# taz.de -- Vor den Wahlen in Großbritannien: Gezerre um jede Stimme
> Johnsons Konservative stehen nach den Prognosen vor dem Wahlsieg. Sie
> zittern aber um die absolute Mehrheit im Parlament.
IMG Bild: Boris Johnson mit dickem Fisch auf auf dem Fischmarkt von Grimsby am 9. Dezember
London taz | Zum Abschluss eines [1][übel ausgetragenen Wahlkampfs] haben
Boris Johnson und Jeremy Corbyn noch einmal alle Register gezogen. Beide
Parteiführer rasten am letzten Tag des Wahlkampfs quer durch
Großbritannien, um Unschlüssige zu bestärken und die eigene Basis
anzufeuern.
Zwar liegen Johnsons Konservative im Schnitt der Umfragen unverändert mit
rund 43 Prozent weit vor Labour (34 Prozent), doch eine am Dienstag
veröffentliche Analyse aller Wahlkreise auf der Basis einer sogenannten
MRP-Analyse gibt den Konservativen eine absolute Mehrheit von nur 28
Sitzen. Noch vor zwei Wochen hatte dieselbe Methode eine Mehrheit von 68
Sitzen ergeben. Da eine MRP-Analyse vor der Wahl 2017 das Patt vorhergesagt
hatte, gilt diese Methode als besonders wichtig im Umfragedschungel. Und:
In mehr als achtzig Wahlkreisen liegt der Vorsprung des Siegers unter 5
Prozent und ist daher nicht gesichert.
Nur wenige Prozentpunkte liegen zwischen einem Wahlsieg der Konservativen
und einem Parlament ohne klare Mehrheitsverhältnisse. Kein Szenario gibt
Labour zusammen mit Liberalen und schottischen Nationalisten eine Mehrheit.
Bei einem Patt wären wohl die Nordiren das Zünglein an der Waage – wie
schon 2017.
Vor diesem Hintergrund haben zuletzt beide Lager ihre Bemühungen um
„taktisches Wahlverhalten“ intensiviert, mit dem Ziel, dass zum Beispiel
alle Wähler der chancenlosen Brexit Party dort, wo die Konservativen nur
knapp hinter Labour liegen, auf Boris Johnson umschwenken. Oder, dass sich
EU-freundliche Wähler von Labour und Liberaldemokraten in konservativen
Wahlkreisen um einen der zwei zur Auswahl stehenden Kandidaten scharen.
## Labour sagt, man werbe um jede Stimme
Letzteres ist allerdings nicht so einfach. Labour sagt, man werbe um jede
Stimme. Und der auflagenstarke Evening Standard erschien am Dienstag mit
einer Werbung für die Liberaldemokraten mit dem Slogan „Wählt
Liberaldemokraten, um den Brexit zu stoppen“. Angefügt war eine Liste von
24 Wahlkreisen im Großraum London, in denen die Tories angeblich
durchrutschten, wenn Labour-Wähler sich nicht hinter die Liberaldemokraten
scharen.
Zunehmend wichtig ist auch das Wahlverhalten ethnisch-religiöser
Minderheiten. Die Enthüllungen über [2][Antisemitismus bei Labour] haben zu
einem Bruch zwischen Labour und den britischen Juden geführt. Labour wirbt
seinerseits um Großbritanniens Muslime und verweist auf eine Reihe von als
islamophob eingestuften Äußerungen konservativer Politiker sowie auf
Rassismus im Tory-Establishment. Die Konservativen suchen als Reaktion
darauf den Schulterschluss mit nichtmuslimischen Einwanderergemeinschaften.
11 Dec 2019
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## AUTOREN
DIR Dominic Johnson
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