URI: 
       # taz.de -- Merkel bleibt hart beim „Agrargipfel“: Es gibt auch andere Bauern
       
       > Beim „Agrargipfel“ lässt die Kanzlerin die Bauernbewegung gegen
       > Umweltregeln abblitzen. Aber es melden sich auch kompromissbereite
       > Landwirte.
       
   IMG Bild: Fordert faire Preise für ihre Produkte: Milchbäuerin Ursula Trede beim „Agrargipfel“ im Kanzleramt
       
       Berlin taz | Beim „Agrargipfel“ im Bundeskanzleramt am Montag ist deutlich
       geworden, dass es in der Bauernschaft sehr unterschiedliche
       Lösungsvorschläge für ihre Probleme gibt. Die meisten der rund 40 Verbände
       und Initiativen aus der Branche, die sich zum Gespräch mit Kanzlerin Angela
       Merkel eingefunden hatten, stehen für eine harte Linie gegenüber
       Forderungen nach mehr Umweltschutz. Aber es gibt wichtige Ausnahmen.
       
       Merkel sicherte den Bauern zu, sie bei weiteren Natur- und
       Klimaschutzvorgaben einzubeziehen. In einer „Zukunftskommission“ werde man
       gemeinsam diskutieren. Aber die Kanzlerin machte keinen Rückzieher bei den
       Plänen für weniger Düngung und Pestizideinsatz.
       
       Am radikalsten gegen Umweltvorschriften tritt die Bewegung „[1][Land
       schafft Verbindung]“ auf. Sie hat die [2][Demonstrationen Tausender Bauern]
       Ende Oktober und November organisiert. Wegen dieser Proteste hat Merkel den
       Agrargipfel veranstaltet. Die Bewegung wendet sich vor allem gegen das
       „Agrarpaket“. Darin hat das Bundeskabinett Ende September angekündigt,
       Unkrautvernichtungsmittel und besonders schädliche Insektengifte in den
       meisten Naturschutzgebieten zu verbieten – vor allem, um das
       Insektensterben einzudämmen.
       
       Zudem sollen mehr Agrarsubventionen, die bisher vor allem für den Besitz
       von Fläche gezahlt werden, etwa Umweltprojekte von Landwirten finanzieren.
       Außerdem wenden sich die Demo-Initiatoren dagegen, dass Bauern in Gebieten,
       die durch potenziell umwelt- und gesundheitsschädliches Nitrat besonders
       belastet sind, weniger düngen dürfen. Führende Vertreter der Bewegung
       bestreiten, dass die Landwirtschaft tatsächlich die Hauptquelle für
       Nitrat-Emissionen im Grundwasser ist. Stattdessen machen sie zum Beispiel
       Kläranlagen verantwortlich, die aber hauptsächlich Oberflächengewässer wie
       Flüsse belasten. Die Bewegung will auch nicht unterschreiben, dass die
       Landwirtschaft ein maßgeblicher Verursacher des Insektensterbens ist,
       obwohl immer mehr Studien und Indizien darauf hindeuten.
       
       Der Deutsche Bauernverband ist im Ton etwas moderater. In ihm sind die
       meisten Landwirte organisiert. Seine Funktionäre haben zum Beispiel
       durchaus erkannt, dass die Bundesregierung etwas gegen die
       Grenzwertüberschreitungen von Nitrat im Grundwasser unternehmen muss.
       Schon, weil die EU sonst eine hohe Geldstrafe gegen Deutschland verhängen
       wird. Dennoch bremst der Verband, wo er kann. Er lehnt das Agrarpaket
       genauso ab wie „Land schafft Verbindung“.
       
       ## Reformen für faire Preise
       
       Auf der anderen Seite steht zum Beispiel der Bundesverband Deutscher
       Milchviehhalter. Er sieht den tieferliegenden Grund für das Höfesterben
       nicht in den Umweltvorschriften. „Kein wirtschaftlich gut aufgestellter
       Betrieb hört nur wegen weiterer Auflagen auf“, schreibt die Organisation.
       Aber weil die Preise etwa für Milch niedrig seien, gehe es vielen Höfen so
       schlecht, dass sie unter den zahlreichen Vorschriften zusammenbrächen. Der
       Verband fordert deshalb vor allem, dass die Milchbauern und die anderen
       Sektoren der Landwirtschaft jeweils [3][eine Branchenorganisation] gründen.
       Sie soll die Produktion deckeln, wenn sich drastische Preisverfälle
       abzeichnen. Damit der Staat die Organisationen anerkennt, müssten Gesetze
       geändert werden.
       
