ist wie immer – an den sozialdemokratischen Erfolgen herzlich
desinteressiert.
Die Regierung liefert mehr (Franziska Giffey und Hubertus Heil) oder
weniger (Andi Scheuer) gutes Handwerk ab. Aber ihr fehlt das überwölbende
Dach und der gemeinsame Geist. Auch deshalb ist die Mängelliste sehr lang.
Sie reicht [2][vom verzagten Klimapaket] über den Stillstand in der
Agrarpolitik bis zu der diffusen Europapolitik und der gesichtslosen
Außenpolitik.
All das ließe sich in normalen Zeiten missmutig oder achselzuckend zur
Kenntnis nehmen. Aber es ist nicht mehr so wie vor drei vier Jahren. Mit
der Großen Koalition geht es zu Ende. Selbst wenn die Regierung die beiden
Parteitage von CDU und SPD übersteht – sie ist ein Auslaufmodell. Wenn sie
jetzt nicht endet, wird das in knapp zwei Jahren der Fall sein. Denn die
beiden Volksparteien ruinieren sich gegenseitig. Sie sind sich bis zur
Ununterscheidbarkeit ähnlich geworden. Deshalb gibt es nun die hektische
Suche nach Identitätsmarkern, die Eigenständigkeit und Differenz betonen.
Ein Thema wie [3][die Grundrente] (Volumen weniger als 2 Milliarden Euro)
wird deshalb zum alles entscheidenden Symbol stilisiert.
Früher hätte Angela Merkel all das am Ende irgendwie sanft gelöst. [4][Die
SPD] hätte, ohne es an die große Glocke zu hängen, die Grundrente bekommen.
Genau so hat ja die Sozialdemokratisierung der CDU funktioniert. Die Medien
hätten die Weitsicht der Kanzlerin und CDU-Chefin gelobt. Doch Merkel ist
Kanzlerin auf Abruf, und wer in der Union das Sagen haben wird, weiß
niemand.
Es kann sein, dass die Regierung diese Krise noch mal überlebt. Doch auch
wenn es bei der Grundrente [5][am Ende einen notdürftigen Formelkompromiss
gibt,] auch wenn Olaf Scholz SPD-Chef wird und Annegret Kramp-Karrenbauer
CDU-Chefin bleibt – die Mitte ist müde. Die Regierung wird nur noch von
Routine und der Angst vor Neuwahlen zusammengehalten. Ein rasches Ende wäre
besser als das erwartbare Siechtum.
6 Nov 2019
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## AUTOREN
DIR Stefan Reinecke
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