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       # taz.de -- US-Schlag gegen den Iran: Durst nach Rache
       
       > Soleimani war nicht irgendein General, sondern der Mann hinter Irans
       > Einfluss in der Region. Teherans Optionen sind nun schier unbegrenzt.
       
   IMG Bild: Soleimani, hier 2016 auf der jährlichen Kundgebung zum Jahrestag der Revolution von 1979
       
       Kairo taz | Die Ermordung des iranischen Generals Qasim Soleimani bei einem
       US-Luftangriff in der irakischen Hauptstadt Bagdad hat eine Dimension,
       deren Folgen sich nur schwer abschätzen lassen – aber sie werden massiv
       sein. Es handelt sich um eine direkte Kriegserklärung der USA an die
       iranischen Revolutionsgarden und deren Al-Kuds-Elitetruppen, denen
       Soleimani als Kommandeur vorstand.
       
       US-Drohnen [1][beschossen Soleimanis Konvoi] in der Nacht zu Freitag nach
       dessen Ankunft am Flughafen in Bagdad mit Raketen. Die Order kam von
       US-Präsident Donald Trump persönlich, der damit offenbar kurzfristig seinen
       Rachedurst gestillt hat.
       
       Trump sieht in dem Angriff eine Antwort auf die [2][Stürmung der
       US-Botschaft] in Bagdad durch Demonstranten am Dienstag. Sie gehörten der
       Kataib-Hisbollah an, einer der schiitischen Milizen im Irak, die vom Iran
       unterstützt und gelenkt werden. Diese paramilitärischen Gruppen wiederum
       hatten darauf reagiert, dass die US-Luftwaffe am Sonntag ihre
       [3][Stellungen im Irak bombardiert] hatte.
       
       Das Pentagon rechtfertigte den jüngsten Schlag damit, dass Soleimani aktiv
       an Plänen gearbeitet habe, US-amerikanische Diplomaten und Einsatzkräfte im
       Irak und anderen Ländern der Region zu attackieren.
       
       Die weitere Eskalation ist nun praktisch vorgezeichnet, denn Soleimani war
       nicht irgendein General. Er galt unter den iranischen Revolutionsgarden als
       Held und unterstand direkt dem Revolutionsführer Ajatollah Chamenei.
       
       Darüber hinaus war Soleimani der Architekt der [4][iranischen Strategie],
       die zum Ziel hatte, in der gesamten Region ein Netzwerk irantreuer
       schiitischer Milizen aufzubauen. Damit hat der 62-Jährige es nicht nur
       geschafft, die iranische Einflusssphäre im Nahen Osten abzusichern und
       auszuweiten, sondern hat auch Akteure geschaffen, die militärisch und
       politisch als ferngesteuerte iranische Satelliten agieren können.
       
       Die prominenteste dieser Milizen ist die [5][Hisbollah im Libanon], aber es
       gibt auch zahlreiche schiitische [6][Milizen und deren Parteien], die die
       Politik im Irak bestimmen. Soleimanis ferngesteuerte Truppen kämpfen auch
       auf Seiten Baschar al-Assads in Syrien und haben dem Diktator entscheidend
       zu dessen militärischen Siegen der letzten Jahre verholfen. Auch die
       Huthi-Rebellen im Jemen sind Teil der Soleimani-Strategie.
       
       ## Ein Krieg fände nicht nur im Iran statt
       
       Dieses von Soleimani geschaffene Konstrukt macht die jetzige Lage so
       gefährlich. Der General hat viele Fronten geschaffen, an denen der Iran nun
       zurückschlagen kann. Anders als bei bisherigen Konflikten in der Region –
       etwa beim Irakkrieg 2003 oder dem Afghanistankonflikt seit 2001 – wäre eine
       militärische Konfrontation mit dem Iran nicht auf dessen Landesgrenzen
       beschränkt. Das ist die wichtigste Hinterlassenschaft Soleimanis.
       
       Die erste Front wird dabei wahrscheinlich im Irak verlaufen: zwischen den
       schiitischen Milizen und den verbliebenen US-Truppen. Das Gros der Iraker,
       die nicht den schiitischen Milizen angehören, wird bei diesem Konflikt nur
       zusehen können – auch die [7][seit Oktober entstandene Protestbewegung],
       die auf den Straßen Bagdads nun Soleimanis Tod feiert.
       
       Auch in allen anderen Ländern mit schiitischen Milizen sind US-Botschaften
       und US-Interessen angreifbar. Die Iraner können außerdem das Netzwerk der
       Milizen einsetzen, um US-Verbündeten in der Region wie Israel oder
       Saudi-Arabien das Leben schwer zu machen.
       
       Ölanlagen und Tanker können erneut Ziel von Angriffen werden. Im
       vergangenen Jahr hat der Iran mehrmals unter Beweis gestellt, wie
       verwundbar die saudische Ölindustrie und damit der globale Ölmarkt ist.
       Nach [8][Drohnenangriffen auf zwei Ölanlangen] des saudischen
       Staatskonzerns Aramco im September mussten die Saudis über Nacht ihre
       [9][Ölproduktion um die Hälfte herunterfahren].
       
       Da Saudi-Arabien 10 Prozent des weltweit vermarkteten Öls produziert,
       bedeutete das, dass der globale Ölmarkt mit einem Schlag 5 Prozent der
       Versorgung mit dem schwarzen Gold verloren hatte. Kein Wunder also, dass
       nun die Nachricht von Soleimanis Ermordung dazu führt, dass sich der
       Ölpreis erhöht.
       
       ## Unbegrenztes Eskalationspotenzial
       
       Dass eine iranische Antwort nicht ausbleiben wird, hat die iranische
       Führung bereits unmissverständlich zum Ausdruck gebracht. „Soleimanis Weg
       wird auch ohne ihn weitergeführt, aber die Kriminellen erwartet eine
       schwere Rache,“ schrieb Chamenei in einem Beileidsschreiben, das im
       iranischen Staatsfernsehen verbreitet wurde. „Die Ermordung General
       Soleimanis ist extrem gefährlich und eine dumme Eskalation“, twitterte
       Außenminister Mohammed Dschawad Sarif.
       
       Ein Sprecher der iranischen Regierung kündigte an, dass sich der
       Sicherheitsapparat in wenigen Stunden zusammensetzen wird, um die möglichen
       iranischen Antworten zu besprechen. Mit einer dreitägigen Staatstrauer hat
       sich die iranische Führung erst einmal eine Atempause geschaffen, um sich
       zu überlegen, wo und wann sie zuschlagen lässt und wo es den USA oder der
       Weltwirtschaft am meisten wehtut. Irans Möglichkeiten der Eskalation sind
       dabei schier unbegrenzt.
       
       3 Jan 2020
       
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