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       # taz.de -- Bremer Landeshaushalt: Kein Plan fürs Geld
       
       > Wie nach jedem Wahljahr steht Bremen aktuell ohne Haushalt da – freie
       > Träger leiden darunter. Andere Bundesländer hätten für das Problem
       > Lösungen.
       
   IMG Bild: Bremen würde gerne mehr Straßenbahnlinien planen. Das muss warten
       
       Bremen taz | Für manche Dinge gibt es einen festen Rhythmus: Alle vier
       Jahre sind Olympische Sommerspiele; im jeweils gleichen Jahr finden auch
       die Europameisterschaften im Männerfußball statt; und in der gleichen
       schönen Regelmäßigkeit hat das Land Bremen sich auf die haushaltslose Zeit
       einzustellen. 2020 ist es wieder so weit, für alle drei Ereignisse.
       
       Wann immer in den letzten 20 Jahren in Bremen gewählt wurde, gab es [1][zum
       Jahresende keinen Haushaltsbeschluss,] zum ersten Januar konnten keine
       neuen Projekte begonnen und keine Investitionen getätigt werden.
       Schließlich müsse sich die neue Regierung erst finden, so die Begründung.
       „Es gab einige neue Ressortzuschnitte, für zentrale Aufgaben musste neues
       Personal gefunden werden“, erklärt dieses Jahr Dagmar Bleiker, Sprecherin
       von Finanzsenator Dietmar Strehl (Die Grünen).
       
       Die Eckwerte des Bremer Haushalts, also die Frage, wieviel Geld die
       einzelnen Ressorts bekommen sollen, hat der Senat im Oktober beschlossen.
       Bis zum Jahresanfang musste geprüft werden, ob die Behörden mit ihren
       Planungen diese Werte einhalten können.
       
       Nun müssen die Deputationen beraten, bis dann Ende Mai endlich ein
       Haushaltsentwurf an die Bürgerschaft übergeben wird. Die soll in zwei
       Sitzungen bis zur Sommerpause abstimmen; am Ende stünden nach diesem Plan
       sechs Monate ohne Haushalt.
       
       Tatsächlich könnte sich der endgültige Beschluss sogar noch weiter
       verzögern. „Aktuell will die Regierung, dass die Bürgerschaft nur drei
       Wochen Zeit für die Haushaltsberatungen bekommt“, so der
       haushaltspolitische Sprecher der CDU-Fraktion, Jens Eckhoff. „Wir lassen
       uns da aber nicht durchjagen.“ Eventuell steht ein Haushalt für 2020 und
       2021 deshalb sogar erst im September. „Mehr als neun Monate, das geht gar
       nicht“, findet Eckhoff. „Das gab es so noch nie.“
       
       Die Regierungsfraktionen und das Finanzressort verteidigen den langen
       Abstimmungsprozess. „Wir sind dieses Mal zu dritt – das macht es nicht
       leichter“, sagt Arno Gottschalk (SPD). „[2][Die Schuldenbremse verschärft
       die finanzielle Lage]. Da müssen wir einfach diskutieren“, so Klaus-Rainer
       Rupp (Linke).
       
       Dazu kommt, dass der Koalitionsvertrag wenig konkrete Vorgaben für die
       Verhandlungen macht. Der damalige Grünen-Chef Hermann Kuhn hatte schon im
       Herbst angekündigt, die Haushaltsverhandlungen würden „zu den nächsten
       Koalitionsverhandlungen.“
       
       Nun bedeutet eine haushaltsfreie Zeit nicht, dass das Land stillsteht. Für
       Pflichtaufgaben können die Ausgaben weiterlaufen: Personal, die Fortführung
       bereits begonnener Projekte, die Erfüllung eingegangener Verträge.
       Ausgenommen von der Sperre hat der Senat auch bestimmte Verstärkungsmittel.
       
       Leidtragende gibt es trotzdem. In Bremen sind das klassischerweise etwa die
       freien Träger der Offenen Jugendarbeit. Ihre Projekte können zwar weiter
       gefördert werden. Allerdings beurteilt das Amt für Soziale Dienste die
       Zuwendungen nicht auf Basis des tatsächlichen Bedarfs, sondern gewährt die
       Mittel vorläufig, auf der Grundlage des vergangenen Jahres, „als ob es
       einen Haushalt gäbe“ – auch dann, wenn, wie dieses Jahr, Tarifverträge zu
       Gehaltssteigerungen führen und das Geld damit hinten und vorne nicht
       reicht.
       
       Im Mädchentreff in Huchting bekommt man die Einschränkungen zu spüren. „Der
       Hauptteil unseres Geldes ist für fixe Ausgaben verplant, für Personal und
       Mieten“, so Leiterin Susan Ella-Mittrenga. „Spielmasse“ sind Angebote wie
       Ausflüge oder Ferienkurse – im Zweifel fallen sie weg. Dazu kommt:
       Mitarbeiter*innen würden bei einer unsicheren Finanzierung durchaus mit
       Jobwechsel reagieren, so Ella-Mittrenga. „So kommen bestehende Strukturen
       immer wieder zum Erliegen“, klagt die ehemalige Grünen-Politikerin.
       
       ## Andere Bundesländer haben Lösungen
       
       Viele andere Bundesländer haben das Problem nicht. Wenn der Haushalt in
       Hamburg nicht pünktlich steht, beantragt der Senat bei der Bürgerschaft die
       vorläufige Haushaltsführung. Und in Berlin und Niedersachsen scheint eine
       haushaltslose Zeit über ein halbes Jahr für dortigen Finanzressorts schwer
       vorstellbar: „Wahlen sind ja ein ganz normales demokratisches Verfahren. Es
       ist ja nicht so, als wäre eine Apokalypse über Bremen hereingebrochen“,
       sagt etwa Eva Henkel, Sprecherin des Berliner Finanzressorts.
       
       In Berlin verabschiedet vor Wahlen die alte Regierung den Haushalt auch
       fürs neue Jahr – entweder als Doppelhaushalt oder, in ungeraden Wahljahren
       wie 2021, über einen vorläufigen Haushaltsbeschluss. Das neue Parlament
       kann dann nach der Wahl eigene Schwerpunkte über einen Nachtragshaushalt
       setzen. Nach der Berlin-Wahl vom September 2016 stand dieser Anfang 2017
       fest.
       
       ## In Bremen sieht man das Problem nicht
       
       In Bremen habe man über so etwas noch nicht nachgedacht, erklärt
       Gottschalk. „Ich sehe auch den Sinn nicht ganz. So oder so muss eine neue
       Regierung ihr Programm in den Haushalt umsetzen.“ Die haushaltslose Zeit
       sei auch kein rechtsfreier Raum: „Die meisten Programme laufen ja weiter.“
       
       Ella-Mittrenga hat ihre eigene Vermutung: „Ich glaube, dass diese Zeit viel
       Geld spart, das ist politische Absicht.“ [3][Gespart wird tatsächlich bis
       ein fester Haushalt steht], das bestätigt die Finanzbehörde – Absicht sei
       das aber nicht. Das glaubt auch Eckhoff: „Aber ich weiß nicht, was
       schlimmer wäre: absichtlich zu sparen oder aus Unvermögen.“
       
       10 Jan 2020
       
       ## LINKS
       
   DIR [1] https://www.kreiszeitung.de/lokales/bremen/haushaltslosen-zeit-1510794.html
   DIR [2] /Rot-Rot-Gruen-in-Bremen/!5617278/
   DIR [3] /!5370737/
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Lotta Drügemöller
       
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