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       # taz.de -- Frauenrechte in Deutschland: Noch ein weiter Weg
       
       > Die wichtigste globale Frauenrechtskonvention CEDAW wird am Mittwoch 40.
       > Obwohl Deutschland sie ratifiziert hat, hakt es bei der Umsetzung.
       
   IMG Bild: „Gleicher Lohn für gleiche Arbeit“: Proteste am Internationalen Frauentag 2017
       
       Berlin taz | Es war ein kalter Dezemberdienstag von minus 3 Grad, als die
       Generalversammlung der Vereinten Nationen in New York zusammenkam. Vor
       genau 40 Jahren, im Dezember 1979, verabschiedeten die UN das wichtigste
       internationale Menschenrechtsinstrumentarium für Frauen: die
       CEDAW-Konvention zur Beseitigung jeder Form von Diskriminierung der Frau.
       
       Bundesfrauenministerin Franziska Giffey (SPD) würdigte die Konvention
       kürzlich als „Meilenstein“ der Gleichberechtigung. Doch obwohl sich
       Deutschland damit verpflichtet hat, Frauen in allen Lebensbereichen
       rechtlich und faktisch Männern gleichzustellen, kritisiert der Ausschuss,
       der die Umsetzung von CEDAW kontrolliert, Deutschland immer wieder.
       
       Im jüngsten Staatenbericht Deutschlands vom März 2017, auf den die
       Bundesrepublik bis Anfang nächsten Jahres reagieren muss, bemängelt der
       Ausschuss aus 23 unabhängigen Expert*innen zum Beispiel den Paragrafen
       218. Danach müssen sich Frauen, die hierzulande einen
       Schwangerschaftsabbruch wollen, verpflichtend beraten lassen und drei Tage
       warten, bevor sie den Abbruch vornehmen lassen. Zudem trägt die
       Krankenkasse die Kosten dafür nicht.
       
       Doch die Weltgesundheitsorganisation WHO, so der Ausschuss, halte die
       Wartezeit für nicht erforderlich. Der Ausschuss empfiehlt deshalb, den
       Zugang zu einem sicheren Schwangerschaftsabbruch für Frauen in Deutschland
       ohne verpflichtende Beratung und Wartezeit sicherzustellen. Zudem soll die
       Kasse den Eingriff übernehmen.
       
       ## Unter dem Radar
       
       „Besorgt“ zeigt sich der Ausschuss unter der Überschrift
       „Hauptproblembereiche“ außerdem über die Unterschiede zwischen den
       Bundesländern hinsichtlich bezahlbarer Verhütungsmittel für arme Frauen.
       Er empfiehlt, dass moderne Verhütungsmittel überall in der Bundesrepublik
       für Frauen und Mädchen zugänglich, finanzierbar und verfügbar sind.
       
       Weiter soll es ein Verbandsklagerecht für Frauenorganisationen geben, um
       Fälle von Diskriminierung vor Gericht zu bringen. Eine nationale
       Genderstrategie soll ausgearbeitet werden. Und schließlich soll die
       Diskriminierung von Migrantinnen etwa durch Sensibilisierung und ein Recht
       auf umfassende Gesundheitsversorgung beseitigt werden.
       
       „Der Ausschuss gibt sehr klare, wegweisende Empfehlungen, die aus deutscher
       Sicht oft radikal wirken“, sagt die Präsidentin des Deutschen
       Juristinnenbunds, Maria Wersig. „Er hat ein moderneres Verständnis von
       Geschlechtergerechtigkeit, als es in Deutschland vorherrscht.“
       
       Trotzdem laufe die Konvention hierzulande weitgehend unter dem Radar der
       Öffentlichkeit: Sie sei zwar umfassend, aber sehr allgemein formuliert.
       Obwohl die Regelungen eigentlich verpflichtend seien, [1][täten sich
       deshalb auch deutsche Gerichte schwer], alle bestehenden Gesetze im Licht
       von CEDAW auszulegen. Seit 1985 gebe es nur rund 20 Erwähnungen der
       Konvention in Urteilsbegründungen. „Da liegt ein Schatz, der erst noch
       gehoben werden muss“, sagt Wersig.
       
       ## Ein Motor?
       
       Das einzige Instrument zur Durchsetzung der Konvention ist zudem das
       Berichtsverfahren zwischen dem kontrollierenden Ausschuss der UN und der
       Bundesregierung, eine Art fortlaufender schriftlicher Dialog. Der findet
       auf Englisch statt, so dass die Zivilgesellschaft wenn überhaupt, dann oft
       nur verzögert reagieren kann. Doch der Juristinnenbund etwa weist darauf
       hin, dass sich seit dem letzten Staatenbericht Deutschlands zum Beispiel im
       Hinblick auf [2][den Paragrafen 218] nichts getan habe.
       
       Es scheint insofern, als werde Deutschland in seiner Reaktion Anfang 2020
       wohl dasselbe schreiben wie schon einmal: Der Zugang zu sicherem
       Schwangerschaftsabbruch sei „gesetzlich sichergestellt“, so das Ministerium
       in einer ersten Reaktion auf den Bericht im März diesen Jahres. Deutschland
       sei verpflichtet, ungeborenes Leben zu schützen. Von den Versorgungslücken
       für ungewollt Schwangere in ländlichen Regionen hingegen oder dem Problem,
       dass [3][Frauen auf Webseiten ihrer Ärzt*innen keine Informationen über
       Schwangerschaftsabbrüche] finden können: kein Wort.
       
       „Frauen- und menschenrechtspolitische Themen wie reproduktive Rechte
       brauchen hierzulande einfach einen höheren Stellenwert“, sagt Maria Wersig
       vom Juristinnenbund. Auf dem Weg dorthin immerhin sei die Konvention ein
       wichtiges Instrument, um der Debatte Rückenwind zu geben. „CEDAW ist ein
       Motor“, sagt Wersig, „um eine zeitgemäßere Gleichstellungspolitik in
       Deutschland zu verankern.“
       
       18 Dec 2019
       
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