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       # taz.de -- Chemieriese will Image verbessern: Sponsored by Bayer
       
       > Mit fünfstelligen Beträgen wollte der Chemiekonzern in den USA Einfluss
       > auf die FPA, eine Organisation der Auslandspresse, nehmen.
       
   IMG Bild: Chemieriese mit zweifelhaftem Image – und zweifelhafter Strategie dagegen
       
       Bochum taz | Nie waren die mehr als ein Dutzend Mails für die
       Öffentlichkeit bestimmt, die 2018 zwischen einem Mitarbeiter der Foreign
       Press Association (FPA) mit Sitz in New York und führenden Repräsentanten
       der US-Sparte des deutschen Chemieriesen Bayer hin und her gingen.
       
       Gegen Zahlung von 50.000, besser 70.000 Dollar bietet der damalige
       FPA-Geschäftsführer Thanos Dimadis darin Bayer massiven Einfluss auf die
       101 Jahre alte Organisation der Auslandspresse in den USA an: [1][Empfänger
       der Mails, die der taz vorliegen und über die der britische Guardian zuerst
       berichtet hat], waren [2][Raymond Kerins], für Bayer in den Vereinigten
       Staaten verantwortlich für „Kommunikation und Regierungsbeziehungen“, und
       [3][Christopher Loder,] zuständig für „Global Media Relations“.
       
       Gegen Geldzahlung habe er einen „visionären Ansatz“ im Angebot, der
       „wertvoll“ für Bayer und die FPA sein könne, schrieb Dimadis den beiden
       Managern am 16. Juni 2018. Möglich seien Diskussionsforen für
       Journalist*innen „zu jedem Thema, das für Bayers strategische Kommunikation
       relevant und prioritär“ sei.
       
       Ausdrücklich erwähnt Dimadis die „Landwirtschaft oder jede andere
       Angelegenheit, die für Bayer von Belang“ sein könnte – offenbar eine
       Anspielung auf die milliardenschweren Schadenersatz-Prozesse, mit denen
       Bayers Tochter Monsanto wegen ihres laut Krebsforschungsagentur der
       Weltgesundheitsorganisation „wahrscheinlich krebserregenden“ Pestizids
       Glyphosat in den USA kämpft.
       
       Denkbar auch: Hintergrundgespräche mit „ausgewählten nationalen und
       internationalen Journalist*innen“, heißt es in der Mail weiter – natürlich
       auch die passend zu „Bayers Kommunikationsprioritäten und strategischen
       Zielen“. Manager Loder könne außerdem „einen Sitz im Beirat“ der
       FPA-Stiftung Foreign Press Foundation erhalten, warb Dimadis.
       
       ## Von den Vorschlägen angetan
       
       Zusichern könne er auch, dass bei der Auswahl von Journalismus-Preisträgern
       der FPA „Bayers strategische Kommunikationspläne und -initiativen“ nicht
       konterkariert würden. In Aussicht gestellt wurde auch eine „große Konferenz
       gegen Fake News“ mit Sommer 2019 in New York, organisiert von der FPA – und
       dem Chemieriesen mit Hauptsitz in Leverkusen.
       
       Dessen Kommunikationsstrategen Kerins und Loder waren von Dimadis’
       Vorschlägen offenbar angetan. Am 25. Juni des vergangenen Jahres wurde für
       16 Uhr ein Telefonat verabredet – und das lief wohl so gut, dass sich der
       FPA-Geschäftsführer um 17.17 Uhr wiederum schriftlich überschwänglich für
       das „positive Feedback“ bedankt, das er erhalten habe – und die
       Bayer-Manager prompt um Bezahlung seiner „zusätzlichen Arbeit“ bittet.
       
       Am 11. Juni sagt Loder die tatsächlich zu: Zwar wolle der Konzern kein
       Geld an eine von Dimadis persönlich geführte Gesellschaft mit beschränkter
       Haftung zahlen, schreibt der Vize-Präsident von Bayers US-Sparte.
       Allerdings werde der Chemiegigant seine „jährlichen Zuwendungen“ für
       „zukünftige Projekte“ der FPA aufstocken – um Dimadis’ „persönliche Rolle
       in diesen Projekten zu beeinflussen“.
       
       Nicht einberechnet hatte Dimadis aber den Widerstand des FPA-Präsidenten
       David Michaels und seines Stellvertreters Ian Williams. Beide waren 2018
       aus persönlichen Gründen wenig präsent: Michaels kümmerte sich um seine
       mittlerweile verstorbene Frau, und Williams hatte eine Herzoperation.
       
       „Schockiert“ sei er gewesen, sagt Williams, als er den Deal nach seiner
       Rückkehr entdeckte: Die Mails zeigten in aller Klarheit, dass Bayer
       versucht habe, die „FPA zu kaufen“. „Unethisch“ seien die Angebote an Bayer
       gewesen, urteilt auch FPA-Präsident Michaels. Zusammen mit der Vorsitzenden
       der FPA-Stiftung FPF, Nancy Prager-Kamel, habe Dimadis versucht, ihn und
       Williams zu verdrängen und die Führung der Organisation der
       Auslandskorrespondenten zu übernehmen – und dabei in Kauf genommen, „die
       Unabhängigkeit und die Professionalität der FPA zu unterminieren“.
       
