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       # taz.de -- Digitalisierung der Bibliotheken: Update ins Ungewisse
       
       > In Berlin haben die öffentlichen Bibliotheken nach acht Tagen ihre Türen
       > wieder geöffnet – doch das Onlineangebot macht noch Ärger.
       
   IMG Bild: Nein, es lag nicht an der Internetverbindung: die neue Website scheint noch nicht ganz fertig
       
       Berlin taz | Hummer sind beeindruckende Tiere – und noch beeindruckenderer
       Stoff für Metaphern: den Schalentieren wird es regelmäßig zu eng in ihrem
       starren Skelett, sodass sie gezwungen sind, im Laufe ihres Lebens immer
       wieder ihrem Panzer zu entfliehen, um mühsam einen etwas größeren
       auszubilden. In der Zwischenzeit sind sie dabei wochenlang extrem
       ungeschützt – keine Entwicklung ohne Preis.
       
       Ein wenig erinnert die heutige Situation beim Verbund öffentlicher
       Bibliotheken Berlins ([1][VÖBB]) an diesen verletzlichen Zwischenstatus im
       Leben der Krebstiere. Wegen eines nötigen Softwarewechsels waren letzte
       Woche [2][alle Häuser geschlossen] sowie diverse Onlinefunktionen nicht
       verfügbar. Gestern sollten dann die Bibliotheken mitsamt einer
       nigelnagelneuen Website nach acht Schließtagen wieder an den Start gehen.
       Doch digitale Abgründe taten sich auf.
       
       Zwar konnte der flinke Internetnutzer zwischendurch kurz mal einen Blick
       auf das neue Design der Seite erhaschen – ein sanftes Petrol schmeichelte
       den Augen. Doch ehe ein Buch gesucht, geschweige denn gefunden werden
       konnte, drängte sich immer wieder die Meldung „Internetangebot für
       Wartungsarbeiten abgeschaltet“ dazwischen.
       
       „Unsere Techniker sind da wie verrückt dran“, so Anna Jacobi,
       Pressesprecherin der Zentral- und Landesbibliothek, am Montagvormittag.
       Auch die langen intensiven Testungen des neuen Angebots hätten den
       Normalbetrieb nicht erproben können. „Der Server ist wohl damit überlastet,
       dass jetzt wieder die halbe Stadt auf unsere Website zugreift.“ Ausleihen
       und Rückgaben seien an den Standorten laut Jacobi allerdings wieder
       möglich.
       
       ## Einmal aus und an
       
       In der [3][Amerika-Gedenk-Bibliothek] am Halleschen Tor bietet sich ein
       gemischtes Bild: Als hätte es die einwöchige Unterbrechung nie gegeben, ist
       das Gebäude so belebt, wie es eine Bibliothek eben noch zu sein vermag.
       
       An der Infotheke allerdings herrschte Ratlosigkeit. „Wir kommen selber
       nicht auf unseren Katalog“, erklärt eine Angestellte mit leicht gequältem
       Gesichtsausdruck. So sahen sich die Angestellten gezwungen, die eigenen
       Bücher über fremde Webseiten, wie etwa der des Kooperativen
       Bibliotheksverbandes Berlin, zu suchen.
       
       Am Nachmittag entschieden sich die Techniker des VÖBB schließlich dazu, das
       gesamte System bei laufendem Büchereibetrieb herunter- und wieder
       raufzufahren. Zunächst war dies laut Pressesprecherin Jacobi erst abends
       nach Betriebsschluss geplant gewesen. Denn während des Manövers seien
       Website und Katalog gar nicht aufrufbar, elektronische Medien könnten nicht
       ausgeliehen sowie Internetplätze und Kassenautomaten nicht benutzt werden.
       
       Ob sich die Turbulenzen mit dem Hochfahren aus der Welt schaffen ließen,
       war bis zum frühen Montagabend noch nicht absehbar. Sichtbar wurde
       allerdings, ob digital oder analog: ein Epochenwechsel fordert seinen
       Tribut. Klar wäre es leicht, mal wieder über digitales Behördenversagen zu
       spotten. Doch wenn der arme Hummer schon panzerlos am Boden kriecht – wer
       möchte da noch nachtreten?
       
       NaN NaN
       
       ## LINKS
       
   DIR [1] https://www.voebb.de/aDISWeb/app?service=direct%2F0%2FHome%2F%24DirectLink&sp=SPROD00
   DIR [2] /Bibliotheken-eine-Woche-geschlossen/!5638359
   DIR [3] https://www.zlb.de/
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Björn Brinkmann
       
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