       Die Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft trägt solche Vorschläge
       mit. Sie fordert aber besonders, die jährlich EU-weit 58 Milliarden Euro
       [4][Agrarsubventionen umzuverteilen]. Es soll nicht wie bisher für jeden
       Hektar Land gleich viel Geld geben. Stattdessen sollten die Bauern mehr
       bekommen, die eine vielfältige Fruchtfolge nutzen, artenreiche Hecken und
       Wiesen schützen und nicht zu viele Tiere halten, um deren Exkremente
       ordnungsgemäß als Dünger zu entsorgen. Auch Bioverbände wie Bioland
       fordern, Agrarsubventionen stärker an Gemeinwohlleistungen zu koppeln.
       
       Gegenüber dem Deutschen Bauernverband und „Land schafft Verbindung“ haben
       diese Verbände einen Nachteil: Nur wenige der etwa 270.000 Bauern sind bei
       ihnen Mitglied.
       
       2 Dec 2019
       
       ## LINKS
       
   DIR [1] https://landschafftverbindung.de/
   DIR [2] /Landwirtinnen-protestieren-in-Berlin/!5640610/
   DIR [3] https://www.bdm-verband.de/pressemitteilungen/agrargipfel-im-kanzleramt-worten-muessen-taten-folgen/
   DIR [4] https://www.abl-ev.de/apendix/news/details/?tx_ttnews%5Btt_news%5D=2729&cHash=cf03b612b0f78cd3def8a53b61fac59c
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Jost Maurin
       
       ## TAGS
       
   DIR Landwirtschaft
   DIR Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft
   DIR Bauernverband
   DIR Schwerpunkt Angela Merkel
   DIR Julia Klöckner
   DIR CDU
   DIR Düngemittel
   DIR Schwerpunkt Pestizide
   DIR Lebensmittel
   DIR Umwelt
   DIR Landwirtschaft
   DIR Landwirtschaft
   DIR Landwirtschaft
   DIR Düngemittel
   DIR Schwerpunkt Pestizide
   DIR Düngemittel
       
       ## ARTIKEL ZUM THEMA
       
   DIR Initiative für faire Lebensmittel: Du bestimmst den Preis
       
       Wie teuer darf die Milch im Supermarkt sein? Welche Qualität soll sie
       haben? Verbraucher können das jetzt per Online-Voting selbst entscheiden.
       
   DIR Deutschlands desaströse Umweltbilanz: Verpasst oder verschoben
       
       Von Artenvielfalt bis Klimaschutz: 2020 sollen in der EU und in Deutschland
       viele Umweltziele erreicht werden. Aber die Aussichten sind düster.
       
   DIR Bauernproteste radikalisieren sich: „Sterben oder wehren“
       
       Die Initiatoren der Bauerndemos werfen der Politik vor, ihre Branche
       abschaffen zu wollen. Der gesamte Mittelstand Europas sei gefährdet.
       
   DIR Appell zum Weltbodentag: Kohle für den Kohlenstoff
       
       Mit der Rückführung von Kohlenstoff aus der Luft in den Boden kann die
       Klimakrise rückgängig gemacht werden. Bessere Ernten wären nur eine Folge.
       
   DIR „Agrargipfel“ im Kanzleramt: Mit dem Traktor gegen die Wand
       
       Wer sich wie die Bauernbewegung radikal der Realität verweigert, erreicht
       kaum etwas. Das hat der „Agrargipfel“ im Kanzleramt gezeigt.
       
   DIR Belastung der Umwelt: Zu viel Dünger
       
       Die Landwirtschaft brachte von 2008 bis 2017 deutlich mehr Stickstoff aus,
       als Pflanzen aufnehmen konnten. Das belastet Wasser, Klima und Natur.
       
   DIR Bauern gegen Umweltschutz-Auflagen: Protest gegen eigene Interessen
       
       Viele Landwirte stören sich an Vorschriften für Pestizide. Sie sollten
       lieber Agrarsubventionen für mehr Umweltschutz fordern.
       
   DIR Umweltbelastung durch Dünger: Verseuchen Bauern das Wasser?
       
       Der taz-Faktencheck zeigt: Der durchschnittliche Landwirt düngt zu viel und
       belastet das Grundwasser. Das ist eine Gefahr für Gesundheit und Umwelt.