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       # taz.de -- Wohnraum für Obdachlose in Hamburg: „Immer Partei ergriffen“
       
       > Das Bündnis Stadtherz fordert voraussetzungslosen Wohnraum für
       > Obdachlose. Im Münzviertel setzen sich die AnwohnerInnen selbst dafür
       > ein.
       
   IMG Bild: Freier Platz im Münzviertel – nicht nur für Vier-Sterne-Hotels
       
       taz: Das Bündnis Stadtherz fordert „Housing first“, also
       voraussetzungsloses Wohnen für Obdachlose – auch, aber nicht nur im
       Münzviertel. Wie kam es dazu, Herr Westphal? 
       
       Günter Westphal: Wir haben uns vor zwei Jahren in der kritischen
       Auseinandersetzung mit der Neubebauung des City-Hofs, der in unmittelbarer
       Nähe des Münzviertels liegt, gegründet. Wir hatten festgestellt, dass beim
       [1][Verkauf des Geländes] eine soziale Stadtplanung überhaupt nicht
       berücksichtigt wurde. Es gab dort etwa eine niedrigschwellige Anlaufstelle
       in den City-Hochhäusern, die ihren Platz verlassen musste. Meine Frage war:
       Warum dort nicht eine Herberge für Obdachlose errichten statt ein
       Vier-Sterne-Hotel?
       
       Ist dieser Kampf durch den Abriss und die Vergabe an einen Investor
       inzwischen gescheitert? 
       
       Das ist noch nicht ganz geklärt. Es gibt noch keine Baugenehmigung für den
       Neubau. Deswegen ist es ganz wichtig, dass wir jetzt Duftmarken setzen und
       sagen: Beim Wohnungsbau sollen auch Wohnungen für Obdachlose bereitgestellt
       werden. Die Politik fängt immer erst im Nachhinein an, nach Lösungen zu
       fragen, anstatt sich beim Verkauf darum zu kümmern. Hinterher ist man dann
       erstaunt, keine Plätze zu finden.
       
       Es ist ungewöhnlich, dass AnwohnerInnen nicht nur in Kauf nehmen, dass
       Obdachlose ihre Nachbarn sind, sondern es sogar aktiv einfordern. 
       
       Da kommt das Münzviertel ins Spiel. Dadurch, dass man oben in St. Georg
       alles saniert hat, sind die Sozialeinrichtungen zu uns gezogen, etwa die
       Stadtmission, die jetzt „Hoffnungsorte“ heißt oder das Drob Inn für
       Drogenabhängige. Unser Selbstverständnis ist, dass wir alle gut miteinander
       auskommen und jedem zugestehen, ein Individuum mit eigenen Wünschen und
       Schwächen zu sein. Deswegen haben wir immer Partei ergriffen, damit es uns
       gut geht – und den anderen auch. Deswegen haben wir auch das [2][Werkhaus]
       gegründet, als künstlerisches Lernangebot für obdachlose und asylsuchende
       Jugendliche.
       
       Sowohl bei den InitiatorInnen des Werkhauses als auch beim [3][Bündnis
       Stadtherz] ist die Trägerschaft ungewöhnlich breit: Da treffen sich
       Studierende, KünstlerInnen und Engagierte aus dem Sozialbereich. Woher
       kommt diese Mischung? 
       
       Das sind die Säulen: Kunst und Soziales zusammenzubringen. Ich zum Beispiel
       bin Künstler, nicht Sozialarbeiter. Ich gehe davon aus, dass man
       künstlerische Kriterien, die Überzeugung, dass zuerst das Individuum kommt,
       auch im sozialen und politischen Raum nutzt. Wir haben immer Verbündete
       gesucht und versucht, über den Tellerrand zu gucken.
       
       Wie ist die Resonanz der Politik auf die Initiative? 
       
       CDU, FDP und Linke haben sich alle gegen den Abriss ausgesprochen. Die
       Grünen haben nicht den Mut gehabt, dagegen zu sprechen. Deswegen ist es
       auch interessant, wie das nach der Wahl weitergeht. Was mir noch wichtig
       ist: Es geht nicht nur um die City-Häuser, sondern auch um das ehemalige
       Grundstück der Gehörlosenschule. Das war öffentliches Grundstück, auch da
       hat man beim Verkauf nicht darauf geachtet, dass soziale Einrichtungen auf
       den Platz kommen, etwa Wohnungen für unsere Werkhäusler. Der
       Projektentwickler hat sich sehr dagegen gesträubt und gesagt, er könne das
       dann nicht an Investoren verkaufen. Dann gab es einen Investoren-Wechsel
       und nun wird es eine Einrichtung der Diakonie für Obdachlose geben.
       
       8 Dec 2019
       
       ## LINKS
       
   DIR [1] /Gutachter-geben-gruenes-Licht/!5579291
   DIR [2] http://www.werkhaus-muenzviertel.de/
   DIR [3] http://www.buendnisstadtherz.org/
       
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   DIR Friederike Gräff
       
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