       ## Keine inhaltlichen Zugeständnisse
       
       Dimadis dagegen weist alle Vorwürfe zurück. Er habe 2018 in erster Linie
       für die Stiftung gearbeitet, argumentiert er in einer Mail an die taz – und
       zwar eben nicht als Journalist, sondern als spendensammelnder Fundraiser.
       Außerdem deutet er an, sein Vorgehen sei von den FPA-Chefs zumindest
       toleriert worden – und leitet eine auf den 3. Mai 2018 datierte Mail von
       Michaels an Kerins und Loder weiter, in der sich der FPA-Präsident
       ebenfalls um eine Bayer-Zuwendung in Höhe von 50.000 Dollar bemüht.
       
       Allerdings: Inhaltliche Zugeständnisse macht Michaels darin nicht. In
       seiner Mail vom 16. Juni betont Dimadis selbst, dass Michaels keine
       Kenntnis von der Bayer angebotenen inhaltlichen Einflussnahme habe: „Von
       all dem, was wir diskutiert haben, weiß David (Michaels, die Red.)
       nichts“, warnt er Kerins und Loder vorsorglich.
       
       Außerdem versucht Dimadis die Guardian-Autorin Carey Gillam, die seine
       Deals erst aufgedeckt hat, als Aktivistin zu diskreditieren: Die
       Agrarexpertin aus Kansas, die mehr als 25 Jahre im Geschäft ist und 17
       Jahre für die Nachrichtenagentur Reuters gearbeitet hat, sei gar keine
       Journalistin des Guardian, sondern verfasse dort lediglich „Beiträge“.
       
       Gillam, die sich bei der Glyphosat-kritischen Initiative „U.S. Right to
       know“ engagiert und immer wieder auf mögliche Krebsgefahren durch das
       Pestizid hingewiesen hat, klagt dagegen die Bayer-Tochter Monsanto an:
       [4][Der Glyphosat-Hersteller fahre eine Kampagne gegen sie]. Deren Ziel sei
       die „Zerstörung“ ihrer Reputation als Journalistin.
       
       ## Auch die taz wollte Bayer schon einschüchtern
       
       Typisch für Monsanto und Bayer sei nicht nur die Kampagne gegen Gillam,
       sondern auch der Deal mit Dimadis, findet Axel Köhler-Schnura von der
       Bürgerinitiative Coordination gegen Bayer-Gefahren, die den Konzern seit
       1978 kritisch begleitet. „Einflussnahmen dieser Art sollten niemanden mehr
       überraschen“, sagt der Umweltaktivist.
       
       Er erinnert an die [5][geheimen Monsanto-Listen], mit denen der
       Pestizid-Hersteller noch 2016 Informationen über Glyphosat-Gegner und
       -Befürworter sammelte. Auch die taz wollte Bayer schon einschüchtern – doch
       der Versuch, eine satirisch aufgemachte Titelseite zum Glyphosat-Mittel
       Roundup („Das Krebs-Rundumpaket“) verbieten zu lassen, scheiterte
       spektakulär.
       
       In Deutschland reagiert Bayers Leverkusener Zentrale deshalb äußerst
       schmallippig auf Nachfragen der taz zur Affäre rund um die FPA. Auf einen
       umfangreichen Fragenkatalog antwortet ein Konzernsprecher erst auf
       mehrfache Nachfrage – und lediglich mit einer ganze zwei Zeilen umfassenden
       Mail: Für Bayer habe der „Kollege Kerins“ doch bereits im Guardian
       „umfassend Stellung bezogen“, heißt es darin nur. Denn natürlich weisen
       Kerins und Loder sämtliche Vorwürfe zurück, sie hätten versucht, die FPA zu
       kaufen: Die US-Sparte des Leverkusener Chemieriesen habe lediglich die
       Fortbildung von Journalist*innen fördern wollen. „Nichts“ sei im Gegenzug
       erwartet worden, lässt sich Kerins zitieren.
       
       Von der engen Zusammenarbeit mit Dimadis will Kerins dagegen nicht lassen.
       Zusammen mit der ehemaligen FPF-Stiftungsvorsitzenden Pager-Kamel hat er
       eine neue Organisation gegründet, die der 101 Jahre alten FPA Konkurrenz
       machen soll. „Association of Foreign Correspondents in the United States“
       heißt die, und ihre Anschubfinanzierung ist gesichert: [6][Für Fortbildung
       und Stipendien kamen 50.000 Dollar – von Bayer.] Der Leverkusener Konzern,
       lässt sich Kerins in einer Pressemitteilung zitieren, sei eben „ein
       unerschütterlicher Unterstützer der Pressefreiheit“.
       
       10 Jan 2020
       
       ## LINKS
       
   DIR [1] https://www.theguardian.com/business/2019/nov/21/bayer-ag-emails-business-interests-funding
   DIR [2] https://www.bayer.us/en/about-bayer/leadership/ray-kerins/
   DIR [3] https://media.bayer.com/baynews/baynews.nsf/id/EN_NamPopWin?open&r0=593C82C389F8F2A0C1257F4D003716F0
   DIR [4] https://www.theguardian.com/commentisfree/2019/aug/08/monsanto-roundup-journalist-documents
   DIR [5] /Monsantos-Liste-mit-Glyphosat-Feinden/!5607306
   DIR [6] https://www.prnewswire.com/news-releases/bayer-donates-50-000-to-the-association-of-foreign-correspondents-in-the-united-states-300865376.html?tc=eml_cleartime
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Andreas Wyputta
       
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