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       # taz.de -- Harscher Polizeieinsatz in Hamburg: Schnelle Eskalation
       
       > Juri H. und seine Freund*innen beobachten eine Polizeikontrolle – und
       > geraten selbst in den Fokus. Die Polizist*innen setzen Pfefferspray
       > ein.
       
   IMG Bild: Pfefferspray in den Augen ist besonders schmerzhaft, wenn man Kontaktlinsen trägt
       
       Hamburg taz | Juri H. und seine zwei Freund*innen waren auf dem Weg nach
       Hause, als sie am 29. Dezember um drei Uhr morgens durch die
       Bernstorffstraße liefen. Dieser Abend endete mit [1][Pfefferspray] und zwei
       Ingewahrsamnahmen.
       
       An der Ecke Thadenstraße/Bernstorffstraße beobachteten die drei eine
       Polizeikontrolle, schildert H. Etwa fünf Polizist*innen hätten eine
       Gruppe Jugendlicher umzingelt. „Wir wollten gucken, was da los ist“, sagt
       H. Auf der anderen Straßenseite ist ein Hostel. „Wir dachten, vielleicht
       sind es Hostelgäste, die kontrolliert werden und gar nicht wissen, was los
       ist.“ H. sagt, er und seine Freund*innen hätten sich explizit nicht
       zwischen die Polizist*innen und die Kontrollierten gestellt, sondern an
       den Rand.
       
       Die Polizist*innen hätten sie aber sofort beschimpft, ihnen gedroht und
       sie mit den Worten „Verpisst euch!“ weggeschubst, sagt H. Daraufhin hätten
       die drei sich einige Meter entfernt. H. sei dann wieder näher an die
       Jugendlichen herangegangen, um sie zu fragen, ob sie Hostelgäste seien.
       
       Ein Polizist sei auf ihn zugestürmt und habe ihn so heftig geschubst, dass
       er hingefallen sei. Seine Freund*innen seien ihm zu Hilfe gekommen und
       hätten die Polizist*innen angeschrien: „Ey, was soll das?“ Daraufhin
       hätte ein Polizist gerufen „Wollt ihr Pfeffer?“ und habe den dreien dann
       Pfefferspray ins Gesicht gesprüht. „Die Polizisten waren wahnsinnig
       aggressiv“, sagt H.s Freundin Esther P.
       
       ## Ausgeknockt vom Pfefferspray
       
       P. bekam Reizgas in die Augen, in den Mund, ins Ohr. „Ich war völlig
       ausgeknockt und wusste gar nicht, wo ich war“, sagt sie. Besonders in den
       Augen habe das Pfefferspray geschmerzt, weil sie Kontaktlinsen getragen
       habe. Blind und mit dem Reizgas am Körper war sie unfähig, sich die
       Kontaktlinsen selbst zu entfernen. „Ich schrie, hatte Schmerzen und konnte
       schlecht atmen.“
       
       H. habe sie auf die andere Straßenseite gezerrt, um sie nach Hause zu
       bringen. „Da hat uns ein Polizist abgefangen, mich auf den Boden gedrückt
       und mir Handschellen angelegt“, sagt H. Auch der dritte Freund habe den Ort
       des Geschehens verlassen wollen, sei aber von einem Polizisten zu Boden
       gebracht worden. Der Beamte habe ihm ein Knie ins Gesicht, das andere in
       den Rücken gedrückt, sodass er kaum habe atmen können.
       
       Eine solche Situation kann [2][lebensbedrohlich sein], wenn das Atemsystem
       durch das Pfefferspray gereizt ist und der Körper unter Stress steht. Wenn
       beispielsweise ein Herzfehler besteht oder die betroffene Person unter
       Drogen oder Psychopharmaka steht, kann das Kollabieren des
       Herz-Kreislauf-Systems [3][die tödliche Folge] sein.
       
       Die beiden Männer wurden auf die Polizeiwache gebracht, wo sie sich bis auf
       die Unterhose hätten entkleiden müssen, schildert H. Esther P. sagt, sie
       habe noch etwa eine Dreiviertelstunde lang blind und unter starken
       Schmerzen am Boden gelegen und die Polizist*innen angefleht, ihr die
       Kontaktlinsen zu entfernen – was aber weder sie noch die hinzugerufenen
       Sanitäter*innen taten. Man habe ihr gesagt, sie solle sich nicht so
       anstellen. Dann hätten die Polizist*innen ihren Ausweis aus ihrer
       Bauchtasche geholt und sie nach Hause gefahren, wo P.s Mutter sie endlich
       von ihren Kontaktlinsen befreite.
       
       ## Störungsfreier Einsatz nicht mehr möglich
       
       Die Polizei bestätigt diesen Einsatz am Abend des 29. Dezember, schildert
       den Verlauf aber anders. Die drei Personen hätten polizeiliche Maßnahmen
       gestört, sagt Polizeisprecher Daniel Ritterskamp. Die Beamten hätten die
       drei mehrfach aufgefordert, Abstand zu halten. „Den Aufforderungen kamen
       die Personen jedoch nicht nach, stattdessen gingen sie immer wieder auf die
       Beamten zu“, sagt Ritterskamp.
       
       Auch Platzverweisen seien die drei nicht nachgekommen. Als eine Person die
       Hand eines Polizisten wegschlug, „war eine störungsfreie Abarbeitung des
       Einsatzes nicht mehr möglich. Nach mehrfacher Androhung kam es zum Einsatz
       von Pfefferspray.“
       
       Die drei Freund*innen überlegen nun, Rechtsmittel gegen die
       Polizist*innen einzulegen. Viel erhoffen sie sich davon nicht, trotzdem
       wollen sie das Geschehene nicht einfach so stehen lassen. „Vielleicht führt
       das dazu, dass die Polizist*innen beim nächsten mal drüber nachdenken,
       was sie tun, und nicht direkt Pfeffer einsetzen“, sagt H.
       
       3 Jan 2020
       
       ## LINKS
       
   DIR [1] /Kommentar-ueber-toedliches-Pfefferspray/!5527531
   DIR [2] https://www.bundestag.de/resource/blob/191580/%20825a5997105f8aede09106fe71b92bce/pfefferspray-data.pdf
   DIR [3] /Nach-Reizgas-Einsatz-der-Polizei/!5527533
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Katharina Schipkowski
       
       ## TAGS
       
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