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       # taz.de -- Neuer Bezirk Kampnitz in Potsdam: Idylle mit Tücken
       
       > Bezahlbares, stadtnahes Wohnen im Grünen: Potsdams geplanter neuer Bezirk
       > Krampnitz verspricht viel – vielleicht zu viel.
       
   IMG Bild: Brückenschlag in die City: Die Nordbrücke zwischen Potsdam und Krampnitz
       
       Keine weiten Wege zur Kita oder Schule, zum Einkaufen oder zur Arbeit.
       Vielfältige Wohnangebote wie Eigentums-, Miet- und Sozialwohnungen für
       junge und alte Menschen. Ein Zentralpark in der Mitte des neuen Stadtteils.
       Kurz: Ein All-inclusive-Quartier. Was wie Werbung klingt, ist auch welche.
       So beschreibt Potsdam seine Pläne für den neuen Stadtteil Krampnitz auf
       einer eigens dafür gemachten Webseite.
       
       Auf dem früheren Kasernengelände, nur sechs Kilometer vom Berliner
       Stadtteil Kladow entfernt, will Brandenburgs boomende Landeshauptstadt
       schon seit Jahren einen neuen Stadtteil aus dem Boden stampfen. Mit Hilfe
       von Fördermitteln sollen die Altbauten in dem Entwicklungsgebiet saniert
       und neue Wohnungen hochgezogen werden. 2012 war zunächst von Wohnraum für
       3.800 Menschen die Rede. Doch unter dem Eindruck des rasanten Wachstums und
       des Wohnungsmangels wurde die Zahl erst auf 7.000 und im vergangenen Jahr
       dann auf 10.000 erhöht.
       
       Doch wie es bei Großprojekten in Brandenburg (Cargolifter, Chipfabrik,
       Lausitzring, [1][BER]) manchmal ist, drohen nun auch in Potsdam Anspruch
       und Realität auseinanderzuklaffen. Die Stadt sah sich gezwungen, bei dem
       Projekt auf die Bremse zu treten. Hintergrund sind Planungsmängel bei der
       Verkehrsanbindung.
       
       Anfang Dezember musste Baudezernent Bernd Rubelt (parteilos) einräumen,
       dass die Straßenbahntrasse in das sieben Kilometer vom Potsdamer Zentrum
       entfernte Viertel erst 2029 fertig wird – und nicht wie ursprünglich
       gedacht 2025. Kritiker hatten ohnehin ein Verkehrschaos in der Zeit
       befürchtet, bis die Tram in Betrieb geht. Sie sehen sich nun bestätigt.
       
       Die idyllische Lage des 140 Hektar großen alten Kasernengeländes zwischen
       zwei Seen und dem Naturpark Döberitzer Heide bringt nämlich auch Probleme
       mit sich: Krampnitz ist mit der Potsdamer Innenstadt nur mit der
       Bundesstraße 2 verbunden, die über zwei Brücken verläuft. Schon heute gibt
       es im Berufsverkehr regelmäßig Stau, in dem auch die Busse stehen.
       
       ## Anwohner wollen klagen
       
       Für eine Tramtrasse müssten also zusätzliche Brücken gebaut werden. Doch
       viele Fragen sind noch ungeklärt. So muss die Stadt erst noch rund 60
       Grundstücke entlang der Strecke erwerben, und die ersten Anwohner dort
       haben schon Klagen angekündigt. Auch die Finanzierung des auf 200 Millionen
       Euro geschätzten Tramprojekts ist noch nicht abschließend geklärt. Für die
       Strecke selbst könnte es zwar Hilfe vom Bund geben, die mindestens sechs
       Fahrzeuge und den neuen Betriebshof müsste der ohnehin defizitäre
       Verkehrsbetrieb möglicherweise allein stemmen. Am Ende landet die Rechnung
       dann bei der Stadt.
       
       Oberbürgermeister Mike Schubert (SPD) hat angesichts der vielen offenen
       Fragen erst mal verfügt, dass Krampnitz nicht über 5.000 Einwohner hinaus
       wachsen soll, bis die Tram funktioniert. Damit liegt allerdings auch
       [2][der Bau einer weiterführenden Schule auf Eis] – so viel zu den kurzen
       Wegen. Immerhin stehen eine Grundschule und vier Kitas nicht infrage.
       
