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       # taz.de -- Trans Ministerin über Taiwan: „Ich erteile keine Befehle“
       
       > Als erste trans Ministerin weltweit: Audrey Tang war Programmiererin,
       > bevor sie sich überreden ließ, in Taiwan Digital-Ministerin zu werden.
       
   IMG Bild: „In Taiwain ist Breitband ein Menschenrecht“: Audrey Tang beim Gespräch mit der taz
       
       taz am wochenende: Frau Tang, Sie sind Ministerin für Digitales, bezeichnen
       sich aber auch als „staatsbürgerliche Hackerin“. Was meinen Sie damit? 
       
       Audrey Tang: Staatsbürgerlich meine ich im Sinne des Wohlergehens der
       Öffentlichkeit. Und Hackerin bedeutet, ein System zu verstehen und dann
       Innovationen zu entwickeln, um es zu verbessern. Ich will nicht bestehende
       Institutionen stören, sondern mir überlegen, wie sie besser sein könnten.
       
       Sie nannten sich selbst auch eine „konservative Anarchistin“. Wie geht das
       zusammen? 
       
       In Taiwan gibt es viele verschiedene Abstammungen, etwa die austronesische,
       die bis nach Polynesien oder zu den Maori reicht. Und verschiedene
       koloniale Vergangenheiten, etwa die holländische und die spanische. Und
       natürlich Einwanderungsgeschichten vom chinesischen Festland. All dies
       repräsentiert unterschiedliche Kulturen und Traditionen. Deshalb haben wir
       jetzt 20 Landessprachen und wollen alle erhalten. Das meine ich mit
       konservativ. In der Biosphäre um Taiwan leben zehn Prozent der weltweiten
       Artenvielfalt. Auch die sollte man erhalten. Konservativ bedeutet für mich,
       dass die Geschichten, die uns frühere Generationen erzählen, auch später
       noch Sinn machen.
       
       Wie passt das zum Anarchismus? 
       
       Anarchistin heißt, dass ich weder Befehle erteile noch entgegennehme und
       Dinge auf daoistische Weise entwerfe, also ohne zu versuchen, irgendetwas
       zu erzwingen. Ich will Mechanismen so ändern, dass Menschen trotz
       unterschiedlicher Positionen auf natürliche Weise zusammenkommen.
       
       Jemand hat gesagt, Sie seien eher eine Art Chatroom-Moderatorin als eine
       typische Ministerin. 
       
       Ich bin eine rein vermittelnde Ministerin, jemand, der predigt und Menschen
       in die Welt der globalen Ziele und Nachhaltigkeit einführt. Es geht mir
       nicht darum, für eine bestimmte Regierung zu arbeiten, sondern mit ihr
       zusammenzuarbeiten. Ich will nicht für die Menschen arbeiten, sondern mit
       ihnen. Meine Aufgabe ist es, mit allen Seiten zu sprechen und allen
       zuzuhören und dafür zu sorgen, dass die Menschen auch einander zuhören
       können, kulturelle Übersetzungen anzufertigen, wenn die Kommunikation
       zusammenzubrechen droht. Das ist auch die Rolle einer Chatroom-Moderatorin,
       insofern ist das eine gute Beschreibung.
       
       Sie wollen die demokratisch gewählte Regierung so transparent wie möglich
       machen. Wieso? 
       
       Den Staat für die Bevölkerung transparent zu machen, sollte das Ziel jeder
       liberalen Demokratie sein. Natürlich gibt es Grenzen, und die beginnen bei
       uns – wie in jedem Land mit einem Informationsfreiheitsgesetz – dort, wo es
       um Staatsgeheimnisse und Datenschutz geht. Wenn wir die Niederschrift der
       Sitzungen veröffentlichen, denen ich vorstehe, übertrage ich nicht alles
       per Livestream. Das würde die Privatsphäre der Teilnehmenden
       beeinträchtigen. Wir veröffentlichen das Protokoll erst nach zehn
       Arbeitstagen, in denen alle eine Chance zur Bearbeitung haben. Wenn Sie
       also etwas über einen Dritten gesagt haben, der mit einer Veröffentlichung
       nicht einverstanden ist, können wir das anonymisieren. Radikale Transparenz
       ist keine hundertprozentige Transparenz.
       
       Auf dem chinesischen Festland wird nicht der Staat, sondern die Bevölkerung
       transparent gemacht. Müsste [1][Taiwan, das von Peking als abtrünnige
       Provinz gesehen wird], nicht seine Transparenz wegen der politischen und
       militärischen Bedrohung Chinas begrenzen? 
       
