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       # taz.de -- Demonstrationen in Hongkong: Mit lautem Protest ins neue Jahr
       
       > An Neujahr gehen in Hongkong rund eine Million Menschen auf die Straße.
       > Manche sind pessimistisch, andere fordern gar die Unabhängigkeit von
       > China.
       
   IMG Bild: Polizeikräfte bei Demonstrationen in Hongkong am 1. Januar: Die HSBC-Bank gilt als Peking-loyal
       
       HONGKONG taz | Trotz Großaufgebot der Polizei und Androhungen, härter
       durchzugreifen, zog es zu Jahresbeginn Massen von Regierungsgegnern auf die
       Straßen Hongkongs. [1][Nach fast sieben Monaten halten die Demonstranten
       weiter an ihren Forderungen fest], gleichzeitig werden Wünsche nach einer
       kompletten Unabhängigkeit der chinesischen Sonderverwaltungsregion laut. Es
       zeichnet sich bei den Aktivisten aber auch Resignation gegenüber der Macht
       der Pekinger Regierung ab.
       
       Unter grauen Wolken marschierten die größtenteils friedlichen Demonstranten
       am 1. Januar vom frühen Nachmittag an vom Victoria Park Richtung
       Finanzviertel Central. Laut den Veranstaltern nahmen mehr als eine
       Millionen Menschen an der Demonstration teil, die am Abend in
       Zusammenstößen mit der Polizei eskalierte und frühzeitig beendet wurde.
       
       Polizisten setzten Tränengas und Wasserwerfer ein, während einzelne
       Aktivisten mit Steinen und Molotowcocktails warfen sowie Barrikaden
       errichteten. Auch die Schaufenster von Unternehmen, die als regierungsnah
       angesehen werden, wie beispielsweise die britische Bank HSBC, wurden
       angegriffen. Dem Geldhaus wird vorgeworfen, mit der Verhaftung von vier
       Mitgliedern von Spark Alliance, einer Gruppe, die Geld zur Unterstützung
       der Demonstrationen gesammelt hat, zu tun zu haben.
       
       Am Vorabend hatten Tausende Demonstranten am Hafen unter Protestrufen das
       neue Jahr eingeläutet. Zuvor war es auch an diesem Tag bei einzelnen
       Protestaktionen zu Zusammenstößen mit der Polizei und zu Verhaftungen
       gekommen.
       
       ## Ein Fünftel will die Unabhängigkeit
       
       Die Aktivisten demonstrieren für die Erfüllung ihrer „fünf Forderungen“:
       das Auslieferungsgesetz an Peking komplett zurückzuziehen, den Rücktritt
       der Regierung, eine unabhängige Untersuchung der Polizeigewalt während der
       Proteste, dass die Proteste nicht weiter als Krawalle bezeichnet werden,
       und die Freilassung aller verhafteten Demonstranten.
       
       Neben den üblichen Forderungen der Demonstranten waren während des Marschs
       am Mittwoch auch Flaggen für die Unabhängigkeit Hongkongs zu sehen. Knapp
       ein Fünftel der Menschen in Hongkong unterstützen laut einer Umfrage im
       Auftrag der Nachrichtenagentur Reuters die Unabhängigkeitsforderungen.
       Viele der Demonstranten sagen, sie hielten eine Abspaltung von China
       grundsätzlich für eine gute Idee, sehen dieses Ziel aber als schwer
       erreichbar an.
       
       „Ich glaube, die Unabhängigkeit Hongkongs ist eine Wunschvorstellung“, sagt
       Jess, 19 und Studentin an der Hong Kong University. Sie will im neuen Jahr
       weiter demonstrieren, plant aber, in den nächsten Jahren die Stadt zu
       verlassen. „Ich sehe hier keine Hoffnung und keine Zukunft mehr. Die
       Regierung tut nichts für uns.“
       
       Seit dem Beginn der Demonstrationen wünscht sich laut Reuters-Umfrage eine
       Mehrheit den [2][Rücktritt der Regierungschefin Carrie Lam]. „Hongkong wäre
       besser dran, wenn wir unsere eigene Regierung wählen könnten“, sagt Wong,
       30. „Hongkongs Führung dient nicht uns, sondern der Kommunistischen
       Volkspartei.“ In den Monaten seit Beginn der Proteste habe die Ablehnung
       der Menschen gegenüber dem Einfluss Chinas auf Hongkong zugenommen.
       
       ## Kandy blick düster in die Zukunft
       
       Neben weiteren Protesten suchen die Aktivisten neue Möglichkeiten, Druck
       auszuüben. Bei der Demonstration am Mittwoch waren zahlreiche neue
       Gewerkschaften vertreten, um Mitglieder zu werben und letztendlich Streiks
       zu organisieren. Viele betrachten die bestehenden Gewerkschaften als zu
       regierungsnah.
       
       Am Dienstag hatten sich Regierungsgegner unter anderem zu einer
       Menschenkette versammelt. Außerdem hatten Veranstalter zu einer
       Protestaktion in einem Einkaufszentrum aufgerufen, in dem es schon am
       Weihnachtsabend zu Zusammenstößen mit der Polizei gekommen war.
       
       Kandy, eine der dort Anwesenden, sagt, die Leute werden weiter
       protestieren, bis die „fünf Forderungen“ erfüllt sind. Der Ausblick der
       30-Jährigen auf das neue Jahr ist aber düster: „Angesichts der Macht der
       Kommunistischen Partei Chinas ist es unmöglich, mit einer positiven
       Einstellung ins neue Jahr zu gehen.“
       
       1 Jan 2020
       
       ## LINKS
       
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       ## AUTOREN
       
   DIR Max Bernhard
       
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