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       # taz.de -- Vor 15 Jahren starb Oury Jalloh: Rassistisch korrupt
       
       > Heute vor 15 Jahren verbrannte Jalloh in einer Zelle der Polizei in
       > Dessau. Erschüttert uns der Aufwand, mit dem eine Aufklärung verhindert
       > wird?
       
   IMG Bild: Demonstration zum Gedenken an den jährlichen Todestag von Oury Jalloh in Dessau 2018
       
       Ein Mann verbrennt in einer Gewahrsamszelle der Polizei. Die Beamten in der
       Polizeidienststelle behaupten, er habe seine Matratze angezündet und sei
       dann im Feuer umgekommen. Die Ermittler, die den Ort des Todes untersuchen,
       finden kein Feuerzeug. Zwei Tage später taucht plötzlich eins auf. Die
       Faserspuren am Feuerzeug sind allerdings andere als die der Matratze und
       der Kleidung des Mannes. Ach ja, der Mann, der sich selbst angezündet haben
       soll, war mit Handschellen gefesselt.
       
       Würde Sie das beunruhigen? Würden Sie nicht unbedingt wissen wollen, wie so
       etwas passieren kann? Aus Mitgefühl? Aus der diffusen Angst, dass solche
       Polizisten ja auch Sie beschützen, in Gewahrsam nehmen, in irgendeiner
       Weise für Ihre Gesundheit und Ihr Leben verantwortlich sein könnten?
       
       Würde es Sie unruhig machen, wenn Sie wüssten, dass die Videoaufnahme von
       der Begehung des Tatortes genau an der Stelle abbricht, als die Ermittler
       die Zelle betreten, es also kein Filmmaterial vom Ort nach dem Brand gibt?
       Wenn Sie wüssten, dass die Ermittler fast neun Jahre lang nie eine andere
       These verfolgen, als dass der Mann in der Zelle sich selbst angezündet hat?
       Dass zentrale Erkenntnisse, die andere Schlüsse zulassen, [1][durch die
       Initiative und mit dem Geld von Privatleuten gesammelt worden sind]. Wie
       zum Beispiel das Gutachten eines Brandexperten, der zu dem Schluss kommt,
       der Mann in der Zelle könne sich unmöglich selbst angezündet haben.
       
       Würde es Sie vielleicht einen kurzen Moment hoffen lassen, dass fast neun
       Jahre nachdem der Mann verbrannt ist, der ermittelnde Oberstaatsanwalt
       sagt, man müsse vielleicht doch in Betracht ziehen, dass der Mann in der
       Zelle ermordet worden sei. Würde es Ihnen dennoch den Magen umdrehen, dass
       diese Erkenntnis so lange gebraucht hat und dass der Oberstaatsanwalt dafür
       erst ein Video mit einer Nachstellung des Brandes sehen musste, das
       ebenfalls Privatleute bezahlt haben?
       
       Was würden Sie denken, wenn der ermittelnde Staatsanwalt zwölf Jahre nach
       dem Tod des Mannes einen Aktenvermerk schreibt, der Mann sei schon vor
       Ausbruch des Feuers in seiner Zelle „mindestens handlungsunfähig oder sogar
       schon tot“ gewesen? Dass er vermutlich mit Brandbeschleuniger angezündet
       wurde.
       
       Würden Sie am Rechtsstaat zweifeln, wenn der Staatsanwalt kurz danach für
       den Fall des verbrannten Mannes nicht mehr verantwortlich ist [2][und das
       Verfahren eingestellt wird]?
       
       Würden Sie weinen, wenn fast 15 Jahre nach dem Tod des Mannes in der Zelle
       sich ein Radiologe aus Frankfurt am Main noch einmal die Röntgenaufnahmen
       und Fotografien des verbrannten Mannes ansieht und feststellt, [3][dass er
       vor seinem Tod schwer misshandelt wurde]. Jemand hatte ihm damals
       Schädeldach, Nasenbein, Nasenscheidewand und eine Rippe gebrochen.
       
       Würde es Sie noch berühren, dass das zuständige Oberlandesgericht einen
       neuen Prozess ablehnt? Würden Sie nur noch zynisch lachen, weil das
       Parlament des Bundeslandes, in dem das alles passiert ist, sich nicht zu
       einem Untersuchungsausschuss durchringen kann, sondern zwei Männer
       beauftragt, sich die bekannten Akten noch einmal anzusehen? Würde es für
       Sie noch eine Rolle spielen, dass Sozialdemokraten und Grüne in der
       Regierung sitzen und das mittragen?
       
       Hassen Sie Fragen nach Ihren Gefühlen, nach Empathie, möchten Sie damit
       lieber nicht behelligt werden?
       
       Heute auf den Tag genau vor 15 Jahren verbrannte Oury Jalloh in einer Zelle
       der Polizei in Dessau. Sein Tod und die als Aufklärung getarnte Vertuschung
       eines wahrscheinlichen Mordes an einem Schwarzen Mann durch Polizisten
       sollte uns erschüttern. Aus Mitgefühl. Und weil sein Fall wie der Fall NSU
       für die rassistische Korruption in diesem Land steht. Für das bis ins
       Tödliche reichende Nichtfunktionieren staatlicher Institutionen für
       Schwarze Menschen, Geflüchtete, Menschen, deren Eltern und Großeltern nicht
       in Deutschland geboren wurden. Für eine zivilisatorische Lücke, für die
       weiße Deutsche verantwortlich sind und die wir schließen müssen.
       
       7 Jan 2020
       
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