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       # taz.de -- Neuauflage von „Männerphantasien“: Von Körpern abgrenzen
       
       > Theweleit in der Volksbühne: Im Gespräch mit Margarita Tsomou hat der
       > Autor am Dienstag die Neuauflage von „Männerphantasien“ vorgestellt.
       
   IMG Bild: Klaus Theweleit, Autor von „Männerphantasien“
       
       Es hätte ein konfliktreicher Abend werden können. Die Lage nach den letzten
       Wahlergebnissen ist angespannt, der Wunsch nach Reaktionen auf die
       Reaktionäre wird dringlicher, und hier im großen Saal der gefüllten
       Berliner Volksbühne am Dienstagabend saßen sich ein „alter weißer Mann“ und
       eine Feministin neuerer Schule mit Migrationshintergrund gegenüber. Sie
       diskutierten über den „faschistischen Mann“ und dessen Lust an
       Körperzerfetzung und also über die Neuauflage der zweibändigen
       „Männerphantasien“ (Matthes & Seitz), im Original 1977/78 zuerst
       erschienen.
       
       Ihr Autor [1][Klaus Theweleit] war tiefenentspannt. Den ideologischen
       Furor, von Moderatorin Margarita Tsomou, Mitherausgeberin des Missy
       Magazins, ließ er fast unkommentiert laufen, grenzte sich und sein Thema,
       das des faschistischen Körpers, immer wieder subtil vom allzu Ideologischen
       ab. Wo Tsomou von Umerziehung fantasierte, um die Welt vom faschistischen
       Körper zu befreien, beschränkte Theweleit die Wirkmacht des
       Antifaschistischen auf den näheren Umkreis der Individuen: Beziehungen,
       Fußballvereine, Uni-Gruppen, so etwas.
       
       Der Rückzug ins Private, könnte man meinen, wenn man zwei wesentliche
       Kehrpunkte in der jüngeren Geschichte der Linken vergisst oder ausblendet:
       das Scheitern der größenwahnsinnigen Weltänderungsutopien zuletzt
       [2][1968], die im Kern selbst autoritär waren, und die postmoderne Theorie,
       die aus [3][dem Ende der großen Erzählungen] ab 1989 ihre Lehren zog.
       
       ## Wichtige Analyse von Freikorpsliteratur
       
       Theweleits Grundlagenwerk ist in seiner Neuauflage nicht mehr zweibändig,
       sondern ein großer Ziegelstein. In seiner Analyse der
       [4][Freikorps-Literatur nach dem Ersten Weltkrieg] und ihr Münden in den
       Faschismus ist es immer noch einzigartig und hat nichts von ihrer Bedeutung
       verloren; Analogien von damals zu heute zu ziehen, das zeigen auch andere
       Beispiele, ist aber nicht so einfach, wie Tsomou auch selbst
       herausstreicht: Gesellschaftliche Fortschritte sind erkennbar. Die
       Legitimation autoritärer Gewalt ist nicht mehr selbstverständlich, schwarze
       Pädagogik verpönt, die Kindererziehung ist andere, gewaltfreiere Wege
       gegangen.
       
       Nichtsdestotrotz ist man von Gleichberechtigung noch immer weit entfernt.
       Den neuen Feminismus als Antidot gegen den neuen Faschismus vorzuschlagen,
       ist politischer Kitsch und hilft nicht den Körpern, die nicht so eindeutig
       auf einer Seite empfinden. Aber um die geht es.
       
       4 Dec 2019
       
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       ## AUTOREN
       
   DIR René Hamann
       
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