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       # taz.de -- Hamburger Nahverkehrs-Ideen: Grüne ziehen rote Karte
       
       > Hamburgs Grüne wollen mehr Menschen vom Auto wegbringen – im Sinne des
       > Klimaschutzes und möglichst sozial gerecht.
       
   IMG Bild: Fünf Bausteine: Alles auf einmal wollen aber nicht mal die Grünen selbst einführen
       
       Hamburg taz | Man möchte so was natürlich nicht überinterpretieren. Aber
       zunächst hatte Hamburgs Grünen-Spitze ja ins Rathaus geladen. Präsentieren
       wollte man eine Idee für einen besseren Nahverkehr, genauer: ein neues
       Tarifsystem für den Hamburger Verkehrsverbund (HVV).
       
       Das taten Katharina Fegebank, Zweite Bürgermeisterin mit der erklärten
       Ambition auf Höheres, und Fraktionschef Anjes Tjarks dann am späten
       Freitagvormittag auch – aber in der Geschäftsstelle der Partei, ein paar
       Minuten entfernt vom Rathaus; ein paar Minuten zu Fuß, um ganz genau zu
       sein.
       
       Bedeutsam wirkte diese Raumänderung, weil auch das, was dann vorgestellt
       wurde, Sachpolitik nur unter anderem gewesen sein könnte – und umso mehr
       das Unterstreichen grüner Unverwechselbarkeit: Es stehen ja Wahlen an, früh
       im neuen Jahr.
       
       Wie es aber um den Nahverkehr bestellt ist und wie er besser werden könnte
       in einer wachsenden Stadt, dieses Thema hatte gerade erst der
       Koalitionspartner zu besetzen versucht: mit der [1][Vorstellung eines
       kommenden „Hamburg-Takts“] und allerlei anderen ÖPNV-Verbesserungen am
       Mittwoch. Eigentlich war’s natürlich der ganze Senat, der dazu eingeladen
       hatte, bloß: Wer war da neben den Vertretern der Verkehrsunternehmen vor
       die Journalist*innen getreten? Der Erste Bürgermeister, Peter Tschentscher
       (SPD).
       
       ## Mehr Köpfe, weniger Kosten
       
       Waren es am Mittwoch irgendwie auch grüne Pläne, galt es die am Freitag nun
       als umso grüner zu verkaufen. Und war es da um Ausbau und Erweiterung und
       technische Innovation gegangen, setzten die Grünen nun auf eine gern als
       rot wahrgenommene Schlüsselkompetenz: das Soziale.
       
       Denn das neue Tarifsystem sei, klar, auch „klimafreundlich“, so eröffnete
       Fegebank am Freitag. Zum Erreichen der Klimaziele sei es nötig, dass etwa
       ein Drittel aller Wege in der Stadt zum Ende des Jahrzehnts mit dem ÖPNV
       zurückgelegt würden. [2][„Klima hat viel mit Verkehr zu tun“], so Fegebank.
       
       Genutzt werden Busse und Bahnen besonders stark von Menschen der unteren
       Einkommensgruppen; Menschen, die sich kein Auto leisten könnten, sagte
       Tjarks. Habe stets gegolten: „Mehr Köpfe, mehr Kosten“, sage man mit dem
       neuen Konzept: „Mehr Köpfe, weniger Kosten.“
       
       Fünf Bausteine wollen die Grünen einführen, um bei immer mehr
       Einwohner*innen und wachsenden Mobilitätsbedürfnissen trotzdem den Anteil
       des Autoverkehrs zu senken – gerichtet an Schüler*innen, Familien, jungen
       Erwachsene sowie Senior*innen, also solche Gruppen, die entweder weniger
       Budget haben oder besondere Lasten schultern müssen.
       
       Herzstück ist ein neues Familienticket, denn Familien haben derzeit noch zu
       einem besonders hohen Anteil ein Auto – oder gleich mehrere davon: Sobald
       mindestens ein Kind im Haushalt lebt, sinkt im neuen Tarifsystem der Preis:
       So zahlen zwei Erwachsene und ein Kind ab zehn Jahre zusammen monatlich 150
       Euro für ein Abonnement-Ticket – derzeit sind es gut 220 Euro Gesamtkosten.
       
       ## Den Lebenslagen angemessen
       
       Bei drei oder mehr Kindern würden insgesamt 190 Euro anfallen statt der 290
       Euro, die es derzeit sind. Kinder unter zehn Jahren würden grundsätzlich
       kostenlos fahren, derzeit gilt das für Kinder bis sechs Jahre. Dabei wollen
       die Grünen keine allzu überkommenen Definitionen davon zugrunde legen, was
       eine Familie ist – es können auch Enkelkinder sein oder adoptierte (und
       dass es Vater, Mutter, Kind sein müssen, das dichtete die dpa dem Konzept
       ohne Not an).
       
       Kinder sind in diesem Zusammenhang Menschen bis zum 21. Lebensjahr. Daran
       schließt sich eine preisreduzierte Monatskarte für junge Erwachsene bis 30
       Jahre an: Sie würden statt wie derzeit 90 Euro nur 60 Euro zahlen. Für
       Schüler*innen und Auszubildende gäbe es eine Jahreskarte zum Preis von 360
       Euro, und während sich bei den Senior*innen der Preis nicht ändern soll,
       entfielen geltende Nutzungsbeschränkungen. Es gäbe also immerhin mehr ÖPNV
       fürs Geld.
       
       Apropos Geld: Andere kursierende Nahverkehrs-Innovationskonzepte sind
       griffiger, passen wenn nötig in einen Tweet, sei’s die Kostenfreiheit für
       Jüngere oder die 365-Euro-Jahreskarte. Tjarks nun unterstrich, dass das
       eigene Konzept solide durchgerechnet sei und also zukunftstauglich – und
       das sei der Schlüssel zur Akzeptanz. Eine Sichtweise, der sich etwa die
       Linksfraktion – zu deren Markenkern das Soziale ja mindestens so sehr
       gehört wie bei der SPD – nicht anschließt: Sie bemängelte am
       Grünen-Konzept, es sei „seltsam mutlos“.
       
       14 Dec 2019
       
       ## LINKS
       
   DIR [1] /Hamburger-Senat-verspricht-Verkehrswende/!5645806
   DIR [2] https://www.vcd.org/themen/klimafreundliche-mobilitaet/
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Alexander Diehl
       
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