       Ich sehe da keine Gefahr. Bei allen Treffen, die ich abhalte, sei es zu
       Open Government, sozialer Innovation oder Jugendbeteiligung, sollten alle
       so viel wie möglich wissen. Unsere Gegner wollen Menschen dazu bringen, der
       Demokratie zu misstrauen. Radikale Transparenz dient als Gegenmittel, weil
       die Menschen den Kontext erfahren, also warum wir über etwas sprechen und
       warum wir etwas tun. Wir teilen schlechte und gute Nachrichten mit ihnen.
       Würden wir nur gute Nachrichten wie Propaganda verbreiten, vertrauten uns
       die Menschen nicht. So verstehen sie, dass wir eine Demokratie sind. Für
       die Gegner wird es dann schwierig, mit Desinformation Zwietracht zu säen.
       
       An diesem [2][Samstag wird in Taiwan gewählt]. Verhelfen die [3][Hongkonger
       Proteste] Taiwans China-kritischer Präsidentin Tsai Ing-wen zur Wiederwahl? 
       
       Tsais Haltung zum Prinzip „ein Land, zwei Systeme“ war stets konsistent.
       Ich bin froh, dass jetzt andere Präsidentschaftskandidaten ähnliche
       Positionen eingenommen haben.
       
       Sie haben gesagt, es sei notwendig, unsere Vorstellung von Demokratie
       digital zu überdenken. Was meinen Sie damit? 
       
       Früher konnte man per Radio oder Fernsehen eine Million Menschen erreichen,
       aber es war nicht möglich, zugleich einer Million Menschen zuzuhören. Heute
       können wir das, dank der Digitalisierung. Früher konnten die Menschen sich
       nur alle paar Jahre durch Wahlen öffentlich beteiligen. Heute können sie in
       Taiwan über ein Bürgerbudget bestimmen und Petitionen unterstützen. Oder
       sich am präsidialen Hackathon und ähnlichen Dingen beteiligen und so jeden
       Tag am demokratischen Prozess teilnehmen.
       
       Präsidialer Hackathon? 
       
       Beim Hackathon des Präsidialamtes erhalten die fünf Gewinner jedes Jahr
       eine Trophäe von Präsidentin Tsai Ing-wen – mit dem Versprechen, ihre Idee
       innerhalb der nächsten zwölf Monate zu verwirklichen.
       
       Und da machen die Menschen mit? 
       
       Klar. Zum Beispiel reichen in Taiwan viele 16-Jährige Petitionen ein. Weil
       sie noch nicht volljährig sind, dürfen sie nicht an Wahlen teilnehmen.
       Dabei haben sie oft die besten Ideen, etwa Plastikstrohhalme durch
       kohlenstoffneutrale Materialien zu ersetzen, die Teil der
       Kreislaufwirtschaft sind. Diese jungen Menschen kümmern sich viel mehr um
       den Planeten und ihre Zukunft, weil sie die Folgen des Klimawandels
       ausbaden müssen. Durch eine Demokratie mit digitaler Partizipation stellen
       wir sicher, dass auch 15- oder 16-Jährige am Agenda-Setting teilnehmen
       können.
       
       Besteht nicht die Gefahr, dass die Digitalisierung, die ja nur ein Werkzeug
       ist, mit der Substanz der Demokratie verwechselt wird? 
       
       Ich habe dazu auf Twitter ein Gedicht geschrieben:
       
       Wenn wir das „Internet der Dinge“ sehen, lasst es uns zu einem Internet der
       Wesen machen. / Wenn wir „virtuelle Realität“ sehen, lasst sie uns zu einer
       gemeinsamen Realität machen. / Wenn wir „maschinelles Lernen“ sehen, lasst
       es uns zum gemeinsamen Lernen machen. / Wenn wir „Nutzererfahrung“ sehen,
       lasst sie uns zu einer menschlichen Erfahrung machen. / Und wann immer wir
       hören, „Singularität ist nahe“, lasst uns erinnern, dass Pluralität schon
       da ist.
       
       Wir sprechen vom Internet der Wesen, weil wir wollen, dass die Flüsse, die
       Berge, die Wesen, die nicht sprechen können, die Tiere, im demokratischen
       Prozess durch die Digitalisierung sprechen können. Damit auch sie eine
       gerechte Vertretung haben.
       
       Haben Sie dafür ein Beispiel? 
       
