# taz.de -- Prozess um Großauftrag der BVG: Alstom kann nicht loslassen
> Das Kammergericht hält wenig von der Beschwerde des Fahrzeugbauers Alstom
> gegen die BVG – der bei der Vergabe unterlegene Konzern gibt aber nicht
> auf.
IMG Bild: Wirklich ungewiss ist der Ausgang des Verfahrens nicht – nur der Zeitpunkt.
Das Schweigen in Saal 449 des Berliner Kammergerichts am Kleistpark dauerte
gefühlt Minuten: Richterin Cornelia Holldorf hatte den Prozessbeteiligten
gerade zum wiederholten Mal nahegelegt, einen Modus vivendi zu finden, der
eine weitere zeitliche Ausdehnung des vergaberechtlichen Verfahrens
überflüssig machen würde.
Aber nein: Die Anwälte des Beschwerdeführers – des
Schienenfahrzeugherstellers Alstom – beharrten auf ihrem Antrag auf erneute
Akteneinsicht. Auf der anderen Seite weigerten sich die VertreterInnen der
BVG, dem Kontrahenten mit einer Aufteilung der Gerichtskosten
entgegenzukommen – wodurch Alstom möglicherweise darauf verzichtet hätte,
den Beschluss des Gerichts weiter zu verzögern.
Wie der ausfallen würde, war im Grunde seit den ersten Minuten des Termins
am Freitag klar: Die Richter, die sich bereits im Vorfeld intensiv mit dem
Fall befasst hatten, konnten nicht nachvollziehen, dass Alstom bei der
größten Auftragsvergabe in der Geschichte der BVG benachteiligt worden
wäre. Im Mai hatte das Verkehrsunternehmen die Bestellung von 1.500
U-Bahn-Wagen und entsprechenden Ersatzteilen dem Alstom-Konkurrenten
Stadler Pankow zugeschlagen. Es geht um ein Volumen von rund 3 Milliarden
Euro.
Diesen saftigen Rahmenvertrag nicht ergattert zu haben, ließ Alstom nicht
kalt: Der börsennotierte französische Konzern, der allein in Deutschland
rund 2.500 Mitarbeiter beschäftigt, zog erst mit einem sogenannten
Nachprüfungsantrag vor die Vergabekammer bei der Senatsverwaltung für
Wirtschaft, und als seine Rügen dort nicht erhört wurden, weiter vor die
letztmögliche Instanz, das Kammergericht. So viel Beharrlichkeit gilt in
der Branche als eher unüblich, immerhin genießt die Vergabekammer einen
hochseriösen Ruf, und durch den immensen Streitwert bewegen sich die
Gerichtskosten im niedrigen einstelligen Millionenbereich.
In ihrem Eingangsstatement zählte Richterin Holldorf noch einmal die vielen
von Alstom gerügten Punkte auf, nur um jedesmal klarzustellen, dass sie und
ihre Kollegen die Vorwürfe nicht nachvollziehen konnten. Dass die BVG im
Laufe des Verfahrens die Bewertungsmethode für die Angebote geändert habe,
dass Zuschlagskriterien nicht überprüfbar gewesen seien, dass die
verschiedenen Anbieter unterschiedliche Fristverlängerungen bekommen hätten
und es telefonische Absprachen gegeben habe – all das konnte das Gericht
nicht erkennen.
Zum Vorwurf, der von Stadler gebotene Preis könne für den Hersteller gar
nicht auskömmlich sein, sagte Holldorf, es sei „nicht zu sehen, woher Sie
das nehmen“. Die Aussage, Alstom selbst könne die geforderte Qualität zu
solchen Preisen nicht anbieten, reiche jedenfalls nicht als Beweis.
## Entscheidung verzögert sich um Wochen
Die Alstom-Anwälte ließen dennoch nicht locker und ignorierten die
Empfehlung der Richterin an ihren Mandanten, „jetzt einfach mal loszulassen
und sich neuen Aufträgen zu widmen“. Ihr Antrag auf Akteneinsicht muss
jetzt vom Gericht geprüft werden. Wenn es dazu kommt, bleibt dem
beschwerdeführenden Konzern noch eine mehrwöchige Frist zur Stellungnahme.
Mehr als eine Verzögerung der Gerichtsentscheidung und damit der
Auftragsvergabe – möglicherweise bis ins kommende Jahr – scheint nicht
herauszuholen zu sein. Bei Alstom sieht man sich aber offenbar in der
Pflicht gegenüber seinen Anteilseignern und deren gesteigertem
Renditeinteresse.
Die BVG will sich laut Sprecherin Petra Nelken zum immer noch laufenden
Verfahren nicht äußern. Dass die ersten neuen U-Bahnen wie geplant im Jahr
2021 den maroden Fuhrpark der BVG ergänzen, dürfte aber mittlerweile
ausgeschlossen sein.
15 Nov 2019
## AUTOREN
DIR Claudius Prößer
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