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       # taz.de -- Senat: Mindestlohn steigt stark
       
       > Senat will Anstieg von 9,01 auf 12,50 Euro für Landesbedienstete und
       > Auftragnehmer. Das Abgeordnetenhaus muss dem noch zustimmen.
       
   IMG Bild: Die Senatorinnen Breitenbach (links) und Pop stellten Dienstag den neuen Mindestlohn vor
       
       Ein Mindestlohn von 12 Euro pro Stunde? Was die neuen SPD-Bundeschefs erst
       noch mit der CDU nachverhandeln wollen, damit es mit der Groko weitergeht,
       ist in Berlin seit Dienstag teilweise auf dem Weg. Der rot-rot-grüne Senat
       hat dazu zwei Gesetze auf den Weg gebracht, über die das Abgeordnetenhaus
       einen Mindestlohn von 12,50 Euro beschließen könnte. Die SPD-Verhandlungen
       braucht es trotzdem: Das Berliner Gesetz betrifft nur Beschäftigte des
       Landes und Firmen, die Aufträge vom Senat haben wollen.
       
       Der zuletzt Mitte 2017 von 8,50 auf 9,01 Euro angehobene Mindestlohn steigt
       bei Zustimmung des Parlaments damit um über ein Drittel. Bundesweit gilt
       seit Beginn dieses Jahres für alle Unternehmen – nicht nur Auftragnehmer
       von Behörden – ein Mindestlohn von 9,19, der ab Januar auf 9,35 Euro
       steigt.
       
       Der Festlegung des Senats vom Dienstag gingen ein über eineinhalbjährige
       Diskussionen zwischen Wirtschaftssenatorin Ramona Pop (Grüne) und
       Sozialsenatorin Elke Breitenbach (Linkspartei) voraus. Pop sprach noch im
       Mai 2018 von 10,20 Euro, was der untersten Stufe im Tarifvertrag
       entspreche. Die Sozialverwaltung hingegen forderte 12,63 Euro.
       
       Komplizierter wurde die Debatte, weil die Linksfraktion die Forderung ihrer
       Parteifreunde in der Sozialverwaltung nicht teilte und einen Betrag
       zwischen 10,50 und 11,30 Euro für richtig hielt. Dass es nun bei 12,50 Euro
       und damit nahe bei der Breitenbach-Position mündete, führte
       Grünen-Senatorin Pop auf entsprechende Erhöhungen auch im Tarifvertrag für
       die Beschäftigten des Landes zurück.
       
       Festgeschrieben ist das im Landesmindestlohngesetz. Von größerer Bedeutung
       ist aber, dass es auch in der Neufassung des Vergabegesetzes eine Rolle
       spielt. Für die Beschäftigten des Landes und seiner Betriebe hat der
       Mindestlohn nämlich nach Einschätzung von Senatorin Breitenbach kaum
       Bedeutung, weil dort keiner weniger als 12,50 pro Stunde verdiene,
       ausgenommen den geförderten öffentlichen Beschäftigungssektor.
       
       Anders ist die Lage bei privaten Arbeitgebern, für die entweder ein
       niedrigerer Tariflohn gilt oder wo es gar keine Tarif-Vereinbarungen gibt
       und die lediglich dem bundesweiten Mindestlohn von aktuell 9,19 Euro
       unterworfen sind: Sie müssen, wenn das Gesetz im Abgeordnetenhaus so
       beschlossen wird, 12,50 Euro zahlen, wenn sie einen Auftrag vom Land für
       ein Produkt oder eine Dienstleistung haben wollen. Diese Vorgabe gilt aber
       nur für den konkreten Auftrag für das Land – wenn dasselbe Unternehmen am
       nächsten Tag für einen privaten Auftraggeber tätig sind, muss ihr
       Arbeitgeber ihnen nur den bundesweit gültigen Mindestlohn oder den
       Tariflohn zahlen.
       
       Wirtschaftsvertreter hatten das kritisiert und mit Blick auf die
       Hauptstadtregion darauf hingewiesen, dass es hier drei Vorgaben gibt: das
       Bundesgesetz und die Landesmindestlöhne in Berlin und Brandenburg. Dort hat
       die neue rot-schwarz-grüne Landesregierung einen Betrag von 13 Euro in den
       Koalitionsvertrag geschrieben. Auf die Frage, warum man sich nicht
       abgestimmt habe, sagte Sozialsenatorin Breitenbach, dass die Anhebung in
       Brandenburg „nicht heute und nicht morgen passieren wird“, das Gesetz aber
       jetzt in Kraft treten solle.
       
       Die Unternehmensverbände Berlin-Brandenburg als führender Dachverband der
       Region äußerten sich nach der Senatssitzung kritisch zum
       Vergabe-Mindestlohn: In vielen Branchen werde sich die Arbeit von An- und
       Ungelernten deutlich verteuern, sagte ihr Hauptgeschäftsführer Christian
       Amsinck. „Wir erwarten, dass die Politik die Wirkungen des Gesetzes genau
       überprüft“, sagte er, „es geht immerhin um ein Auftragsvolumen von 5
       Milliarden Euro“.
       
       3 Dec 2019
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Stefan Alberti
       
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