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       # taz.de -- Bremer Streit über Weservertiefung: Koalitionskonflikt mit Tiefgang
       
       > Die SPD in Bremen begrüßt einen Gesetzentwurf des Verkehrsministeriums
       > zur Beschleunigung von Großprojekten. Die Grünen sehen darin einen
       > „Skandal“.
       
   IMG Bild: Baggerschiff vor dem Containerterminal Bremerhaven: hier finden die Weservertiefung alle gut
       
       Bremen taz | Die Bremer rot-grün-rote Koalition hat ihren ersten echten
       Konflikt: „Wir begrüßen die Aufnahme der Außenweser in das vom Bund
       vorgelegte Maßnahmengesetz“, hat die für die Häfen zuständige Senatorin
       Claudia Schilling (SPD) erklärt. „Skandal“, sagt dazu die grüne
       Umweltsenatorin Maike Schäfer. Ihre Kritik: Durch diese Gesetzesinitiative
       aus dem Hause des CSU-Verkehrsministers Andreas Scheuer sollten „mühsam
       erkämpfte Bürger- und Beteiligungsrechte ausgehebelt“ werden.
       
       Der dritte Koalitionspartner, die Linke, kann es sich da leisten, eine
       abwägende Position einzunehmen: „Grundsätzlich begrüßen wir jede
       Beschleunigung von Verfahren“, erklärte Wirtschaftssenatorin Kristina Vogt
       (Linke). „Ebenso wichtig ist es aber, dass wir in komplexen Fragestellungen
       auch die Bürger und Verbände in angemessenem Maße einbeziehen.“
       
       Konkret geht es darum, dass durch ein „Maßnahmengesetz-Vorbereitungsgesetz“
       (MgvG) die fachlichen Klagerechte insbesondere von Umweltverbänden für
       bestimmte Verkehrsinfrastrukturprojekte per Gesetz ausgeschlossen werden
       sollen. Betroffen wären im ersten Durchlauf zwölf Einzelprojekte,
       beispielsweise der „Neubau der Kurve von Mönchehof nach Ihringshausen im
       Rahmen des Ausbaus der Eisenbahnstrecke von Paderborn nach Halle“.
       Aufgeführt unter Punkt 8 ist aber auch „die Fahrrinnenanpassung der
       Außenweser“. Für die Bundesregierung ist der Gesetzentwurf „besonders
       eilbedürftig“, es gehe darum, „zügig Vorgaben des Klimaschutzprogramms
       parallel zu dessen weiteren Maßnahmen umzusetzen“.
       
       Ob so eine Generalerlaubnis für Einzelfallgesetze verfassungskonform ist,
       könnte ein Thema für das Bundesverfassungsgericht werden. Jedes einzelne
       Verkehrsprojekt müsste zudem wieder per Bundesgesetz beschlossen werden und
       würde wieder der Überprüfung durch das Verfassungsgericht unterliegen, da
       Gesetze normalerweise allgemeine Regelungen treffen sollen, denen alle
       unterliegen und nur in Ausnahmefällen bei überwiegendem öffentlichen
       Interesse für Einzelvorhaben beschlossen werden dürfen. Ob die
       Bürgerbeteiligungsrechte der Verbände so einfach ausgehebelt werden können,
       wäre dann sogar ein Fall für den Europäischen Gerichtshof, sagen Kritiker.
       
       ## Knifflige Angelegenheit
       
       Eine grundsätzliche Kritikerin der Verfahrensbeschleunigung ist Bremens
       Umweltsenatorin. In einer Initiative Bremens für die Sitzung des
       Bundesrates am kommende Freitag konnte der Senat sich aber nur auf die
       Streichung des Punkts 8, der Vertiefung der Außenweser, verständigen.
       Begründung: Es würde sowieso keine Verfahrensbeschleunigung erreicht.
       
       Das sieht Bremens Hafengesellschaft „bremenports“ anders, die aber wurde
       vorher nicht gefragt. Der Umweltverband BUND hatte gegen den ersten Versuch
       eines Planfeststellungsbeschlusses erfolgreich vor dem
       Bundesverwaltungsgericht geklagt.
       
       Ohnehin ist die Sache knifflig. Denn darüber, dass die Vertiefung der
       Außenweser sinnvoll ist, herrscht im Bremer Senat im Grunde Einvernehmen.
       Bei der Außenweser geht es um die Einfahrt zu den Kajen des
       Containerterminals in Bremerhaven, die für größeren Schiffe möglich bleiben
       soll und wichtig ist.
       
       Die Debatte in Bremen tobt um die Unterweservertiefung – die allein im
       Interesse der Getreidehändler von Brake liegt, und von Bremen abgelehnt
       wird.
       
       Warum also ein Streit um einen Gesetzentwurf, der ausdrücklich die
       Außenweser anspricht, nicht aber die Unterweser? Nun: Der ursprüngliche
       Referentenentwurf des Verkehrsministeriums führte auch die Unterweser auf.
       Die liegt im niedersächsischen Interesse, und der Parlamentarische
       Staatssekretär im Verkehrsministerium, Enak Ferlemann (CDU), kommt aus
       Niedersachsen. Aufgrund von Bedenken des Berliner Umweltministeriums wurde
       die Unterweser herausgestrichen. Die aber könnte im Gesetzgebungsverfahren
       im Bundestag im letzten Moment durchaus wieder in die Liste aufgenommen
       werden, so fürchtet man in Bremen.
       
       Dagegen aber argumentiert auch der BUND. Weil das Beschleunigungsgesetz mit
       dem Klimawandel begründet wird, erklärt Bremens BUND-Chef Martin Rode: „Die
       Unterweservertiefung dient dazu, dass Massengutfrachter mit Futtermitteln
       für die nordwestdeutsche Massentierhaltung mit ein paar Tonnen mehr Ladung
       den Hafen Brake ansteuern können. Das Projekt begünstigt
       Futtermittelimporte, die mit großen sozialen und Umweltschäden in den
       Herkunftsländern verbunden sind.“
       
       17 Dec 2019
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Klaus Wolschner
       
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