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       # taz.de -- Stadtentwicklung und Gentrifizierung: Kein Kampf gegen Windmühlen
       
       > Amazon will in das geplante Hochhaus an der Warschauer Brücke ziehen. Die
       > Kampagne Berlin vs. Amazon möchte das verhindern.
       
   IMG Bild: In Friedrichshain werden Tech-Giganten entschieden bekämpft
       
       Mit einem ersten Aktionstag hat die Kampagne Berlin vs. Amazon ihren Kampf
       gegen das Unternehmen begonnen. Im Oktober war bekannt geworden, dass der
       Tech-Gigant mit rund 3.400 Entwickler:innen an die Warschauer Brücke ziehen
       wird. Dort soll bis zum Jahr 2023 ein 140 Meter hoher Turm neben der East
       Side Mall entstehen. Amazon plant, 28 der 35 Stockwerke zu belegen.
       
       Die Aktivist*innen lassen am Samstag keinen Zweifel an ihrer
       Entschlossenheit, den Einzug zu verhindern. Das Bündnis Berlin vs. Amazon
       besteht aus lokalen Initiativen, Anwohner:innen, Tech-Arbeiter:innen und
       Künstler:innen, die in Gruppen wie Tech Workers Coalition und Bizim Kiez
       sowie Bündnissen beziehungsweise Kampagnen wie Make Amazon Pay und No
       Google Campus aktiv waren.
       
       „Wir haben bis 2023 Zeit, um Stunk zu machen“, ruft ein Aktivist ins Mikro.
       Über ihm flattern bunte Anti-Amazon-Wimpel im Wind. „Auf der einen Seite
       gibt es die Mietbremse, auf der anderen Seite wird die Tür für Großkapital
       weit aufgemacht“, ärgert er sich über die Stadtpolitik. Die Anwesenden sind
       sich sicher, dass der Einzug der Tech-Firma die Gentrifizierung in Berlin
       beschleunigen wird. Viele im Kiez befürchten, sich die eigene Wohnung bald
       nicht mehr leisten zu können. „Der Letzte macht das Licht aus“, kommentiert
       ein Anwohner lakonisch, der sich vor Ort informiert.
       
       „Die Gentrifizierungsprozesse, die Tech-Urbanismus auslöst, werden ganz
       Berlin betreffen“, prophezeit Konstanze von Berlin vs. Amazon, die ihren
       Nachnamen nicht in der Zeitung lesen will. Die ersten Opfer sieht sie im
       familienbetriebenen Einzelhandel in Friedrichshain. Auch alternative
       Kulturräume wie das RAW-Gelände seien gefährdet. Tech-Hotspots wie Seattle
       und Silicon Valley zeigten, was drohe: explodierende Mietpreise, zunehmende
       Obdachlosigkeit, die Zerstörung sozialer Netzwerke und eine wachsende
       Einkommensschere. „Amazon wird sich hochqualifizierte Kräfte hierher holen,
       und diese Tech-Elite wird die Preise nach oben treiben.“ Ein schönes Leben
       gebe es dann nur noch für Gutverdienende.
       
       ## Amazon kein willkommener Nachbar
       
       Auch aus anderen Gründen ist Amazon für das Bündnis kein willkommener
       Nachbar: Die Firma ist bekannt für die massenhafte Vernichtung neuwertiger
       Waren, die Ausbeutung seiner Mitarbeiter:innen, den Aufbau digitaler
       Überwachungsinfrastrukturen und die Zusammenarbeit mit Abschiebebehörden.
       Außerdem zahlt das Unternehmen keine Steuern.
       
       Konstanze ist zuversichtlich, dass das neue Amazon-Entwicklungszentrum
       verhindert werden kann: „Es ist möglich, wir kämpfen hier nicht gegen
       Windmühlen“, sagt sie. „Hier können wir zeigen, dass man als Anwohnende und
       Aktivistin doch noch was erreichen kann.“
       
       In den nächsten Monaten wollen die Aktivist:innen sichtbarer werden,
       Allianzen schmieden und die Nachbarschaft mobilisieren. Sie wissen, dass
       sie einen langen Atem brauchen: „Wir wollen nicht einen großen Knall,
       sondern nach und nach wachsen und immer größeren Druck aufbauen.“
       
       Protesterfolge an anderen Orten machen Mut: Anfang des Jahres haben
       Aktivist:innen eine neue Amazon-Zentrale im New Yorker Stadtteil Queens
       verhindert. Die Mobilisierungen waren auch von der erfolgreichen
       Kreuzberger Kampagne No Google Campus inspiriert. Nun heißt es wiederum
       siegessicher in Friedrichshain: „Berlin is the next New York.“
       
       22 Dec 2019
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Henrike Koch
       
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