       Wir haben ein Bürgernetz, in dem die Menschen die Luft- und Wasserqualität
       messen und diese in eine Blockchain schreiben. Zusammen bilden sie eine
       Datenkoalition, etwa von Lehrern, die das als Unterrichtsmaterial
       verwenden, und von Schülern, die lernen, gute Datenverwalter zu werden,
       indem sie ihr eigenes Datenerfassungsgerät für Luftqualität betreiben. Da
       es sich um Open Source-Soft- und Hardware handelt, können sie herumbasteln,
       wie sie wollen. Und da es eine landesweite Karte der Luftverschmutzung
       gibt, können sie zum Beispiel die Regierung auffordern, sich ihrem Netzwerk
       anzuschließen. So entsteht soziale Innovation, wenn der soziale Sektor die
       Technologie kontrolliert. Durch ein Projekt wie dieses nehmen sie am
       politischen Prozess teil – die Datenkoalition verhandelt mit dem Staat.
       
       Als heranwachsender Junge half Ihnen der Rückzug in den Cyberspace, Ihre
       weibliche Identität zu entwickeln. Dabei ist der Cyberspace doch eher
       männlich dominiert. 
       
       Das ist in Taiwan anders. Wir bezeichnen Informatiker auch nicht als
       Software-Ingenieure, sondern als Programm-Designer, sehen das also nicht
       als etwas Technisches. Schon deshalb gibt es bei uns immer gleich viele
       Jungen und Mädchen und manchmal sogar mehr Mädchen, die als
       Programm-Designerinnen arbeiten.
       
       Trotzdem wirkt es oft, als zögen sich eher Jungen und Männer aus der
       Gesellschaft in die digitale Welt zurück. 
       
       Ich meinte mit meinem Rückzug in den Cyberspace keine Art solitäre
       virtuelle Realität, sondern ein soziales Gefüge aus echten Gemeinschaften,
       Künstlern und Kulturmenschen. Die sind im realen Leben eher isoliert, weil
       sie vielleicht die einzigen sind, die bestimmte Aktivitäten in ihrer
       Nachbarschaft praktizieren. Im Cyberspace können sie leichter
       Gleichgesinnte finden und gemeinsam kreativ sein. So wird etwa Wikipedia
       gemacht: Einzelne Autoren schließen sich zu einer Enzyklopädie zusammen. Im
       Cyberspace habe ich eine große Gemeinschaft gefunden.
       
       Wie wirkte sich das aus? 
       
       Wegen der Freunde, die ich dort getroffen habe, habe ich sehr früh mit
       Couchsurfen angefangen. 2005 und 2006 habe ich zwölf Länder und 15 Städte
       besucht und dort jeweils Hackathons veranstaltet. Die Personen, bei denen
       ich gewohnt habe, haben mir ihr Zuhause geöffnet, weil wir online gemeinsam
       an etwas arbeiteten. Das drückt radikales Vertrauen zu Fremden aus. Diese
       Menschen würde ich als meinen Stamm oder meine Verwandtschaft bezeichnen.
       Der Cyberspace bietet mir so mehr Kommunikationsmöglichkeiten, als ich in
       meiner direkten Umgebung je hätte.
       
       Sie wurden als Junge geboren, ließen später Ihr Geschlecht und Ihren Namen
       ändern und identifizieren sich heute als postgender. Sie sagen, es spiele
       keine Rolle, ob Sie als Mann oder Frau angezogen sind.
       
       Ja, wie auch immer. Ich mag es, Menschen anhand ihrer individuellen Werte
       wahrzunehmen und nicht durch Typen, Klassen oder Rollen, weil sich diese
       nun mal ändern. Werte bleiben stabiler und werden mit der Zeit
       ausgereifter. So behandle ich andere Menschen und so möchte ich auch
       behandelt werden. Anstatt einem geschlechtsspezifischen sozialen Drehbuch
       zu folgen, interessiert mich mehr, nach meinen Werten gefragt zu werden.
       
       Zwingt die Gesellschaft Sie nicht manchmal, sich für ein Geschlecht zu
       entscheiden, zum Beispiel, wenn Sie eine öffentliche Toilette benutzen? 
       
       Das ist mir egal, ich benutze einfach die nächstgelegene Toilette.
       
       Welche Erfahrungen haben Sie als erste transsexuelle Ministerin der Welt
       gemacht? 
       
