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       # taz.de -- Öffentlichkeitsarbeit der Bundeswehr: Militärkapellen rüsten auf
       
       > Weil die Bundeswehr schrumpfte, strich sie Militärkapellen. Nun steckt
       > sie wieder mehr Geld in die Musik. Das gefällt nicht allen.
       
   IMG Bild: Stabsmusikkorps der Bundeswehr im Sommer 2019 in Berlin
       
       Berlin taz | Als das neue Marinemusikkorps Wilhelmshaven im Oktober seinen
       ersten Auftritt hinlegt, darf „Frei weg!“ nicht fehlen. Der Militärmarsch
       im flotten Sechsachteltakt gehört zum Kulturgut der Hafenstadt. Ein in der
       Stadt stationierter Marinekapellmeister hatte ihn geschrieben, als
       Deutschland noch Kaiserreich war. Bis heute gehört das Stück zu den
       beliebtesten deutschen Militärmärschen. Keine Frage also, dass ihn auch die
       frisch in Dienst gestellte Blaskapelle beim Gründungsfestakt spielen
       musste.
       
       Für Wilhelmshaven war die Veranstaltung in der Kaserne Ebkeriege ein
       Ereignis. Nach über fünf Jahren ohne eigenes Militärorchester hat die
       Nordseestadt seit dem 1. Oktober wieder ein Musikkorps. Und auch für die
       Bundeswehr war der Termin ein kleiner Wendepunkt: Zum ersten Mal seit
       Jahren hat sie ein neues Orchester gegründet.
       
       Genau wie die ganze Bundeswehr waren zwischenzeitlich auch die
       Militärmusikeinheiten auf Schrumpfkurs. Dieser Trend ist spätestens mit der
       Neugründung an der Nordseeküste umgekehrt. Der Kurswechsel geht mit einer
       Kostensteigerung einher: Noch vor fünf Jahren gab die Bundeswehr abzüglich
       Personalkosten nur knapp 6,5 Millionen Euro im Jahr für ihre Orchester aus.
       Inzwischen liegen die jährlichen Kosten dagegen konstant über zehn
       Millionen Euro. Das geht aus Zahlen hervor, die der Bundestagsabgeordnete
       Tobias Pflüger (Linkspartei) beim Verteidigungsministerium abgefragt hat
       und die der taz vorliegen.
       
       Mit dem Musikkorps in Wilhelmshaven unterhält die Bundeswehr mittlerweile
       15 Orchester. Der Großteil sind typische Militär-Blaskapellen, daneben gibt
       es aber auch eine Bundeswehr-Bigband und ein eigenes Ausbildungsmusikkorps.
       
       Die Orchester treten zum Beispiel auf, wenn Truppen in den Einsatz
       verabschiedet werden oder wenn der Bundespräsident einen Staatsgast
       empfängt. Für Benefizkonzerte können private VeranstalterInnen die Kapellen
       kostenlos buchen. Entsprechend gefragt sind die Bundeswehr-MusikerInnen:
       Den Angaben des Verteidigungsministeriums zufolge gab es seit dem Jahr 2014
       über 2.000 öffentliche Auftritte.
       
       ## PR fürs Militär
       
       Die Konzerte erfüllen für die Bundeswehr einen wichtigen Zweck: [1][PR fürs
       Militär]. „Im Rahmen der Öffentlichkeitsarbeit engagiert sich die
       Militärmusik in zahlreichen sozialen und karitativen Projekten. Sie fördert
       damit die Identifikation mit der Bundeswehr und ihre Verankerung in der
       Gesellschaft“, heißt es etwa in der Antwort des Verteidigungsministeriums
       an den Abgeordneten Pflüger.
       
       Den Aufwand, den sie für diese Art der Werbung betreibt, hatte die
       Bundeswehr kurzzeitig deutlich zurückgefahren. Der Bundesrechnungshof hatte
       sie vor 15 Jahren dazu aufgefordert, weil nach dem Ende des Kalten Kriegs
       die Musikeinheiten nicht im gleichen Maße geschrumpft waren wie der Rest
       der Armee. Vier Musikkorps wurden daraufhin im Jahr 2014 geschlossen,
       darunter das damalige Marinemusikkorps Nordsee in Wilhelmshaven.
       
       Schon seit 2017 geht es aber wieder in die andere Richtung. Damals stiegen
       die Jahreskosten auf über 11 Millionen Euro. Auf Nachfrage der taz
       begründet das Ministerium die höheren Kosten mit zwei Neuerungen. Einer
       Sprecherin zufolge wurde damals der Rahmenvertrag für die Konzerttechnik
       der Bundeswehr-Bigband „in seinem Umfang deutlich erweitert“, zum Beispiel
       in Bezug auf die Bühnentechnik.
       
       Außerdem veranstalte das deutsche Militär seit 2017 jährlich das „Musikfest
       der Bundeswehr“ als „internationales Militärmusikfestival für die ganze
       Familie, was sich ebenfalls in den Gesamtkosten niederschlägt“. In diesem
       Jahr fand die Veranstaltung moderiert von [2][Fernsehstar Johannes B.
       Kerner] in Düsseldorf statt.
       
       ## Umstrittenes Comeback
       
       Mit der Indienststellung des Marinemusikkorps Wilhelmshaven kommen jetzt
       noch neue Kosten hinzu. 56 Dienstposten sind dort langfristig vorgesehen.
       In diesem Jahr hat das Korps knapp 47.000 Euro für Instrumente und Noten
       ausgegeben.
       
       Auf die Neugründung hatten sich vor einem Jahr die Abgeordneten der Großen
       Koalition im Haushaltsausschuss geeinigt. Siemtje Möller, örtliche
       Bundestagsabgeordnete der SPD, freute sich damals über ein „wichtiges
       Zeichen der Wertschätzung gegenüber den Soldatinnen und Soldaten, die für
       unser Land im Einsatz sind“. Wenn Marineschiffe zum Einsatz ausfahren,
       werden sie traditionell mit Musik verabschiedet. Solange es in
       Wilhelmshaven keine Militärkapelle gab, kamen die Märsche vom Band. Das
       wird sich jetzt wieder ändern.
       
       Von anderer Seite kommt dagegen Kritik am Comeback der Militärmusik. „Die
       Kosten für Militärmusik steigen beziehungsweise stiegen die letzten Jahre
       enorm an“, sagte der Linken-Abgeordnete Tobias Pflüger der taz. „Durch die
       Auftritte der Musikkorps soll die Bundeswehr in der Öffentlichkeit positiv
       präsentiert und Militärisches in der Gesellschaft normalisiert werden.“
       Seine Partei lehne „Akzeptanzschaffung für die Bundeswehr durch
       Militärmusik“ ab.
       
       Technische Mitarbeit: Alexander Kasper
       
       24 Nov 2019
       
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