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       # taz.de -- Protestbewegung in Kolumbien: „Das hätte auch ich sein können“
       
       > Der 18-jährige Abiturient Dilan Cruz stirbt durch ein Gummigeschoss der
       > Polizei in Bogotá. Er wird zum Symbol von Kolumbiens Protestbewegung.
       
   IMG Bild: Für ein Ende der Gewalt: Proteste in Bogota am 24. November
       
       Berlin taz | Seit Samstag hatten die Mediziner im Hospital San Ignacio in
       Kolumbiens Hauptstadt Bogotá um sein Leben gekämpft – in der Nacht zum
       Dienstag ist der 18-jährige Dilan Cruz gestorben. Todesursache: die
       Verletzungen, die er durch eine Polizeiwaffe am Rande von Protesten am
       Samstag erlitten hatte.
       
       Seither war Dilan zum Symbol des jugendlichen und studentischen Teils jener
       Proteste geworden, die am Donnerstag vergangener Woche mit einem
       [1][Generalstreik] und Demonstrationen im ganzen Land begonnen und seither
       nicht wieder aufgehört hatten.
       
       Jeden Abend gehen Tausende Kolumbianer*innen auf die Straße, schlagen laut
       auf Kochtöpfe und fordern eine grundsätzliche Änderung der Politik und ein
       Ende der Gewalt. Nicht nur der Polizeigewalt, sondern auch jener Attentate,
       bei denen seit Verabschiedung des Friedensvertrags zwischen Farc-Guerilla
       und Regierung 2016 bislang über 800 soziale Aktivist*innen,
       Menschenrechtsverteidiger*innen und Ex-Guerilleros umgebracht worden sind.
       
       [2][#todossomosdilan] – wir alle sind Dilan – ging in Kolumbien viral auf
       Twitter. Viele Studierende veröffentlichten Tweets mit ihrem Namen, ihrem
       Studiengang und dem Schlusssatz: „Auch ich hätte das gewesen sein können.“
       
       ## Erste Ausgangssperre in Bogotá seit 1977
       
       Auf [3][Videos] vom Samstag ist zu sehen, wie die Esmad, die
       Antiaufstandseinheit der kolumbianischen Polizei, mit Tränengas gegen
       Demonstrierende vorgeht. Dilan Cruz ist zu sehen, wie er eine
       Tränengasgranate zurückwirft und wegrennt. Mitten im Lauf bricht er
       zusammen, am Kopf getroffen von einem Gummigeschoss der Polizei. Auf
       weiteren Videos liegt er in einer Blutlache, während Demo-Sanitäter*innen
       Erste Hilfe leisten.
       
       Auch Kolumbiens rechtskonservativer Präsident [4][Iván Duque] reagierte auf
       die Todesnachricht: „Unser Beileid gilt seiner Mutter, seinem Großvater und
       seinen zwei Schwestern“, [5][schrieb Duque auf Twitter]. Die Polizei teilte
       mit, der Schütze sei vorläufig aus dem Dienst entfernt.
       
       Zuvor hatte der Präsident für Dienstag nach Tagen der Proteste, im Verlaufe
       derer über Bogotá zum ersten Mal seit 1977 eine nächtliche Ausgangssperre
       verhängt worden war, zu einem nationalen Dialog aufgerufen.
       
       Bis zum 15. März nächsten Jahres wolle er mit allen gesellschaftlichen
       Gruppen sprechen, erklärte Duque und veröffentlichte sogar schon
       Themenblöcke und Zeitpläne. Das stieß auf Zurückweisung: Es könne doch
       nicht sein, dass Tausende jeden Tag auf der Straße seien, ohne dass sie in
       die Entscheidung über eine Form des Dialogs einbezogen würden.
       
       ## Intensivstation statt Abifeier
       
       Am Wochenende hatte sich Duque zunächst mit 24 der 32 Bürgermeister*innen
       größerer Städte zusammengesetzt – auch das stieß auf Kritik. [6][Claudia
       López], seit den [7][Kommunalwahlen] Ende Oktober designierte
       Bürgermeisterin von Bogotá, sagte: „Niemand von uns repräsentiert die
       Bürger auf der Straße. Sie haben ihre eigenen Sprecher, Organisationen,
       Zeitpläne und Forderungen.“ Insbesondere die jungen Leute warteten darauf,
       dass sie selbst eingeladen würden.
       
       Dilan Cruz, der aus einem ärmeren Stadtteil von Bogotá kam, hatte erst vor
       wenigen Wochen Abitur gemacht. Um studieren zu können, musste er sich auf
       die Suche nach einem Kredit machen – und wohl das, so sagen Freunde,
       brachte ihn zu den Protesten gegen schlechte und teure Bildung.
       
       Am Montag, als er noch auf der Intensivstation zwischen Leben und Tod
       schwebte, hätte er an seiner Schule sein Abiturzeugnis entgegennehmen
       sollen. Für ihn nahm seine Schwester an der Feier teil. Sie und ihre
       Familie hofften, dass Dilans Schicksal ein Fanal gegen die Gewalt sein
       möge, sagte sie.
       
       26 Nov 2019
       
       ## LINKS
       
   DIR [1] /Massenproteste-in-Kolumbien/!5643423
   DIR [2] https://twitter.com/search?q=%23TodosSomosDilan
   DIR [3] https://www.youtube.com/watch?v=RxYq1UvUfTQ
   DIR [4] /Neuer-Praesident-in-Kolumbien/!5513668
   DIR [5] https://twitter.com/IvanDuque/status/1199169006705528832
   DIR [6] /Kommunalwahl-in-Kolumbien/!5636404
   DIR [7] /Kommunalwahlen-in-Kolumbien/!5636453
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Bernd Pickert
       
       ## TAGS
       
   DIR Iván Duque 
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   DIR Schwerpunkt Polizeigewalt und Rassismus
   DIR Protest
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