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       # taz.de -- Die Wahrheit: In der Habeckmesserei
       
       > Kurz vor Weihnachten hat Robert Habeck vorgeschlagen, minderjährige
       > Flüchtlinge aufzunehmen. Seine Kritiker haben bei ihm „Hypermoral“
       > entdeckt.
       
   IMG Bild: Darauf einen Doppelbock! Baerbock und Habeck auf dem Grünen-Parteitag am 20.11.2020
       
       Kurz vor Weihnachten hat der Grünen-Dualchef Robert Habeck vorgeschlagen,
       Deutschland solle doch bitte 4.000 unbegleitete Minderjährige aufnehme.
       Kinder also, die derzeit ohne Spielkonsole, Reitunterricht, Klavierstunden
       und vegane Ernährung auf griechischen Inseln in Zeltlagern herumlungern.
       
       Schon wollen Menschenrechtler bereits erste Anzeichen von Langeweile unter
       den halbwüchsigen Abenteuerurlaubern ausgemacht haben. Überdies sollen vor
       Ort bereits vereinzelte Rotznasen ihre Ausbildung zu IT-Spezialisten oder
       Ingenieuren, Germanisten oder Genderforschern schleifen lassen. Eine
       bedenkliche Entwicklung, fürwahr.
       
       Nun ziert es generell die Grünen in ihrer Güte, allzu überhitzte
       Grausamkeit wieder in „wohltemperierte Grausamkeit“ (B. Höcke)
       rückverwandeln zu wollen. Wenigstens zur Besinnlichkeitszeit, wenn die
       Menschen weich und empfänglich sind für symbolische Gesten der
       Nächstenliebe. Und damit es uns nicht gar so weh tut, wenn wir – leider,
       leider – Schmerzen zufügen müssen.
       
       Eine wache statt „woke“ Öffentlichkeit, die ihren Realitätssinn nicht von
       der Heinrich-Böll-Stiftung oder aus dem taz Shop bezogen, sondern an
       Denkern wie Carl Schmitt oder Oswald Spengler geschult hat, konnte Robert
       Habeck sein heuchlerisches Public-Relation-Geflenne selbstverständlich
       nicht durchgehen lassen. Der Berliner Tageszeitung Die Welt kommt das
       Verdienst zu, den Hinweis der Grünen „auf sich selbst als die Besseren“ (U.
       Johnson) auf den Begriff gebracht zu haben: Hypermoral.
       
       Dieser Begriff stammt von Arnold Gehlen, dem finsteren Gegenspieler von
       Theodor W. Adorno. Demnach wird eine gesättigte Gesellschaft von einer
       „Hypertrophie der Moralität“ ergriffen und muss, weil es ihr nun mal
       einfach zu gut geht, „sich selbst umarmen“. Oder aber, in
       Übersprungshandlung, geflüchtete Kinder am Rand des Kontinents. Bei diesen
       Moralisten muss man einfach furchtbar aufpassen, sonst geht’s mit ihnen
       durch.
       
       Wer nicht hypermoralisch handelt, verlegt sich sonst möglicherweise auf den
       Paramoralismus – eine Haltung, die Moral ähnlich sieht, aber keine ist.
       Tückisch sind auch submoralische oder inframoralische Ansprüche, die
       sicherheitshalber unter dem moralisch Möglichen bleiben. Extramoralismus
       hat mit Moral rein gar nichts mehr zu tun, Multimoralismus kennt mehr als
       nur eine Moral. Äquimoralismus hält Abstand zu unterschiedlichen
       Moralvorstellungen, während der Ambimoralist gleich mehreren Ansprüchen
       genügt. Auch sollte, unseren polarisierten Zeiten entsprechend, rechter
       Dextro- von linkem Laevomoralismus unterschieden werden.
       
       Der Trick ist, auf diese Weise die ordinäre Normalmoral zum Verschwinden zu
       bringen. Wer so denkt, denkt bereits postmoralisch – und ist damit erst in
       Europa angekommen. Oder, wie H.P. Baxxter von Scooter sagt: „Hyper, Hyper!“
       
       27 Dec 2019
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Arno Frank
       
       ## TAGS
       
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