       Ich glaube nicht, dass sich die Menschen in Taiwan dafür interessieren,
       dass ich postgender bin. Das ist einfach normal und sagt viel über Taiwans
       Inklusivität, Toleranz und die Lebendigkeit unser LGBTIQ+-Szene. Taiwan ist
       eine ziemlich reife Gesellschaft in dem Sinn, dass die Menschen ihre
       unterschiedlichen sexuellen Orientierungen, Identitäten und was auch immer
       respektieren. Das ist der beste Rat, den ich geben kann: Respekt.
       
       Macht es für Ihren Beruf einen Unterschied, dass Sie transsexuell sind? 
       
       Natürlich. Ich habe zwei Pubertäten durchgemacht, als Mann und als Frau.
       Das bedeutet, dass ich mich aus erster Hand auf Erfahrungen all dieser
       Menschen beziehen kann. Wenn etwa eine junge Frau gespürt hat, wie das ist,
       wenn der männliche Blick auf sie gerichtet wird, so habe ich auch diese
       Erfahrung gemacht. So kann ich mich vielleicht besser in Menschen einfühlen
       und verschiedene Positionen nachempfinden, ohne gleich eine Hälfte der
       Bevölkerung als „andere Menschen“ zu betrachten. Ich habe keine binären
       Kategorien im Kopf.
       
       Die Digitalisierung bietet viele Freiheiten, kann aber auch ein Instrument
       der Unterdrückung sein. Wie schließen Sie das in Taiwan aus? 
       
       Indem der soziale Sektor befähigt wird, Alternativen zu schaffen. Wer sich
       zum Beispiel bei der Bestimmung der Luft- oder Wasserqualität auf den Staat
       verlässt, liefert sich der Umweltschutzbehörde aus. Wer sich auf
       Wetterballons oder Drohnen privater Unternehmen verlässt, ist von ihnen
       abhängig. Nur durch Stärkung des sozialen Sektors mit offener Hardware und
       durch Anbieten eines Breitbandzugangs als Menschenrecht werden soziale
       Innovationen auch in den ärmsten ländlichen Gegenden möglich, wo sonst
       keine gewinnorientierten Unternehmen tätig werden. In Taiwan haben wir auch
       auf den abgelegensten und höchsten Bergen Verbindungsraten von 10 Megabit
       pro Sekunde bei Kosten von nur 15 Euro pro Monat für eine unbegrenzte
       4G-Verbindung.
       
       Die Volksrepublik China ist führend bei Künstlicher Intelligenz zur
       Überwachung der Bevölkerung. In Berlin experimentieren Sicherheitsbehörden
       am Bahnhof Südkreuz bereits mit Gesichtserkennung und scannen dort die
       Fahrgäste … 
       
       Die Datenschutzrechte besagen, dass jeder unveräußerliche Rechte hat, wie
       etwa das Recht zur Aktualisierung, Löschung oder Portabilität. Aber es
       liegt an jeder Person, diese Rechte einzufordern. Wenn wir wie
       Verbraucherschutzorganisationen vorgehen, wird jeder, der Technologien wie
       die Gesichtserkennung einsetzt, teuer dafür bezahlen müssen. Denn er
       sammelt ja mehr Daten, als er verwenden darf.
       
       Also müssen wir selbst aktiver werden? 
       
       Wenn jeder danach fragt, was über ihn gespeichert ist, wird die
       entsprechende Firma auf eine Technologie umsteigen, die einen einmaligen
       Gebrauch vorsieht und nicht so leicht missbraucht werden kann. Dann wird
       nur noch das Minimum der Daten gesammelt, das die Firma wirklich benötigt.
       Üben die Bürger ihre grundlegenden Datenschutzrechte nicht aus, wird das
       Sammeln, Speichern und Missbrauchen der Daten natürlich einfacher. Die für
       Datenverarbeitung Zuständigen können nur zur Rechenschaft gezogen werden,
       wenn wir alle schon in der Grundschule lernen, auch Datenverantwortliche zu
       sein.
       
       Große IT-Unternehmen diktieren doch die Bedingungen. Google oder Facebook
       haben de facto ein Monopol. Gefährdet das nicht Demokratie und
       Persönlichkeitsrechte? 
       
       Facebooks Hauptgeschäft ist der Verkauf von Werbung. Werbetreibende
       verkaufen Sucht als Nebenprodukt, damit die Menschen immer stärker von
       ihrem Produkt abhängig werden und so mehr Werbung sehen. Bei jeder
       Suchtsubstanz ist es die Pflicht der Zivilgesellschaft, sich gegenseitig
       daran zu erinnern, dass eine Überdosis Nachteile hat.
       
