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       # taz.de -- CDU Parteitag in Leipzig: AKK kann kämpfen
       
       > Die CDU-Chefin stellt beim Parteitag die Machtfrage. Friedrich Merz
       > springt nicht, er stichelt nur. Die Personaldebatte ist nicht beendet.
       
   IMG Bild: Luftküsse der Erleichterung: Annegret Kramp-Karrenbauer beim CDU-Parteitag in Leipzig
       
       Leipzig taz | Die CDU ist eine leicht zu dechiffrierende Partei. Der
       Applaus auf dem Parteitag in Leipzig darf als Gradmesser für das kommende
       Jahr gewertet werden. Die Analyse von Dutzenden an- und abschwellenden
       Zustimmungsbekundungen, von Jubel und schlappem Applaus ergibt den Befund:
       Es wird wohl weitergehen mit den Hakeleien bei den Konservativen.
       
       Friedrich Merz hat ein paar engagierte Fans im Saal der Leipziger Messe.
       Angela Merkel, die vor einem Jahr den Vorsitz abgegeben hatte, wird in
       einem überraschenden, geradezu tropisch warmen Applausregen gebadet. Und
       bei Annegret Kramp-Karrenbauer, die im Adenauer-Haus und im
       Verteidigungsministerium alle Hände voll zu tun hat, fällt die Begeisterung
       überaus solidarisch, nahezu frenetisch aus.
       
       Am Ende ihrer programmatischen Rede an die tausend Delegierten hatte sie
       die Machtfrage gestellt. Wenn die Delegierten ihr nicht länger folgen
       wollten, sagt sie, „dann lasst es uns hier und jetzt beenden“. Am Ende
       eines sehr anstrengenden Jahres als CDU-Vorsitzende geht Kramp-Karrenbauer
       damit auf volles Risiko.
       
       Prinzipiell geht es eigentlich geeint und friedlich zu bei der CDU.
       Generalsekretär Paul Ziemiak spricht gleich zu Beginn in seinem Grußwort
       von einem „Familientreffen“. Und wie es so ist bei derlei Treffen: Man
       gehört zusammen; was jedoch nicht heißen muss, dass alles in Butter ist.
       [1][Bei der Christlich Demokratischen Partei Deutschlands ist schon länger
       Druck im Kessel]. Es wird getratscht und gepetzt; Leistungen werden
       kleingeredet, Fehler großgenörgelt, politische Partner geschmäht. Der
       Parteitag wäre eine gute Gelegenheit, ein paar der Gräben zuzuschütten, ein
       paar Dinge zu besprechen und zu klären.
       
       Im Vorfeld dieses Familientreffens war die Vorsitzende Annegret
       Kramp-Karrenbauer von ihren KritikerInnen zusehends in die Ecke gedrängt
       worden. Ihr Herausforderer Friedrich Merz hatte immer wieder dafür gesorgt,
       dass Kramp-Karrenbauer angegriffen wurde und ihre Kräfte in ihre
       Verteidigung stecken musste. In den Tagen vor dem Parteitag hatte die
       Kramp-Karrenbauer-Fraktion dann aber reichlich Beruhigungspillen verteilt.
       
       Merz sei zuletzt zurückgerudert, habe gar erklärt, er wolle die Vorsitzende
       unterstützen. Zudem müsse man arbeiten, arbeiten, arbeiten – am
       Parteiprogramm, an Themen wie Digitalisierung und Verteidigung und der
       guten alten sozialen Marktwirtschaft. Die WählerInnen erwarteten eine
       fleißige Partei. Die arg strittigen Themen – etwa die Frauenquote oder der
       Antrag, Huawei vom deutschen 5G-Markt abzuhalten – sind vorab von der
       Antragskommission in Ausschüsse verwiesen oder entschärft worden.
       
       Und am Freitagmorgen ist dann die Stimmung regelrecht ausgelassen. Tags
       zuvor hatten sich die CDU-MitarbeiterInnen, Abgeordneten und
       LandespolitikerInnen gar nicht mehr eingekriegt, wie smooth sie auf die
       morgendliche Greenpeace-Aktion im Konrad-Adenauer-Haus reagiert hatten. Die
       UmweltaktivistInnen hatten sich in der Berliner Parteizentrale
       ordnungsgemäß beim Pförtner gemeldet, sich als Handwerker ausgegeben und
       erklärt, sie wollten die Buchstaben des Parteilogos zur Reinigung abholen.
       
       Ja genau, das C, das D und das U. Es blieb dann beim C für „Christlich“,
       das [2][unter den Augen der Internetgemeinde] aus dem Gebäude getragen
       wurde. Die Kommunikationsabteilung der CDU war erst baff und dann
       herausgefordert. Schnell wurde ein [3][Twitter-Account] aus D und U zum
       „DU“ angemeldet – viel gute Werbung für die Partei, deren Außendarstellung
       in letzter Zeit eher verkrampft und verstockt gewirkt hatte.
       
       Am Freitagmorgen dann – Greenpeace liefert gerade wieder das gestohlene C
       an der Messehalle ab – holen sich die 1.001 Delegierten ihr Stimmgerät ab.
       JedeR hat damit die Möglichkeit, sich zu einem Wortbeitrag zu melden.
       Friedrich Merz ist die Nummer sechs, um 14.30 Uhr tritt er beschwingten
       Schrittes ans Mikrofon. Merz hat nicht endlos Zeit. Als einfachem
       Delegierten stehen ihm nur wenige Minuten zu. Die nutzt er. Aber wie soll
       er sich maximal öffentlich gegen eine Vorsitzende stellen, die gerade ihre
       Zukunft in die Hände der Partei gelegt hat.
       