       Das Projekt hat eine lange – und für die Landesregierung unrühmliche –
       Vorgeschichte. Anfang der 2000er Jahre verkaufte das Land Brandenburg die
       Flächen an einen Investor. Allerdings stellte sich bald heraus, dass es
       sich nicht wie gedacht um einen großen dänischen Immobilienkonzern
       handelte, sondern nur um eine Firma mit ähnlichem Namen. Das Land verlangte
       die Rückabwicklung des Verkaufs.
       
       Es war der Auftakt eines jahrelangen Rechtsstreits, der erst befriedet
       wurde, als mit dem börsennotierten Immobilienkonzern Deutsche Wohnen 2017
       einer der großen Player in das Projekt einstieg. Das Land bekam das
       Grundstück zurück und verkaufte es an den städtischen Entwicklungsträger,
       der wiederum 18 Prozent der Fläche und den Großteil der denkmalgeschützten
       Gebäude an die Deutsche Wohnen weiterverkaufte.
       
       Die Beteiligung des Konzerns sorgt nun allerdings auch dafür, dass die
       Stadt bei dem Projekt gebunden ist. Eigentlich hatte der Konzern geplant,
       in diesem Jahr mit den Sanierungen anzufangen. Anfang 2022 sollten die
       ersten Bewohner einziehen. Rund 500 Wohnungen sollen allein in den
       denkmalgeschützten Altbauten untergebracht werden. 900 weitere will das
       Unternehmen neu bauen – ohne Fördermittel für Sozialwohnungen.
       
       ## Der Zeitplan bleibt vage
       
       Nun wolle man sich die Terminplanung unter den veränderten Bedingungen
       gemeinsam mit der Stadtverwaltung ansehen, teilte der Konzern auf
       taz-Anfrage mit. Gespräche liefen bereits. „Die Entwicklungen rund um die
       Verkehrsanbindung, insbesondere die Tram, sind entscheidend für die spätere
       Wohnqualität vor Ort“, hieß es weiter. Eine Frage nach Auswirkungen auf den
       Zeitplan ließ der Konzern unbeantwortet.
       
       Über die Verzögerungen bei der Tramplanung waren bereits im Frühjahr die
       beiden Geschäftsführer des Verkehrsbetriebs gestürzt. Ihre dauerhafte
       Nachfolge ist bis heute nicht geklärt – nicht die beste Voraussetzung, um
       ein Großprojekt zu bewältigen.
       
       Wird der Stadtteil später fertig und möglicherweise auch kleiner, könnte
       das durchaus stadtweite Auswirkungen haben. In der Landeshauptstadt gibt es
       nämlich keine Wohnungsbauflächen im Umfang von Krampnitz mehr. „Alle
       anderen Potenzialflächen in der Stadt sind deutlich kleiner, was die
       Bedeutung der Entwicklung von Krampnitz zur Bereitstellung von ausreichend
       Wohnraum – auch zu günstigen Mieten – unterstreicht“, sagte Stadtsprecherin
       Christine Homann der taz.
       
       Eigentlich war vorgesehen, dass in Krampnitz auch die kommunale Bauholding
       Pro Potsdam und mehrere Genossenschaften [3][Sozialwohnungen bauen]. Deren
       Zahl könnte nun vorerst kleiner ausfallen.
       
       Bisher hatte Potsdam beim Wohnungsbau ein deutlich höheres Tempo als Berlin
       vorgelegt. Bezogen auf die Einwohnerzahl werden seit Jahren drei- bis
       viermal so viele neue Wohnungen gebaut wie in Berlin. Freie Wohnungen sind
       dennoch Mangelware: Die Leerstandsquote liegt nach Angaben der
       Stadtverwaltung aktuell bei nur 1,43 Prozent, bei vermietbaren Wohnungen
       sogar nur bei 0,59 Prozent. Und die Mieten stiegen zuletzt sogar schneller
       als in Berlin. Nach Angaben des Verbandes Berlin-Brandenburgischer
       Wohnungsunternehmen (BBU) wurden 2018 bei Neuverträgen im Durchschnitt 7,27
       Euro Kaltmiete pro Quadratmeter fällig, 6,3 Prozent mehr als im Jahr 2017.
       
       25 Dec 2019
       
       ## LINKS
       
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       ## AUTOREN
       
   DIR Marco Zschieck
       
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