       Wie machen Sie das? 
       
       In der Grundschule unterrichten wir ab diesem Jahr Medienkompetenz – dazu
       gehört auch das Wissen, dass man nicht per Facebook-Apps persönliche
       Beziehungen suchen sollte. Facebook kann nützlich sein, um ein Treffen zu
       organisieren, einen Livestream zu sehen und sich auszutauschen, aber es ist
       kein Ersatz für persönliche Begegnungen. Es macht die Menschen einsam, wenn
       sie es überdosieren.
       
       Also geht es um mehr als technisches Know-how … 
       
       Es geht um grundlegende geistige Hygiene und sie sollte gelehrt werden wie
       das Zähneputzen. Da in Taiwan Breitband ein Menschenrecht ist, ist jedes
       Schulkind auch ein potentieller YouTuber. Die Schulkinder können ihre
       eigenen Sender machen und selbst Produzenten werden. Anstatt sie in
       traditioneller Medienkompetenz zu schulen, bei der sie lernen, Leser oder
       Zuschauer zu sein, bringen wir ihnen bei, was die soziale Verantwortung von
       Produzenten ist und was es bedeutet, Quellen zu überprüfen. All dies gehört
       zur Grundbildung im Digitalzeitalter und macht es weniger wahrscheinlich,
       dass Facebook oder andere Plattformen die Aufmerksamkeit der Menschen
       dominieren.
       
       Als Ministerin machen Sie die Regierung transparenter, haben aber nicht die
       Macht, Social-Media-Konzerne transparenter zu machen? 
       
       Wir machen uns transparent und sie sollten es auch tun. Sonst setzen sie
       sich dem Risiko sozialer Sanktionen aus. Man kann nicht mehr Transparenz
       verlangen, als man selbst zu geben bereit ist.
       
       Sie haben über Sucht gesprochen. Viele von uns sind täglich stundenlang im
       Internet unterwegs. Wäre es nicht besser, wir würden direkt miteinander
       sprechen? 
       
       Nur, wenn wir die Logik hinter dem Bildschirm nicht kennen, sehen wir ihn
       als etwas Magisches an. Wenn wir wenigstens etwas programmieren können,
       wissen wir, dass wir da nur Pixel sehen – und das macht uns weniger
       süchtig.
       
       In Deutschland sind viele ältere Menschen nicht im Internet. Was tun Sie,
       um niemanden auszuschließen? 
       
       Studien zeigen, dass in Taiwan die Altersstufe, die Digitalisierung nicht
       mehr erreicht, mit 75 Jahren beginnt. 65-Jährige sind mit am aktivsten im
       Netz. Aber auch viele Ältere sind in Taiwan dabei, wie meine Großeltern.
       Die Älteste ist 102. Sie nutzen das verschlüsselte Chat-System Line für
       Videogespräche – mehr aber auch nicht. Ich glaube, das geht vielen so. Sie
       können mit dem Line-System Bilder senden und ein Telefongespräch führen.
       Mehr wissen sie nicht über das Internet, aber das ist immer noch eine gute
       Nutzung. Wir machen ja keine Digitalisierung um der Digitalisierung willen.
       
       Sondern? 
       
       Die Digitalisierung soll helfen, sich nützlich und verbunden mit der
       Gesellschaft zu fühlen. Wenn jemand mit der Familie oder Freunden
       kommunizieren will, aber die eigene Mobilität eingeschränkt ist zum
       Beispiel. Die Sprachunterstützung muss angepasst werden, um in der Sprache
       zu sprechen, die die älteren Menschen kennen. In Taiwan haben wir gerade
       von einer Landessprache auf 20 Sprachen umgestellt. Maschinelle Übersetzung
       und ähnliches sind wichtig, um Versprechen zu erfüllen. Wenn künstliche
       Intelligenz als etwas angesehen wird, das den Menschen hilft, wieder Teil
       der Gesellschaft zu sein, dann lieben das auch ältere Menschen.
       
       Sven Hansen ist Asien-Redakteur der taz. Dies ist sein erstes Interview,
       das die Interviewpartnerin selbst digital transkribierte und es zuerst auf
       Englisch veröffentlichte. 
       
       André Wunstorf ist Digitalfotograf in Berlin. Er vermisst die chemischen
       Dämpfe aus dem Fotolabor nicht.
       
       11 Jan 2020
       
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