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       # taz.de -- heute in hamburg: „Ab dem ersten Tag ohne Obdach“
       
       Interview Thilo Adam
       
       taz: Herr Helfrich, was macht die Stadt bei der Betreuung von Obdachlosen
       falsch? 
       
       Martin Helfrich: Wir haben zwar relativ viele Straßensozialarbeiter in der
       Stadt, es gibt aber keine systematische Planung: Wir wissen nicht genau,
       wer für was oder wen zuständig ist. Es kann also sein, dass es etwa im
       Innenstadtraum eine Ballung gibt und andere Orte außen vor bleiben. Da
       wollen wir alle Helfer in Zukunft besser vernetzen und koordinieren, um
       möglichst viele aufsuchend zu erreichen.
       
       Die Zahl der Wohnungs- und Obdachlosen hat sich von 2009 bis 2018 beinahe
       verdoppelt, auf knapp 2.000 Menschen. Welche Konsequenzen zieht die Stadt
       daraus? 
       
       Insgesamt ist die Zahl zwar angestiegen, wir führen das aber vor allem auf
       Migrationseffekte zurück, auf Menschen, die hier beispielsweise auf der
       Suche nach Arbeit ankommen und ab dem ersten Tag ohne Obdach sind. Der
       Anteil der deutschen Staatsangehörigen, die hier in die Obdachlosigkeit
       geraten sind, ist deutlich zurückgegangen. Das heißt aber auch, dass man
       die Hilfsangebote an die große Gruppe neuer Bedürftiger anpassen muss.
       
       Und wie wollen Sie das machen? 
       
       Wir müssen alle Angebote beispielsweise in anderen Sprachen vorhalten. Dazu
       kommt: Wer in Deutschland keine Ansprüche auf Sozialhilfe hat, hat die aber
       vielleicht im jeweiligen Herkunftsland. Da haben wir mittlerweile
       Online-Tools in unseren Einrichtungen und können direkt bei der Beantragung
       helfen. In einer Metropole ist Obdachlosigkeit womöglich niemals ganz zu
       vermeiden. Wir können aber dafür sorgen, dass alle deutlich flüssiger im
       Hilfssystem ankommen.
       
       Was würden Sie ohne Ehrenamtliche tun? 
       
       Das System ist ja ganz bewusst so aufgestellt, dass nicht nur der Staat
       direkt agiert. Behörden haben auf manche Menschen in bestimmten Situationen
       eine abschreckende Wirkung. Deswegen finanziert die Stadt beispielsweise
       die Arbeit freier Träger. Sie leisten einen wichtigen Beitrag.
       
       Wie halten Sie es selbst, wenn Sie Obdachlosen auf der Straße begegnen:
       Spenden oder weitergehen? 
       
       Manche sagen: Gebt Geld, die Menschen werden schon wissen, wozu sie es
       einsetzen. Andere rufen dazu auf, Lebensmittel oder warme Getränke
       bereitzustellen. Die Caritas hat es vor Weihnachten nochmal so formuliert:
       Geben Sie vor allem Aufmerksamkeit. Gerade bei obdachlosen Menschen ist es
       wichtig, in Notlagen aktiv zu sein und sich nicht abzuwenden.
       
       7 Jan 2020
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Thilo Adam
       
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