       Tatsächlich hat Friedrich Merz augenscheinlich nichts anzubieten als sich
       selbst als Dagegen-Marke. In seiner Rede holt er seine sechzehn Jahre alte
       Bierdeckel-Idee heraus, der zufolge es jedeR BürgerIn möglich sein sollte,
       seine Steuererklärung auf einem solchen beim Finanzamt abzugeben. Sodann
       verortet er den außerparteilichen politischen Gegner in den Grünen.
       
       Alsdann ist er sich nicht zu schade, wieder einmal auf Kosten der 16 Jahre
       alten Klimaaktivistin Greta Thunberg Punkte zu machen. Im allerbesten
       Babyboomer-Duktus erklärt er, Thunberg und ihre Generation könnten nur
       deshalb so nachdrücklich protestieren, weil sie „die beste Jugend hatten,
       die es jemals gegeben hat“. Die CDU wolle dafür sorgen, dass das so bleiben
       könne. So viel offen vorgetragenes Rollback war selten bei der CDU.
       
       Interessant wird es noch einmal bei seinem „offenen Wort zu unserer
       Partei“. Dieses Treffen in Leipzig werde nicht „die Entscheidung“ bringen,
       diese liege erst in einem Jahr beim Parteitag 2020 in Stuttgart an. Gemeint
       ist die Führungsfrage. „Wir sind am Anfang dieses Prozesses, ganz gewiss
       nicht am Ende“, sagt Friedrich Merz fast schon dräuend. Anschließend greift
       er die Parteivorsitzende direkt an.
       
       ## Direkter Angriff
       
       „Wir können draußen nicht über den Zusammenhalt in der Gesellschaft
       sprechen, wenn wir innerhalb der Partei den einen oder anderen oder ganze
       Gruppen ausgrenzen.“ Gemeint ist die Werte-Union, eine Gruppierung, deren
       überwiegend männliche Anhänger Merz wie einen Heilsbringer zu feiern
       pflegen. Die Werte-Union habe, ebenso wie die liberalere Union der Mitte,
       ihren Platz in der CDU. „Das Beste wäre, wenn es sie gar nicht geben
       müsste.“
       
       Kramp-Karrenbauer hatte in ihrer Rede unter tosendem Applaus der
       Delegierten dazu erklärt: „Es gibt nur eine Werte-Union, und das ist die
       Christlich Demokratische Union Deutschlands.“ Sie hat in ihrer Rede
       versucht, die Partei nach innen zu einen, und es dabei auch nicht an
       Selbstkritik mangeln lassen. Interne Debatten spricht sie flugs an und
       räumt sie damit ab – aber dann geht es an die Arbeit. Es ist eine etwas zu
       lange Rede gegen die sich abkühlende CDU, die sich in letzter Zeit
       zusehends Gehör verschafft hatte. Aber auch gegen die Medien, die „uns in
       den Ruin hineinzuschreiben versuchen“.
       
       Sie lobt Angela Merkel, mit der die Partei „14 gute Jahre“ hatte. Natürlich
       sei nicht alles gelungen, aber da sei nichts schlechtzureden. „Ihr seid
       doch Wahlkämpfer“, ruft sie in den Saal; bei den Bürgern alles
       schlechtzureden sei da bekanntlich keine erfolgreiche Strategie. Starker
       Applaus.
       
       ## Keine Versprechen
       
       Die Ära Merkel werde enden, kommt sie auf den Punkt der Nachfolgedebatte.
       Merkel selbst habe den Startschuss dazu gegeben, als sie sagte, sie werde
       nicht mehr kandidieren. „Liebe Leute, die Zukunft ist noch nicht
       ausgemacht.“ Sie warnt vor Einschränkungen der Freiheit, vor einer
       Miefigkeit, die um sich greife. Sie wolle Agilität und Wachheit,
       Digitalisierung, Vielfalt.
       
       Es sind Vokabeln, die die Jungs von vorgestern an die Seite drängen wollen,
       die sich in der Partei gern mit alten Rezepten als Zukunftsversprechen
       anpreisen. Versprechen, gar klare Ansagen macht sie keine. Die Partei müsse
       entscheiden, ob sie die Kraft zum gesellschaftlichen Führungsanspruch habe.
       Die Frage der Bürger sei doch, was die Partei für sie tun könne – nicht,
       „wer wann was bei uns werden will“.
       
       Der Applaus am Ende ist mehr als anständig. Kramp-Karrenbauer hat gekämpft;
       sie ist in die Vorhand gegangen. Volles Risiko. Die Delegierten springen
       von ihren Stühlen, sie klatschen für eine Vorsitzende, die im
       zurückliegenden Jahr jede Menge Fehler gemacht hat. Die immer mal wieder
       überfordert wirkt. An diesem Tag in Leipzig aber ist klar: Die CDU hat
       gerade keine bessere Anführerin. Friedrich Merz ist es jedenfalls nicht.
       
       22 Nov 2019
       
       ## LINKS
       
   DIR [1] /Machtkampf-in-der-CDU/!5635361
   DIR [2] http://twitter.com/IchBinDasC/status/1197475128067657728
   DIR [3] http://twitter.com/IchBinDasDu
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Anja Maier
       
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