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       # taz.de -- Gutachten über tendenziöse Doku: Antiziganismus bei Sat.1
       
       > Der Zentralrat der Sinti und Roma befand eine Sat.1-Doku als
       > diskriminierend. Ein Gutachten des Politologen Hajo Funke bestätigt das
       > nun.
       
   IMG Bild: Romani Rose, Vorsitzender des Zentralrats Deutscher Sinti und Roma, zeigte sich erschüttert
       
       Berlin taz | Romani Rose ist sichtlich erschüttert. „Sie können sich nicht
       vorstellen, wie viele Anrufe wir hatten“, sagt der Vorsitzende des
       Zentralrats der Sinti und Roma. Es geht um eine Dokumentation von „Spiegel
       TV“, die Sat.1 im August ausgestrahlt hat: „Roma: Ein Volk zwischen Armut
       und Angeberei“. Die Doku habe unter Sinti und Roma in Deutschland große
       Ängste ausgelöst, sagt Rose am Montag in Berlin.
       
       Schon nach der Ausstrahlung hatte der Zentralrat den Film als
       [1][antiziganistisch] kritisiert – das bestätigt nun ein Gutachten des
       Politikwissenschaftlers Hajo Funke. Der Film bediene „das Arsenal der
       Vorurteile gegenüber Sinti und Roma“, und zwar „in einer Zeit vermehrten
       Hasses, vermehrter Hetze und vermehrter Gewalt“, schreibt Funke. „Er
       widerspricht allen journalistischen Kriterien von Fairness, Ausgewogenheit
       und Aufklärung.“
       
       Die Doku wechselt mehrfach zwischen Berichten über die mutmaßliche
       „Clan-Kriminalität“ von Familien, die im Luxus leben, und der absoluten
       Armut von Roma in Rumänien. Gezeigt wird das Leben auf einer Müllkippe „mit
       Schweinen und Ratten“; ohnehin zieht sich das Ratten-Motiv durch den Film,
       auch dann, wenn es um Roma in Duisburg-Marxloh geht. „Die stört das nicht,
       die sind das nicht anders gewohnt“, sagt ein Nachbar in die Kamera.
       
       Zwischen diesen Extrembeispielen gibt es im Film nicht viel – wer sein Geld
       „ehrlich“ verdient, so unterstellt die Doku, ist Musiker oder
       Kesselflicker. Vertreter*innen des Zentralrats kommen genauso wenig zu Wort
       wie Akademikerinnen oder Einzelhandelsfachmänner. Als positives Beispiel
       dient ein Haus in Berlin-Neukölln. „Wir schicken unsere Kinder nicht
       betteln“, sagt eine Bewohnerin. „Wieso sind Sie anders als andere?“, fragen
       die Macher der Doku.
       
       ## Sat1 verteidigt sich
       
       Der Film sei geeignet, „diejenige Gruppe, die mit den schärfsten und
       gröbsten Vorurteilen belegt ist, noch einmal mit Vorurteilen, Abwertung und
       Demütigung zu versehen“, so Funke. Er erfülle „alle Kriterien der
       Volksverhetzung“, und es solle geprüft werden, ob ein Verbot der
       Weiterverbreitung möglich sei.
       
       Nach der Pressekonferenz meldet sich aus dem Zuschauerraum Heiko Zysk von
       ProSiebenSat1 zu Wort. Ihm persönlich gefalle der Beitrag nicht, sagt er.
       Eine andere Frage sei, ob man einen solchen Film machen dürfe. Auch er
       finde, dass die Dargestellten „negativ bis maximal mittelpositiv“ wegkämen.
       Jede Reportage habe aber eine Ausrichtung. „Das liegt in der Natur eines
       Magazinbeitrags.“
       
       Gegen die Dokumentation sind mehrere Beschwerden bei der
       Landesmedienanstalt Rheinland-Pfalz anhängig. Dort werde derzeit geprüft,
       ob die Ausstrahlung für Sat1 Sanktionen nach sich ziehen werde, sagt Jaques
       Delfeld, Vorsitzender des Zentralrats der Sinti und Roma in
       Rheinland-Pfalz. „Wir scheuen uns auch nicht, vor Gericht zu gehen.“
       
       Auch der Zentralrat der Juden hat Sat1 kritisiert. Auf der Pressekonferenz
       wird aus einem Antwortschreiben des Senders zitiert: „Wir nehmen Ihre
       Kritik ernst, weisen sie aber zurück“, heißt es darin. Die Sendung sei ein
       „ausgewogener, journalistisch einwandfreier Bericht“. Ohne Anerkennung
       einer Rechtspflicht habe man sich entschieden, die Sendung im Archiv zu
       sperren, um eine Zweitverwertung zu verhindern. „Da die Sendung aber
       journalistisch einwandfrei ist, sehen wir nach wie vor keine Veranlassung,
       sie aus der Mediathek zu entfernen.“
       
       25 Nov 2019
       
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