URI: 
       # taz.de -- Tod in Sozialen Medien: Kein Recht auf Ewigkeit
       
       > Twitter will lange inaktive Accounts löschen. Doch nach Protesten zum
       > Umgang mit Accounts Verstorbener wird die Aktion verschoben.
       
   IMG Bild: Na, wann waren Sie zuletzt eingeloggt bei Twitter?
       
       Vor einiger Zeit hatte ich eine Freundschaftsanfrage auf Facebook. Ein mir
       unbekannter Mensch, allerdings mit einer größeren Zahl gemeinsamer
       Freund*innen. Schau ich mir später an, dachte ich. Ein paar Tage darauf
       wurden mir mehrere Posts mit dem Unbekannten, den ich schon längst wieder
       vergessen hatte, in die Timeline gespült. Beileidsbekundungen. Noch lange
       stand seine Freundschaftsanfrage unbeantwortet da. Sie abzulehnen erschien
       mir nun irgendwie pietätlos, sie anzunehmen aber auch. Irgendwann war die
       Anfrage weg, der Account ebenfalls, vielleicht gelöscht von Angehörigen,
       die es ja bisweilen nicht ganz leicht [1][mit dem digitalen Nachlass von
       Verstorbenen haben].
       
       Das Thema macht derzeit ein wenig die Runde, da Twitter angekündigt hatte,
       ab Mitte Dezember Konten löschen zu wollen, in die sich für mehr als ein
       halbes Jahr niemand eingeloggt hat. Die Bereinigung ungenutzter Konten ist
       keine große Sache. Das trifft vor allem Menschen, die einfach keine Lust
       mehr auf den Dienst hatten, verwaiste Werbeaccounts, Testkanäle und
       dergleichen. Es gibt kein Recht auf Ewigkeit, nicht einmal für aktive
       Accounts. Twitter zu nutzen ist schließlich kostenlos. Wer Gedanken und
       Bilder auf einer proprietären Plattform lagert, muss damit leben, dass
       jemand anderes über die Halbwertzeit dieser Daten entscheidet.
       
       Was aber, wenn jemand stirbt? Nun ja, diese Person ist dann tot. Schreibt
       keine Briefe mehr, macht keine Fotos, folgt niemandem, twittert nicht mehr.
       Bei Twitter überlegt man nach Protesten einen neuen Umgang mit den Accounts
       Verstorbener und [2][verschiebt die Aufräumaktion so lange, bis es eine
       Lösung gibt].
       
       Was nichts daran ändert, dass es keine tradierte Kulturtechniken für den
       Umgang mit gegebenenfalls weit verstreuten digitalen Zeugnissen eines
       vergangenen Lebens gibt. Diese nicht rechtzeitig unabhängig von den
       Konjunkturen der Social-Media-Plattformen oder deren periodischen
       Entrümpelungen und anderer Willkür zu machen, ist stillschweigendes
       Einverständnis mit deren Macht über unser Leben, noch über dessen Ende
       hinaus. Zum Beispiel ein Masterpasswort für Erben zu hinterlegen kann da
       Abhilfe leisten – vor allem auch dann, wenn eine automatische Löschfrist
       von sechs Monaten noch zu lang erscheint.
       
       28 Nov 2019
       
       ## LINKS
       
   DIR [1] /Digitaler-Nachlass/!5125930
   DIR [2] https://twitter.com/twittersupport/status/1199777312054493184
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Daniél Kretschmar
       
       ## TAGS
       
   DIR Soziale Medien
   DIR Twitter / X
   DIR Tod
   DIR Zukunft
   DIR Lesestück Recherche und Reportage
   DIR Heinrich Himmler
   DIR Schwerpunkt Meta
       
       ## ARTIKEL ZUM THEMA
       
   DIR Expertin über Tod in sozialen Medien: „Trauer braucht keine smarte Lösung“
       
       Ein Mensch stirbt, doch sein Instagramprofil bleibt. Elaine Kasket gibt
       Tipps, wie sich der digitale Nachlass regeln lässt.
       
   DIR Bestattungsbranche im Netz: Ich-bin-dann-mal-weg.de
       
       Online erinnern, Bestattungen organisieren, den digitalen Nachlass
       verwalten: Wie verändert Digitalisierung den Umgang mit dem Tod?
       
   DIR Neue Found-Footage-Filme: Ja, schönen Dank auch, Heini lebt
       
       Zwei neue Filme sind fast ausschließlich aus Archivbildern montiert:
       Vanessa Lapas „Der Anständige“ und Göran Hugo Olssons „Concerning
       Violence“.
       
   DIR Digitaler Nachlass: Tot, aber nicht aus der Welt
       
       Wer stirbt, ist noch lange nicht offline. Das Facebook-Profil bleibt, der
       Mail-Account empfängt Nachrichten – und manchmal schlüpfen Angehörige ins
       digitale Ich der Toten.