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       # taz.de -- Rassistische Schmähungen im Fußball: Doppelte Missachtung
       
       > Was Rassismus ist, weiß die italienische Zeitung „Corriere dello Sport“
       > besser als die Opfer. Dafür wird sie nun heftig kritisiert.
       
   IMG Bild: Opfer rassistischer Wortspiele: Stürmer Lukaku spricht von der „dümmsten Überschrift“
       
       Hoho. Die italienische Sportzeitung Corriere dello Sport hat jüngst, als
       und weil im Einzelhandel der Schnäppchenfreitag anstand und weil sie auf
       das Spitzenspiel der Serie A zwischen Inter Mailand und AS Roma hinweisen
       wollte, „Black Friday“ getitelt. Zu sehen waren der Roma-Profi Chris
       Smalling und der Inter-Profi Romelu Lukaku, beide Fußballer mit schwarzer
       Hautfarbe. Sollte halt ein lustiges Sprachspiel sein. Hoho.
       
       Lukaku, einer der zwei abgebildeten Profis, kommentierte bei
       [1][Instagram]: „Ihr Typen befeuert das Negative und das Thema Rassismus“,
       das Wortspiel sei die „dümmste Überschrift, die ich in meiner Karriere je
       gesehen habe“. Sein Kollege Smalling schrieb auf Twitter, das Cover des
       Corriere dello Sport sei „falsch und höchst taktlos“.
       
       Nö, nö, nix Rassismus, wehrte sich die Redaktion, die beiden seien doch auf
       vielen Ebenen vergleichbar: Beide waren sie früher bei Manchester United,
       beide wehrten sich dort und in Italien gegen Rassismus und befreundet seien
       sie doch auch. Die doch wesentlich näher liegende Assoziation, dass hier
       zwei Menschen zum Billigverkauf angeboten werden, eine Anspielung auf
       Sklaverei, wollen die Blattmacher auch nach längerer gesellschaftlicher
       Debatte über ihren Titel nicht erkennen.
       
       Nee, nä? Es ist die Leier, die immer zu hören ist, wenn Leute bei etwas zu
       überdeutlichem Rassismus erwischt werden: „Wir doch nicht“, heißt es, denn
       als Rassist möchte ja keiner gelten. Oder mit „Die sind garantiert keine
       Rassisten“ wird den Ertappten zur Seite gesprungen, denn „das hätten wir ja
       bemerkt“. Ähnliche Phänomene gibt es auch bei anderen
       Unterdrückungsideologien, seien es Homophobie, Sexismus, Antiziganismus
       oder [2][Antisemitismus]. Auch da würde der jeweils „eigentliche“ Hass ja
       immer von der Mehrheitsgesellschaft sofort bemerkt. Weiß man ja.
       
       Woher dieses Selbstbewusstsein rührt, sich selbst als sensibler Experte für
       Sachen zu bezeichnen, von denen man nichts weiß und die man nicht einmal
       dann bemerkt, wenn sie nicht zu übersehen oder zu überhören sind, ist eine
       spannende Frage. Es geht einher mit der festen Überzeugung, mehr davon zu
       wissen als die, die gemeint sind.
       
       ## Arrogante Selbstsicht
       
       Das ist das Besondere dieses so schrägen Diskurses über Rassismus, gerade
       im Fußball: Dass die Stellungnahmen derer, die da geschmäht wurden, nichts
       gelten sollen, weil ja die Horde selbst ernannter – und selbstverständlich
       weißer – neutraler Experten um die Ecke kommt, die wissen, dass sich die
       Schwarzen „nicht so haben sollen“, dass da ganz „viel Hysterie“ im Spiel
       ist, dass die ja alle „überempfindlich“ sind et cetera.
       
       Gerade im Fußball kommt gern noch die besonders arrogante Selbstsicht
       europäischer Eliten hinzu: Fußballer seien ja eh nicht allzu helle und
       sollten folglich bei der Erörterung einer so diffizilen Frage wie der, ob
       etwas rassistisch ist, nicht mitreden. Das gilt allgemein für Fußballer,
       noch mehr für Kicker aus gesellschaftlichen Minderheiten, und wenn deren
       Wurzeln noch aus Europa wegweisen, sollen die doch eh ihren Mund halten.
       Romelu Lukaku ist gebürtiger Belgier aus Antwerpen, Chris Smalling ein
       Engländer aus London, „aber“, wird der gebildete Rassist rufen, des einen
       Eltern kommen aus Zaire, der andere hat jamaikanische Vorfahren.
       
       Rassismus hält sich gerade deswegen im Fußball so lange – und kommt sich
       selbst dabei so schrecklich unschuldig und unrassistisch vor –, weil er
       sich einer doppelten Missachtung bedient: Diskriminiert werden die, für die
       Herrenmenschen dereinst die Kategorie „Rasse“ erfunden haben. Zudem werden
       die verächtlich behandelt, denen sich diese Elite intellektuell überlegen
       wähnt.
       
       12 Dec 2019
       
       ## LINKS
       
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       ## AUTOREN
       
   DIR Martin Krauss
       
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