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       # taz.de -- Die Wahrheit: Kriskindls Schrottwichteln
       
       > Wenn die Juliklappe nach Weihnachten geht: Es wird einfach zu viel Mist
       > verschenkt. Oder was sollen Obdachlose mit Ofenhandschuhen?
       
   IMG Bild: Ist es nur ein Mythos? Oder ist es der Weihnachtsmann?
       
       Wichteln oder Julklapp, wie es in Norddeutschland heißt, war früher ein
       netter vorweihnachtlicher Zeitvertreib. Dabei wird ausgelost, wer wem
       anonym mit einem kleinen Geschenk eine Freude macht. Ich war dieses Jahr in
       drei verschiedenen Wichtelgruppen. Leider wird der Brauch in Irland, wo er
       „Kriskindl“ heißt, inzwischen als Müllabfuhr missbraucht: Man recycelt alte
       Geschenke.
       
       Die Flasche Weißwein, die ich bekam, war nicht nur recycelt, sondern
       bereits vor langer Zeit geöffnet worden, sodass das ehemalige Getränk
       ungenießbar war. Ich weiß aber genau, von wem das Geschenk kam, sodass ich
       mich nächstes Jahr revanchieren kann. Die Ofenhandschuhe, die
       zusammengenäht waren und mir wie Handschellen vorkamen, sowie der
       Badewasserzusatz für wunde Füße waren kaum besser.
       
       Was macht man mit dem Zeug? Umtauschen? Viele Geschäfte in Dublin nehmen
       unwillkommene Geschenke nach Weihnachten auch ohne Quittung zurück und
       geben einem dafür einen Gutschein. Am zweiten Weihnachtsfeiertag war jedoch
       die halbe Nation unterwegs, um im nachweihnachtlichen Schlussverkauf
       Schnäppchen zu ergattern.
       
       Dabei ist in Irland immer Schlussverkauf. Der vorweihnachtliche „Sale“ ist
       erst eine Woche her. Demnächst kommt der Winter- gefolgt vom
       Frühlingsschlussverkauf. So geht das immer weiter. Dabei sind die Iren
       keineswegs sparsam, es war das teuerste Weihnachten seit mehr als zehn
       Jahren. Im Schnitt hat jeder Haushalt rund 2.700 Euro für Geschenke,
       Völlerei und Weihnachtsutensilien ausgegeben.
       
       ## Panic in the streets of Dublin
       
       Dennoch schienen die Menschen in Panik, weil die Geschäfte über die
       Feiertage 36 Stunden lang geschlossen waren. Sonst kann man nämlich immer
       einkaufen, auch sonntags. Manche Supermärkte sind sogar rund um die Uhr
       geöffnet. Nun aber litten viele unter Entzugserscheinungen. So mancher
       stand bereits seit drei Uhr nachts an, um als Erster an die Ramschtische zu
       gelangen. Für viele war das der Höhepunkt der Feiertage. Vor einem Kaufhaus
       brach beinahe eine Schlägerei aus, weil manche die Angestellten, die die
       Türen aufschließen wollten, für Shopping-Konkurrenten hielten.
       
       Ich gab den Versuch, die Julklapp-Gaben umzutauschen, in Anbetracht des
       Massenwahns auf. Wohlfahrtsorganisationen hatten gebeten, ungeliebte
       Geschenke für Obdachlose zu spenden. Die größte Sammelstelle dafür war die
       Prokathedrale der heiligen Maria in der Innenstadt. Eine Prokathedrale
       besitzt nur vorübergehend den Rang einer Kathedrale. Bis zum 6. Januar kann
       man dort seine Sachen loswerden.
       
       Aber was sollen Obdachlose mit [1][Ofenhandschuhen] und Badezusätzen? Ich
       nahm das Geraffel wieder mit nach Hause. Ich weiß auch schon, wer es
       nächstes Jahr zum Julklapp bekommen wird.
       
       30 Dec 2019
       
       ## LINKS
       
   DIR [1] https://www.youtube.com/watch?v=KHREJVZr6rw
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Ralf Sotscheck
       
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