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       # taz.de -- Beschluss für das „Recht auf Vergessen“: Eine einleuchtende Entscheidung
       
       > Das Bundesverfassungsgericht hat entschieden: Das Internet muss auch mal
       > vergessen können. Aber der Beschluss birgt auch eine Gefahr.
       
   IMG Bild: Verurteilt, bestraft – und ein Recht auf Resozialisierung
       
       Das Internet vergisst nicht, heißt es ja immer. Doch nun wird es quasi zum
       Vergessen gezwungen. Denn das Bundesverfassungsgericht hat am Mittwoch
       [1][das „Recht auf Vergessen“ auch bei schweren Straftaten gestärkt]. Die
       Richter*innen gaben damit der Verfassungsbeschwerde eines 1982 wegen Mordes
       zu lebenslanger Haft Verurteilten statt, der sich dagegen gewehrt hatte,
       dass sein vollständiger Name noch immer im Spiegel-Archiv nachzulesen war.
       
       Eine gesellschaftlich hochspannende Entscheidung, in dem die Grundrechte
       des allgemeinen Persönlichkeitsrechts und der Pressefreiheit gegeneinander
       abgewogen werden mussten. Die Verfassungsrichter*innen entschieden hier,
       dass Ersteres Vorrang habe, und begründeten ihre Entscheidung mit dem
       zeitlichen Abstand zur Tat.
       
       Das leuchtet ein: Der Doppelmord ist 38 Jahre her, der Täter hat seine
       Haftstrafe abgesessen. Doch wirklich frei kann er nicht sein, wenn bei
       jeder Web-Suche mit seinem vollständigen Namen von neuen Nachbar*innen oder
       Arbeitgeber*innen das Wort „Mord“ prominent auftaucht.
       
       Dass Menschen nach der Verbüßung ihrer Strafe ein Recht auf
       Resozialisierung haben, ist ein wichtiger Grundsatz unser Gesellschaft. Es
       ist ein Grundsatz, der nicht nur die Unfehlbarkeit von Menschen infrage
       stellt und die Menschenwürde hochhält.
       
       ## Eine Frage wurde nicht eindeutig beantwortet
       
       Doch die Entscheidung birgt auch eine Gefahr. Es darf nicht als Schablone
       für alle Fälle umgesetzt werden. Gerade in einem Land wie Deutschland, in
       dem gut und gerne vergessen und verdrängt wird, ist es wichtig, zu
       erinnern.
       
       Doch wer hat im Zeitalter des Internets noch ein Recht auf Vergessen? Eine
       Frage, die auch in Karlsruhe nicht eindeutig beantwortet wurde.
       Ausschlaggebend ist dafür auch ein „öffentliches Interesse“ an dem Fall.
       Dieses ist jedoch juristisch nicht klar definiert, es verweist ganz
       allgemein auf Vorgänge, die die Gesellschaft betreffen.
       
       Es ist wichtig – so wie es auch das Verfassungsgericht in seiner
       Argumentation deutlich macht –, [2][dass Betroffene nicht allein darüber
       entscheiden dürfen, was vergessen wird und was nicht]. Vor allem bei
       politisch relevanten Straftaten ist der Zugang zu Informationen und Namen
       auch nach vielen Jahren noch wichtig, um Menschen zu erinnern, zu mahnen
       und weitere Straftaten zu verhindern. In Fällen wie beispielsweise dem der
       NSU-Terroristin Beate Zschäpe darf ein „Recht auf Vergessen“ niemals
       gelten.
       
       28 Nov 2019
       
       ## LINKS
       
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       ## AUTOREN
       
   DIR Carolina Schwarz
       
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