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       # taz.de -- Anwohnervignette: Parken soll viel mehr kosten
       
       > Grüner Verkehrsstaatssekretär kündigt höhere Gebühren an. Städtetag denkt
       > an bis zu 200 Euro jährlich für Parkausweis – jetzt sind es 10,20
       
   IMG Bild: Das Anwohnerparken soll in Berlin nach Willen der Grünen sehr viel teurer werden
       
       Die rot-rot-grüne Koalition könnte vor einer neuen Belastungsprobe stehen.
       Denn nach einem Vorstoß des Deutschen Städtetages, unterstützt von der
       Automobilindustrie, zu höheren Anwohnerparkgebühren muss sich der Senat
       entscheiden, ob er den Bürgern mehr abverlangen will – und wie viel.
       Bislang kostet die Anwohnervignette fürs Parken pro Jahr 10,20 Euro. Der
       Städtetag hingegen hält für den Parkausweis bis zu 200 Euro für angemessen.
       Verkehrsstaatssekretär Ingmar Streese (Grüne) nannte diese Größenordnung
       gegenüber der taz am Freitag „eine gute Grundlage“ für ein Nachsteuern. SPD
       und Grüne hatten jüngst in der Klimapolitik Differenzen, welche
       finanziellen Belastungen sozial verträglich sind.
       
       „Wir können uns für einen Bewohnerparkplatz eine Jahresgebühr bis zu 200
       Euro vorstellen“, hatte der Hauptgeschäftsführer des Städtetags, Helmut
       Dedy, davor in einem Interview gesagt. Der Verband der Automobilindustrie
       unterstützt diesen Weg und schlägt vor, Besserverdienende mehr für
       Parkausweise zahlen zu lassen.
       
       Kommt es zu einer Erhöhung auf 200 Euro, wäre das nochmals deutlich mehr
       als der Betrag, den Berlins Grünen-Vorsitzender Werner Graf im Dezember
       nannte: Er hatte vor dem Landesparteitag auf Beispiele im Ausland
       verwiesen, wo das Anwohnerparken bis zu 150 Euro kostet, und dazu vor
       Journalisten gesagt: „Das können wir uns prinzipiell auch vorstellen.“
       
       Allein hätte das Land Berlin dazu aber auch bei Einigkeit in der Koalition
       derzeit nicht die Möglichkeit: Bislang erlaubt eine bundesweite Vorgabe nur
       Gebühren zwischen 10,20 und höchstens 30,70 Euro. Bundesverkehrsminister
       Andreas Scheuer (CSU) hat aber im Herbst angekündigt zu prüfen, ob und wie
       sich diese Vorgaben lockern lassen, sodass Städte und Gemeinden selbst über
       die Gebühren entscheiden könnten.
       
       In der Senatsverwaltung für Verkehr erinnerte Sprecher Jan Thomsen daran,
       dass der ehemalige Staatssekretär Jens-Holger Kirchner höhere Gebühren
       schon im Frühjahr 2017 forderte: Dass die Anwohnervignette nur 10,20 Euro
       kostet, nannte Kirchner damals „eine Frechheit“. Verkehrssenatorin Regine
       Günther (Grüne) trieb eine Erhöhung seither aber nicht merklich voran.
       
       Kirchner-Nachfolger Streese sagte am Freitag: „Die aktuelle Bandbreite der
       Gebühren spiegelt den Wert der genutzten Stadtflächen in keiner Weise
       wider.“ Sie entfalte in dieser Höhe auch keine Regelungswirkung. „Wir
       werden daher schnellstmöglich nachsteuern, sobald dies in unserer Hand
       liegt.“ Über die konkrete Höhe und Ausgestaltung sei zu diskutieren.
       
       Bei den Grünen geht man davon aus, dass die Sozialdemokraten einer
       deutlichen Erhöhung um 100 Euro oder mehr skeptisch gegenüberstehen werden.
       Diese haben in der Vergangenheit immer wieder betont, dass man gerade die
       Mittelschicht, die ohne Hilfen vom Staat auskommen muss, nicht zusätzlich
       belasten dürfe, sondern vielmehr entlasten müsse.
       
       SPD-Stadtentwicklungsexperte Daniel Buchholz mochte sich im Gespräch mit
       der taz nicht auf eine konkrete Zahl festlegen und auch den vom Städtetag
       genannten Betrag von 200 Euro nicht bewerten. „Jetzt müssen wir mit der
       Stadtgesellschaft schnell und intensiv darüber diskutieren, was der
       angemessene Preis für die Nutzung des öffentlichen Raums ist“, sagt der
       SPD-Abgeordnete. Grundsätzlich müsse klar sein, dass mit dem Kauf eines
       Autos und Zahlung der Kfz-Steuer nicht der Anspruch auf einen freien
       Parkplatz vor der Haustür verbunden ist. „Da hat sich die Debatte
       glücklicherweise gedreht.“
       
       3 Jan 2020
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Stefan Alberti
       
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